Die ersten Stunden des neuen Tages, still sind sie. In der Pantry duftet das gestern frisch gebackene Brot; der Wasserkessel pfeift nach mir – eine Kanne Kaffee fürs Frühstück, eine Tasse Tee für jetzt gleich. Klar ist die Luft, von einer gewissen Frische und irgendwie hat sie heute auch einen besonderen, angenehmen Geruch. Keine Benzinabgase der vorbeifliegenden Taxiboote kitzeln die Nase. Vögel zwitschern. Ja, die hört man auch hier draussen auf dem Wasser.

Von den hohen Verladekränen her klingt die ewige Melodie des Tag und Nacht beliebten Spiels „Container stapeln“. Ein Schiff geht, der nächste Frachter kommt. Ein ewiges Hin und Her, ein Kommen und Gehen.

Ich geniesse diese Stunden, in der die Welt scheinbar nur mir gehört. Zumindest unsere kleine, vertraute Bordwelt. Und werde schon mal ein klein wenig Abschiedswehmütig. Die Tage fliegen dahin, mein Reisetermin und damit Deutschland rückt näher. Vorfreude auf vieles aber auch ein klein wenig Sorge werde ich im Gepäck haben. Noch nie waren Skipper und Schiff solange vor Anker auf sich allein gestellt. Immer haben wir in den letzten 4 Jahren alles gemeinsam bewältigt. Wenn jetzt der „Cullo de Pollo“ kommt? Schafft der Käptn es, die im Sturm wie Segel wirkenden Sonnensegel alleine schnell genug zu bergen? Jeden Abend muss das Dinghi hoch genommen werden, zu zweit kein Thema, allein mit etwas Lauferei und Koordination verbunden. Wird er auf sich achten? Was, wenn ihm mal nicht gut ist? Es war seine Entscheidung, hier zu bleiben. Eine Entscheidung die ich akzeptiere, auch wenn es mir schwer fällt. Oder mach ich einfach zuviel „Geschiss“ wie man im Rheingau sagt? Und ganz allein ist er ja auch nicht. Um ihn herum sind genügend mittlerweile Bekannte; Menschen mit denen er was unternehmen kann, die er trifft, im Supermarkt, in der Marinabar.

Auf Steffi’s Block „Segeln mit Yemanja“ lese ich von ihrer Vorfreude auf Deutschland. Von allem, was sie geniesst, noch geniessen wird. Und habe das Gefühl, ich muss gar nix mehr dazu schreiben, da steht schon alles. Vielleicht hat sie ein paar Kleinigkeiten nicht erwähnt. So elementare Dinge wie morgens zum Bäcker zu fahren, den Duft der frischen Backwaren in der Nase zu haben und beim Frühstück das Gefühl zu haben: ja, das schmeckt genauso gut wie es riecht. Wissen das die eiligen Menschen in Deutschland überhaupt noch richtig zu schätzen?Jedes Jahr freue ich mich, Familie und Freunde wieder zu sehen, alte Bekannte im kleinen Heimatort zu treffen. Auf dem Marktplatz zu sitzen und mit lieben Menschen am Weinprobierstand einen guten Wein zu trinken. Wie sich der Rheingau wohl verändert hat, was gibt es Neues, was wird nicht mehr sein was immer war?Die Nachbarn haben einen neuen Hund, eine andere Nachbarin ist mit ihrer Hundemeute weggezogen, in den Norden. Wie ich vor jetzt gut 11 Jahren. Das Bett wird nicht mehr sanft schaukeln und aus dem Wasserhahn in der Dusche kommt Wasser in einer mir genehmen Temperatur. Es wird nicht nach Chlor oder sonstigen Chemikalien riechen und das Handtuch mit dem ich mich abtrockne wird richtig sauber sein, flauschig duftend. Nicht, dass unsere Wäsche nicht flauschig und duftend wäre – für einen kurzen Moment, direkt nach der Waschmaschine. Aber sauber …. Sauber ist anders. Und trotzdem kann man/frau irgendwie auch gut damit leben.

Aber es wird kein in seinem schmalen Boot stehender Fischer an mir vorbei staken, kein Nachbar wird seinen Astralkörper unverhüllt zum Duschen an Deck stellen. Es werden keine Schweissbäche an mir herunter fliessen und keine Nachbarn werden zu einem Plausch heran tuckern.Anstelle von Hochhäuser und stilvollen Kolonialbauten rücken die Wälder der Taunusausläufer, die Weinberge des Rheingaus. Fachwerkhäuser, Schieferdächer, Rosenstöcke, Clematis, Lavendel; Kirschen werden reif sein in dieser Zeit während ich Erdbeeren und Spargel knapp verpasse. Der Kühlschrank ist gross und übersichtlich, für Einkäufe steht ein Auto vor der Tür, bringt mich wann und wohin ich will.

Ich werde mit einer Freundin morgens durch den kühlen Wald joggen (naja, was bei mir dann so joggen sein wird) und mit anderen werde ich stundenlang sitzen, erzählen,dabei Sekt trinken und eine Zigarette nach der nächsten rauchen bis mir kotzübel ist wie in Teenagertagen und der Schädel brummt. Wir werden über uns und Gott und die Welt reden und kein Ende finden. Werden über Feste streunen und Leute beobachten. Und ich werde jedes Wort verstehen, das gesagt wird. Denn das ist meine Welt, meine Heimat. In der alles vertraut und bekannt ist und manchmal furchtbar langweilig. Und in der ich irgendwann wieder leben werde. Wenn ich des Herumzigeunerns müde geworden bin, wenn ich mich auf das Gleichmass der Dinge freue. Wenn ich nicht mehr mit dem Wörterbuch in der Tasche laufen will und keine Lust mehr habe auf grosse Veränderungen.

Aber jetzt liegen erst einmal 9 Wochen Abenteuer und aufregende Erlebnisse in einem wunderbaren Land vor mir: in Deutschland!