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Wildes Wasser und Ankunft im Schlaraffenland

Sonntag. Unser Abreisetag. Mit Cayo Largo verabschieden wir uns von Cuba.

Mit Wind um 15-18 Knoten geht es auf einen Am-Wind-Kurs Richtung Cartagena, Kolumbien. Nicht mal eben so. Vor uns liegen mindestens 6 Tage auf See. 6 Tage mit Welle und Wind nicht wirklich mit uns. Wir segeln auf Steuerbordbug, nicht Madame’s Schokoladenseite. Schwer tut sich unser Mädel mit dem Kurs, mit den Bedingungen. Ordentlich Wind und sie kommt nicht so recht ins Laufen. Zickt und bockt. Wir zuppeln und machen und tun. Über Funk kommen gute Ratschläge von der Aries Dream. Irgendwann reffen wir dann das Gross doch aus (die Bordfrau muss sich da jedes Mal doch sehr überwinden) und dann segeln wir auch tatsächlich besser. Später nimmt der Wind zu, die Welle leider auch. Reff 1 muss wieder rein ins Gross. Nicht so einfach bei uns an Bord. Vorm Wind wird es mal wieder nix, also doch in den Wind. Irgendwann ist es geschafft. Die Genua weicht der Fock und wir laufen immer noch mit 7-8 Knoten Fahrt in die Nacht hinein. Die verhüllt gnädig die Walzen, die da anrollen und uns immer wieder versuchen, vom Kurs abzubringen. Ein paar Mal steigt der Autopilot aus, mehrere Mal steigen Wellen übers Schiff. Das Steuerbord-Luk ist undicht, schwallartig ergiesst sich Salzwasser ins Schiff, rinnt in die Staufächer unter der Sitzbank, flutet alles, was auf der Sitzbank gelagert wurde. Ich habe vergessen, eine Tablette gegen Seekrankheit einzunehmen und so beschränken sich meine Aktivitäten unter Deck auf ein Minimum. Auch an Freiwache ist nicht wirklich zu denken. Wir dösen abwechselnd beide in der Plicht und ich zucke bei jeder überkommenden Welle zusammen. Von unten plätschert es und auch hier oben ist bald nix mehr wirklich richtig trocken. Segeln zum Abgewöhnen. Warum tun wir uns das an??? Auf der Aries Dream ist der Skipper guter Dinge und voller Mitgefühl für uns. Mühsam versuchen wir, unsere Kurslinie zu halten.

Der Morgen graut oder besser gesagt: mir graut es vor dem Morgen. Im ersten Licht des Tages offenbart sich das wahre Ausmass der Wellen, die uns da von links gegen die Bordwand donnern und unser Deck in regelmässigen Abständen überspülen. Sch…. wenn das jetzt schon so ist, wie wird das erst vor Kolumbien, vor der für seine Windstärken und Wellenhöhen berüchtigten Küste? Auf der Karte kommen die Cayman Islands in Sicht. Ob wir wohl vielleicht nach Grand Cayman ablaufen könnten? Wir können. Der Käptn geht d’accord. Sieht es als sinnvoll an, erst einmal das Luk abzudichten, alles trocken zu legen, das mittlerweile auch rausgerissene Lazyback zu reparieren und ein Mastrutscher muss auch neu montiert werden. Wunden lecken, zum wievielten Male? Eilig werden die zum Glück vorhandenen Informationen zu den Caymans rausgesucht.

Wir melden uns via Funk rechtzeitig bei der Port Security von George Town und bekommen Anweisung, uns ca. 1 Stunde vor Erreichen der Bucht noch einmal zu melden. Von Achtern rauschen immer noch mächtige Wellen unter unserem Rumpf durch, schieben uns Richtung Süden. Wind und Welle mitlaufend, das ist deutlich angenehmer und wir entspannen uns allmählich wieder.

55 Meilen bis Grand Cayman. Der Käptn rechnet schon mal und meint, dass schaffen wir nicht mehr mit dem Einklarieren während der normalen Bürozeiten. Also Overtime zahlen? Und wie das wohl wird mit dieser Räucheraktion, die üblicherweise an Bord durchgeführt wird zwecks Vernichtung sämtlicher Moskitos die wir evtl. im Gepäck haben?

In der weitläufigen Bucht auf der Westseite der Insel suchen wir uns erstmal die Augen aus dem Kopf nach dem Bojenfeld. Aries Dream geht die Insel von der anderen Seite an und kommt ebenfalls langsam in Sicht. Wo bitte sind die Mooringbojen?? Über Funk hören wir vertraute Schiffsnamen und bekommen schonmal einiges an Informationen, wie das mit dem Anmelden und einklarieren so ab geht. Eine Boje allerdings ist nicht mehr frei. 7 orangefarbene und kostenfreie Festmachebojen stehen für Fahrtenyachten zur Verfügung. Und 9 Yachten sind heute angekommen. Ergo bleiben 2 auf der Strecke. Aries Dream und naja kreiseln durchs Mooringfeld auf der Suche nach einer Alternative, nerven die Port Security via Funk mit Fragen wie „wo können wir denn, wann werden wir einklariert etc.“. „Wieviel Wasser haben wir denn eigentlich hier?“. Die am Bug stehende Bordfrau fragt es mit einem kritischen Blick zu den Steinen unterm Schiff. Der Käptn antwortet „5 Meter“ und im gleichen Augenblick rumsen wir auch schon auf. Aha, das sind also 5 Meter. Rückwärts ziehen wir uns runter, Glück gehabt und schnell waren wir auch nicht. Vorsichtig tasten wir uns weiter durch die Bucht und rgendwann hängen wir an weissen Moorings, die eigentlich für Tauchboote vorbehalten sind. Da wir die Koordinaten unserer Boje aber von der Port Security mitgeteilt bekommen haben, werden wir uns zu verteidigen wissen. Dann müssen wir auch schon wieder los und zum North Terminal, wir werden noch einklariert.

Hinter uns quetscht sich noch ein dicker Franzosencatamaran an die Pier, für uns gibt es kein Entkommen mehr. Zwischen Cat und Felsbrocken in der Mitte des Hafenbeckens möchten wir uns bei dem Wind und ohne Bugstrahlruder (out of order, immer noch) nicht durchquetschen. Also warten wir bis die Franzosen einklariert sind, helfen noch beim Ablegen und können dann ebenfalls los. Die Einklarierung geht erstaunlich unkompliziert, niemand kommt an Bord, alle Dokumente werden von uns ausgefüllt und in ein kleines Bürohäuschen gebracht. Stempel von Customs und Immigration drauf, Kopie der Bootspapiere gemacht und schon sind wir entlassen. Overtime ist keine fällig, auf Cayman dürfen wir die Uhr eine Stunde zurück stellen und da wir ja rechtzeitig angemeldet waren, ist wohl alles o.k. Zum Ausklarieren können wir per Pedes oder mit dem Dinghi hier wieder aufschlagen, wie schön. Ausgeräuchert werden wir nicht, die Aloe Vera darf ebenfalls an Deck stehen bleiben, alle sind extrem freundlich und zuvorkommend. Das gilt auch für den netten Herrn am Mikro der Port Security. Der meldet sich schon sobald er nur meine Stimme hört. Dabei hab ich doch die Aries Dream gerufen. Ich muss jedenfalls nicht nach einem Radio-Check fragen, der hört mich ganz sicher „loud and clear“. Jedenfalls war die Port Security kurzzeitig leicht überlastet; mit gleich 9 ankommenden Schiffen hatte wohl keiner gerechnet.

Hinter uns wird das Tor abgeschlossen, Aries Dream wird erst am nächsten Morgen abgefertigt, darf solange nicht von Bord und niemanden an Bord nehmen. Über Funk wünschen wir uns eine angenehme Nachtruhe. Soviel hab ich noch nie über Funk gequatscht.

Wir liegen auf glasklarem Wasser, können Grund und Korallen unterbzw. neben uns sehen. Das Wasser riecht ganz anders wie bisher in der Karibik und ist seidenweich. An Land stehen adrette Häuser aus Holz, amerikanisch-kolonial im Stil, meist Restaurants oder Bars beherbergend. Die können natürlich alle mit einer grossen Terrasse und fantastischem Meerblick auftrumpfen. Dahinter erheben sich die baulichen Insignien einiger weltweit bekannter Firmen und auf den Strassen sieht man ziemlich viele Nobelkarossen. Shopping ist hier easy, Juweliere, Zigarrenläden, Souvenirshops aller Art prägen das Bild. Kirk’s Supermarkt ist nur wenige Minuten vom Dinghisteg entfernt, ein Angler- und Bootszubehörladen sowie Kirk’s Hardware Store gleich nebenan. Und an der nahe gelegenen Esso-Tankstelle können wir unseren doch sehr leer gefahrenen Dinghi-Tank auffüllen.

Tauchen und schnorcheln ist hier Programm. Immer wieder machen die entsprechenden Boote an den umliegenden Moorings fest, keiner will uns von unserer Boje vertreiben. Glasbodenboote umkreisen uns und sogar eine Art Bus schiebt sich übers Wasser. „It’s a Bus“ – man hätte es jetzt nicht wirklich auch noch drauf schreiben müssen, es ist einfach unübersehbar. Jeden Tag laufen 1-3 Kreuzfahrtschiffe George Town an und die Zubringerboote karren mehrere Tausend Touris an Land. Davon lebt die Insel sicherlich ganz gut. Und wir geniessen entspanntes Schlendern durch die verschiedenen Läden. Kein aufdringlicher Verkäufer der uns alles mögliche andrehen will. Freundlich bekommen wir die frisch eingetroffenen Original-Panama-Hüte erklärt, dürfen anprobieren und werden aufs freundlichste verabschiedet. Könnte ja sein, dass wir nochmal reinkommen. Dabei hab ich lediglich ein kleines Souvenir für wenige Dollar erstanden.

Mit uns in der Bucht liegen noch gute Bekannte von früheren Stationen: die niederländische Ebijmar und die unter UK-Flagge fahrende Joy of Shamrock. Das gibt natürlich grosses Hallo, wir haben uns viel zu erzählen und freuen uns über das doch unverhoffte Wiedersehen. Dazu lernen wir die ebenfalls niederländischen Crews der Rafiki und der Puff kennen. Man trifft sich an Land in einer der Bars, auf dem Dinghisteg oder quatscht via Funk miteinander, tauscht sich Passwörter zu Wifi-Netzen aus, hilft sich gegenseitig mit Wasserkanistern, Werkzeug oder Rat und Tat. Fahrtenseglerleben, wie wir es mögen.

Im Souvenirshop erstehen wir unsere Gastlandflagge. Der Bootsladen hatte erstaunlicherweise keine im Angebot und verwies uns auf das Museum. Die dort angebotenen Flaggen sind zwar hochwertig aber auch hochpreisig. So arbeiten wir das für 4 CI$ erstandene Fähnchen bootsgerecht um. Die paar Tage wird es an der Saling wohl überleben.

Wir arbeiten uns langsam aber stetig durch unsere Aufgabenliste durch. Mit tatkräftiger Unterstützung von Rene stichelt der Käptn in liebevoller Handarbeit unser ausgerissenes Lazyback wieder zusammen. Gemeinsam dichten sie das Luk ab und basteln aus mehreren Teilen unseren rausgerissenen Mastrutscher wieder zusammen. Zeitgleich wird die Liste der zu besorgenden Ersatzteile schon wieder länger, muss ja schliesslich alles ergänzt werden. Und wir lernen: Torlonkugeln für Mastrutscher und Genuaschlitten, Endstücke etc. kann man nie genug an Bord haben.

Dann geht es in den Supermarkt. Das Angebot ist breit und ein Genuss für die Sinne. Die Preise sind hoch aber wir hatten es uns noch schlimmer vorgestellt. Trotzdem berappen wir für relativ wenig Inhalt im Rucksack immerhin 80Cayman Dollar. Dafür hätten wir auf Martinique den Einkaufswagen aber sowas von voll geknallt. Egal. Wir schwelgen in doch länger entbehrten Genüssen und können uns vor der langen Fleischtheke gar nicht so recht entscheiden, was wir denn zu Abend essen wollen.

Zwiebeln, Kartoffeln – alles liegt einfach so rum. Nur unser Budget ist rationiert und zieht die Grenzen. Wir geniessen es, einfach nur so die Gänge abzulaufen und zu schauen, was es gibt. Wie Kinder im Schlaraffenland fühlen wir uns. Und stellen zeitgleich fest, dass wir aber auch gut auf vieles verzichten können.