Tages-Archiv 12. April 2016

Das Meer ist leer - Auf dem Weg nach Cayo Largo

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12.04.2016 Cayo Sal

Das Meer ist leer, irgendwie. Eine leere, türkisfarbene, manchmal auch jadegrüne Fläche. Mässig bewegt. Mittendrin flache, steinige, lang gezogene sandfarben-grau-grüne Erhebungen: die Cayos. Hinter einer, der Cayo Sal, ragen zwei Masten aus dem Nichts. Die dazugehörigen Boote ankern auf knapp 5 Metern Wassertiefe, Sand mit Seegras das wirkt, als leide es unter Haarausfall. Glasklar ist das Wasser, wir können bis zum Grund sehen und fast erschrickt man: haben wir hier wirklich noch 2,60-2,90 Wasser unterm Kiel? Gemäss unserer Echolotanzeige ja. Der Blick lässt sich halt täuschen.

Ruhig ist es, nur ein leichtes Plätschern des Wassers umgibt uns. Ab und an schreit ein Seevogel von irgendwoher zu uns herüber. Weiter südlich ragen Steine aus dem Wasser, platscht die Brandung des Atlantiks träge gegen die kleinen Inselchen und Felsgruppen, die hier Cuba’s Küste vorgelagert sind. Auf der Cayo Sal ragt eine einsame, kleine Palme empor, trotzt allen Widrigkeiten und behauptet ihren Platz inmitten des sonst eher spärlichen Bewuchses der aus niedrigen Gestrüpp und einer Art Gras besteht. Einsamkeit, Leere. In die eine Richtung gibt es bis zum Horizont nur Wasser.

Und im Wasser? Auch hier auf den ersten und zweiten Blick gähnende Leere. Wenn man mal vom Seegras absieht. Auf den nächsten Blick, durch die Taucherbrille unter Wasser gerichtet entdeckt der Käptn einen Barrakuda, genau unter unserer dicken naja stehend. Zwei kleinere kugelfischähnliche Gestalten stehen ihm zur Seite. Ein neugieriger Geselle ist der Barrakuda. Beobachtet ganz genau das Treiben der beiden Männer, die ihm da mit Tauch- und Schnorchelausrüstung sein neues Domizil aufmischen. Es wird geschabt, gebürstet und gekratzt; unser Propeller gleicht einem Korallenstock. Kein Wunder, wenn der nicht wirklich viel Vortrieb erzeugt und ein Wunder, dass wir damit überhaupt so viel Fahrt gemacht haben. Während das Unterwasserschiff der Aries Dream ebenfalls einer Korallen- und Muschelzuchtstation ähnelt, geht es bei uns. Das auf Curacao gewählte Antifouling scheint seinen Job sehr gut zu machen.

Stille. Kein Lärm, keine Musik, keine Motorengeräusche. Selbst die Windgeneratoren schweigen. Ein leises Glucksen und Plätschern. Ganz leise und wie von weit her wummert die Dirk etwas vor sich hin. Ist das nicht herrlich? Wir können es kaum fassen; fragen uns, warum wir nicht schon früher und überhaupt. Hätte-hätte.

Ein leichter Wind kommt auf, bewegt die Wasseroberfläche, sorgt für angenehme Abkühlung. An einem makellos blauen steht die blassgelbe Sonne. Kuba von einer etwas anderen Seite, eine schöne Seite. Weitab von jedweder Zivilisation; auch wenn das auf einer weiter nördlich gelegenen Insel installierte Leuchtfeuer am Abend seinen Leuchtfinger wieder bis zu uns schickt. Und auch wenn die Cayo Sal ein beliebter Zwischenstopp bei Yachten ist, stört irgendwie nichts und niemand diese Idylle. Hier gibt es keine Strandbars, keine Sonnenschirme und Liegestühle, keine Jet-Skis oder Fährboote. Noch nicht einmal ein Fischer verirrt sich hierher. Nur an einem kleinen Strand liegt ein halb gesunkener Motorcatamaran vor einem makellosen kleinen Sandstrand. Umgeben von türkisfarbenem Wasser hat er hier seinen letzten Ankerplatz gefunden; versinkt allmählich und wird irgendwann nur noch bei genauerem Hinsehen sichtbar sein. Auf Grund gesetzt, verlassen und aufgegeben in einer offenbar trügerischen Idylle. Die doch so gnadenlos und unbarmherzig sein kann.

Husch husch die Eisenbahn

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Husch-Husch die Eisenbahn

„Ich will mit dem Zug durch Cuba fahren“. Der Käptn sprichts, die Bordfrau staunt. Der Mann, der im früheren Zuhause an Land über so ziemlich jeden vorbeifahrenden Zug aufs heftigste zu schimpfen wusste, ausgerechnet der Mann will Zug fahren. Da sag ich doch nur noch Aaaaja statt naja.

Den Bahnhof von Cienfuegos finden wir eher zufällig, auf dem Weg zur Visaverlängerung. Ein kleiner Platz mit Bänken im Schatten wunderschön blühender Bäume und der obligatorischen Gipskopp-Büste. Ein altertümlicher LKW wird beladen, ansonsten herrscht im Bahnhofsgebäude selbst gähnende Leere, verlassene Stuhlreihen, leere Schalter. Zwei Bahnhofsdamen in schmucker Uniform schlendern gelangweilt durchs Gelände und harren der Dinge, die da kommen – oder auch nicht. Auf den Gleisen stehen mehrere Waggons, irgendwo weiter vorn schnauft es ryhtmisch: eine Lok bewegt sich wenige Meter, schiebt Waggons von a nach b. Neben den Gleisen grasen Pferde auf dem weitläufigen und eingezäunten Bahnhofsgelände während ihre arebeitenden Kollegen etwas weiter vorne im Schatten grösserer Bäume zwischen den Deichseln ihrer Kutschen auf Fahrgäste warten.Zug-, Bus- und Kutschenbahnhof dicht nebeneinander – man hat die freie Wahl. Und wer sich gar nicht entscheiden kann, der holt sich in der nahe gelegenen Rum- oder Zigarrenfabrikation vielleicht erstmal eine dicke Zigarre oder ein Gläschen hochprozentigen.

Eine in schnörkeliger Schrift mehr bemalte Tafel listet alle Zugverbindungen mit Abfahrts- und Ankunftszeiten auf. Die letzte Spalte ist für Bemerkungen vorgesehen. Aber irgendwie sind fast alle Züge gestrichen, cancelado. Nach Santa Clara kann man fahren, Abfahrt 4 Uhr in der Früh. Das ist hart und muss erstmal verdaut werden.

Auch meine Ankündigung, dass der Käptn für dieses Abenteuer definitiv auf die Begleitung seiner Bordfrau verzichten werden muss, kann ihn nicht stoppen. Oder doch? Eine Weile noch verkündet er vollmundig, dass er mit dem Zug fahren will. Irgendwann aber verlassen wir Cienfuegos und die Zugfahrt ist Geschichte. Irgendwie schade, hätte ja schon gerne des Käptns Bericht gehört.