Monats-Archiv Februar, 2016

Nine Miles

Ocho Rios – Nine Miles mit Routetaxi
1. Busbahnhof Ocho Rios mit Routetaxi nach bis Golden Grove = 170 JAD p.P
2. Umsteigen in Route Taxi nach Claremont = 90 JAD p.P.
3. Umsteigen in Route Taxi nach Nine Miles = 300 JAD p P. (rein theoretisch)
In echt sind wir von Claremont nach Nine Miles für 1500 JAD/3 Personen gefahren. Dafür musste der Fahrer keine Ewigkeit in Claremont rumstehen und auf Fahrgäste warten! Angeboten wurden uns zuerst eine (direkt) Fahrt für 20 USD p.P!!

Am Tag zuvor hatten wir am Busbahnhof von einem Routetaxista die Auskunft erhalten, er würde uns direkt nach Claremont fahren für 260 JAD p.P. Einen Tag später (andere Fahrer) wurde uns erklärt, keines der Taxis fährt direkt nach Claremont – obwohl es an den Taxis als Fahrtziel angegeben ist!!! Es wurden uns Direktfahrten zu horrenden Preisen angeboten, variierend von 50 bis 100 USD, auch variierend in der Gesamtdistanz.
Zwischen den einzelnen Etappen hiess es, hartnäckig um Preise und Fahrtmöglichkeiten feilschen. Insbesondere in Claremont wird hartnäckig behauptet, dass man nur mit dem teuer gecharterten Taxi die Möglichkeit habe, nach Nine Miles zu kommen. Das im Fond eines Taxis eine Lady mit Kleinkind sitzt, die nach eigener Auskunft ebenfalls nach Nine Miles möchte, wird dabei geflissentlich ignoriert.

Von Nine Miles zurück konnten wir eine Mitfahrgelegenheit in einem gecharterten Minibus ergattern. Es lohnt sich, mit den auf dem Gelände von Nine Miles wartenden Fahrern nett zu plaudern! Für 10 USD p.P. ging es exclusiv in einem technisch guten Taxibus mit einem entsprechend versicherten Fahrer, der uns noch dazu bis zum Hafen fahren konnte, weil seine ursprünglichen Fahrgäste zum Kreuzfahrtschiff zurück mussten.

Nine Miles: vielleicht sehenswert, aber mit 19 USD (incl. Führung) einfach total überteuert und mittlerweile touristisch voll ausgeschlachtet. Es wurden mehrere neue Gebäude errichtet, vom ursprünglichen Bob Marley Wohnhaus sieht man auf den ersten Blick nix! Wir haben also nur den ebenfalls angegliederten Souvenirshop „besichtigt“, gute Bob Marley Musik vom Band gehört, im Schatten des Eingangsbereiches gesessen, was getrunken (fast der 3fache Preis wie in Ocho Rios!), mit den Busfahrern geplaudert und uns köstlich über die Gestalten amüsiert. Die sich oft mit einem dicken Joint in der Hand, sehr bleichbeinig und mit stolz geschwellter Brust (weil ja Jointrrauchend) vor dem Eingang zum „Nine Miles Trading Post“ fotografieren lassen. Zum Schreien, die Pseudokiffer. Einer kotzt fast nach dem ersten Zug und gibt die Tüte schnell weiter.

Die Fahrt nach Nine Miles führt durch ein enges, schluchtenähnliches Tal. Nur wenig Licht fällt durch die dicht stehenden Bäume. Hier geht es auch nach „Fern Gully“ und man kann schon an der Strasse hier ahnen, wie es dort wohl aussieht: unzählige Farne in verschiedenen Varianten säumen die Hänge links und rechts. Und die Souvenirbuden dürfen auch nicht fehlen: in kräftigen Rot-Grün-Gelbtönen leuchten uns Strickmützen, Tücher, Kleider, Shirts und was sonst noch begehrenswert sein könnte zu uns herüber.

Dann sind wir durch, die Täler weiten sich. Rinder weiden links und rechts, Felder werden bestellt. Dazwischen immer wieder Häuser, klein, noch kleiner, hübsch, nicht so hübsch. Im vorbeifahren bekommen wir Gandja angeboten, eine dralle Miss ruft strahlend-lächelnd „hey guys“ ins Taxi. Auch die Baustelle der neuen Schnellstrasse bekommen wir zu sehen. Chinesen bauen sie bzw. geben das Geld dafür. Einer unserer Mitfahrer ist auf dem Weg zu der Baustelle. Samt Halskrause und ganz offensichtlich immer noch Schmerzen im Nackenwirbelbereich. 8 Wochen war er arbeitsunfähig nach einem Unfall, jetzt muss er wieder ran. Gibt ja auch kein Geld, wenn er nicht arbeitet. Bei jedem Schlagloch (und es gibt einige in der Strasse hier in den Bergen hinter Ocho Rios) zuckt er zusammen.

Vor „9 miles“ geht es durch „8 Miles“. Irgendwie logisch. Wäsche hängt auf der Leine, überall stehen Männer verschiedenen Alters im Schatten, Schulkinder spielen vor dem Schulgebäude. Von was lebt man, wenn man hier lebt? Der rote Boden allerdings scheint recht fruchtbar zu sein, überall wird Gemüse angebaut, gedeihen Bananen und andere Früchte. Schmiedeeiserne Tore versperren den direkten Zugang zu leicht erhöht gelegenen Farmhäusern. Teile der Abhänge sind betoniert, Rinnen führen in grosse Auffangbecken. Wassermangel haben sie hier keinen erzählt uns der Fahrer. Und sie sorgen ja auch vor für evtl. Notzeiten. Weise Menschen scheinen hier zu leben.

Von Nine Miles sehen wir leider nicht so wirklich viel. Um den ganzen Street Vendors zu entgehen, werden wir direkt in den Hof des Bob Marley Mausoleums gefahren, rumms, Tor hinter uns zu, die schnöde Vendor-Welt bleibt draussen. Keine Chance für die Jerk- und Gandja-Spezialisten. Eigentlich hätte uns eine Wanderung durch den Ort gereizt. Auf einem gegenüberliegenden Hügel weht eine Jamaica-Flagge lustig im Wind. Bestimmt hat man von dort einen tollen Blick auf die umliegenden, sanften Hügel und Berge. Und wo wohl das Mausoleum von Bob Marley ist? Hohe Mauern und dichte Büsche verwehren den Blick von der Strasse aus. Bestimmt gilt auch hier „urheberrechtlich geschützt“. Wir finden ja, die Grabstätte dieses für Jamaica so wichtigen Musikers gehört jedermann frei zugänglich gemacht. Oder zumindest sichtbar. Das sieht auch der Taxifahrer so: das sei nicht gut, wie das hier vermarktet wird. Viele seiner Kunden seien ebenso enttäuscht über diesen gnadenlosen Kommerz wie wir es sind. Aber Familie Marley ist geschäftstüchtig und lässt nichts aus. Immerhin sind ein paar Arbeitsplätze geschaffen worden und die Taxifahrer verdienen sicherlich auch ganz gut an den Fahrten hierher.

Leicht durchgeschaukelt und entsprechend dröselig verabschieden wir uns vorm Cruiseship-Terminal herzlich vom Taxifahrer und unseren Mitfahrerinnen, einer argentinischen Mama mit ihren beiden Teenie-Töchtern. Die wollen noch an den Strand, uns zieht es zum Käsekuchen in die kleine Bar oberhalb des Strandes. Wo wir unsere Studien der Spezies „Tourist“ ausgiebig weiter betreiben können. Und uns über die vielen uniformierten Herrschaften wundern. Was hat das jetzt zu bedeuten: dunkelblaue Hose mit rotem Streifen oder khakifarbenes Gewand? Wir interviewen diverse Beamten und erfahren, dass die einen zur JCF gehören, Jamaica Constable Force, die anderen gehören einer anderen Einheit an. Macht ein Kreuzfahrtschiff fest, wird hier alles aufgeboten, was Beine hat. Damit auch ja die Sicherheit der zahlungskräftigen Tageskunden gewährleistet ist. Wir profitieren da sicherlich auch von, liegt doch das Dinghi auch nicht angeschlossen bei unserer Rückkehr in den Hafen immer noch brav an seinem Festmacher. Wozu sicherlich aber auch der gute Kontakt zu den Dauerliegern dient. Deren Bewunderung uns uneingeschränkt sicher ist: wow, auf einem Segelboot von Deutschland über den Atlantik gefahren, nein, da würde er sich doch in die Hose pi…. (eine eindeutige Geste unterstreicht die anstehende Aktion). Jetzt werden wir immer mit „Respect“ begrüsst, Faust auf Faust und ein strahlendes, jamaicanisches Lächeln dazu. Wir mögen sie einfach, die Jamaikaner. Es sei denn, sie wollen uns grad mal wieder wie x-beliebige Touris behandeln und ein paar extra Dollars aus den Rippen leiern.

Ocho Rios

Ocho Rios am Montag. Die Aida Luna hat in aller Frühe festgemacht, das Meer hat sich beruhigt, unsere Schiffschaukel ebenfalls. Heute zu Nine Miles? Wird verschoben auf Dienstag. Erstmal ist Sonnenbrillen Reparatur (René) angesagt und einen Autoverleiher wollen wir suchen (falls Plan A, Nutzung der localen Busse nicht funktioniert für Nine Miles - wie man uns gestern am Busbahnhof geschäftstüchtig versichern wollte). Und wo wir dann schon unterwegs sind, gibt es noch einen Sortiments-Check im grossen Supermarkt am Stadtrand.

Die Brillenreparatur wird dann ebenfalls eine etwas langwierigere Angelegenheit: der erste Optikerladen lehnt eine solche Reparatur vehement ab, bzw. sieht sich nicht in der Lage. Wir werden um die Ecke geschickt, in einen anderen Optikerladen. Die können Brillen reparieren, aber ausgerechnet diese Art von Schaden nicht. Aber im Shoppingcenter Soni’s gibt es einen, der Schmuck repariert. Die können uns sicher helfen. Dank ausgeklügelter Wegbeschreibungen und unserer mittlerweile nicht unbeträchtlichen Ortskenntnis finden wir den unscheinbarne Laden auf Anhieb. Im ersten Stock, über eine enge Treppe erreichbar und fern von all den Glitzerläden, die neue Ware an den zahlungsfreudigen Urlauber bringen wollen, residieren hinter einer schlichten Tür (die auch als Tresen dient)eine Dame und zwei Herren. Und sehen sich tatsächlich in der Lage, den Brillenbügel wieder anzulöten. Ein kleiner Schnack dazu, ein weiterer Kunde teilt uns strahlend mit, dass er mal in Deutschland gearbeitet hat aber leider kein Deutsch spricht. Dann geht es zurück zu Optikerladen Nr 2, wo noch eine Schraube eingesetzt werden muss. Dann sind wir tatsächlich durch mit dem Thema und widmen uns der Suche nach Spülmaschinensalz (für befreundete Segler) und unserer Mobilität.

Der Busbahnhof ist heute wieder geöffnet und entsprechend belebt. Und siehe da, wir werden wohl mit Routetaxis nach Nine Miles kommen. Klar, wollen uns dienstbeflissen alle am liebsten sofort dorthin bringen, Telefonnummern werden uns angeboten, damit wir auch ja die Dienste der “richtigen” Taxifahrer in Anspruch nehmen. Jungs, wir sind ja nicht seit gestern auf Jamaica, ihr seid alle nett, aber wir bleiben dann doch lieber unverbindlich, legen uns auf nix fest. Wer morgen als erster in der Reihe steht, mit dem fahren wir.

Noch ein Gang über den Markt - Sehnsucht nach Port Antonio und seinem netten Markt kommt auf - dann die Mainstreet hoch. Autoverleiher finden wir, einer macht Mittagspause und bietet seine Autos für ca. 70 USD pro Tag an, der andere verleiht keine Autos mehr (sollten vielleicht mal ihr Werbeschild am Tor ändern). Thema abgehakt, wir bleiben bei der Busvariante. Spülmaschinensalz finden wir auch keines, aber wir bleiben dran.

Noch ein Blick auf das Supermarkt-Warenangebot und erste Preisverhandlungen bei Abnahme einer grösseren Menge an Weinflaschen. Dann reicht es uns. Oh, Rum und andere Alkoholika duty free - das können wir uns nicht entgehen lassen. Leider schliesst der Laden gleich, die Kreuzfahrer sind ja alle schon wieder an Bord der Aidaluna, die gleich ablegen wird. Morgen kommt ein neuer Kreuzfahrer, da ist wieder geöffnet. Wir haben die Preise schon mal sondiert, alles weitere können wir auch morgen oder übermorgen erledigen.

Noch ein Blick in die Auslagen der Schmuckgeschäfte - ein besonderer, hellblauer Stein zieht sogar mein Interesse auf sich. “Larimar”, auf der Dominikanischen Republik beheimatet und erst vor kurzem entdeckt, in vielfältiger Form zu Schmuckstücken verarbeitet. Wirklich schön.

Geplättet fallen wir auf die Stühle eines Cafés, schauen noch ein bisschen den Kreuzfahrttouristen zu. In der gegenüberliegenden Bar ist die Bespassung der Gäste in vollem Gange, mittels Wasserrutsche, poppigen Stühlen und einem Entertainer wird die Kundschaft angelockt. Der nahegelegene Sandstrand tut das Seine dazu; von einem hier angelegten Catamaran ergiessen sich gefühlt 100 Menschen auf den Strand.

Das Dinghi der Aries Dream hat derweil Gesellschaft bekommen: die Libera ist angekommen, ankert hinter uns und die Crew scheint ebenfalls auf Landgang zu sein. Die deutschen Yachten sind also auch hier wieder in der Überzahl - kein Wunder allerdings bei der Gesamtzahl der vor Anker liegenden Fahrtenyachten in Ocho Rios!

Oracabessa nach Ocho Rios

13.-14.02.2016 Ocho Rios

Der Frühstückstisch ist reichhaltig gedeckt, die morgendliche Schwimmrunde um die Boote ist absolviert, eine Schildkröte haben wir gesichtet, die Boote liegen ganz ruhig in der Oracabessa Bucht. An Land lärmen Baumaschinen, Autos fahren hin und her - das weckt unsere Neugier. Das Tagesziel Ocho Rios liegt nur knapp 8 Meilen entfernt, wir können den Tag also entspannt angehen.

Das Dinghi wird am von weitem stabil aussehenden grossen Holzsteg neben einem kleinen Strand festgemacht. Dessen “Holzpoller” erweisen sich als ziemlich marode, da nutzen auch die Abdeckbleche aus Kupfer nix wenn das Holz untendrunter weg fault. Eine Klampe fehlt auch bereits.

Und schon sind wir mitten drin oder besser gesagt drauf: auf dem Gelände des “Golden Eye” - Hotel, Ressort, exclusive Ferienanlage? Nur 27 bunt angestrichene Holzhäuser verteilen sich inmitten einer schön angelegten und zum Teil frisch bepflanzten Gartenanlage. Schon voll möbliert wird noch Putz auf die Wände aufgebracht. Kühlschränke stehen noch etwas unmotiviert mitten im Schlafraum rum, die altmodische Badewanne steht schon mit den Löwenkopffüssen auf ihrem zukünftigen Platz: auf einer von Bambus vor neugierigen Blicken abgeschirmten Terrasse! Wie geil ist das denn?!

Wir besichtigen die zukünftige Bar, die dazugehörigen Sanitäranlagen, den kleinen Pool sowie das Meerwasserbecken. Und sind ganz hin und weg über soviel liebevolle Details, so ausgefallene (innen)architektonische Bauausführung eines Hotels. Stehen doch an Jamaicas Nordküste noch ganz andere Hotelanlagen, protzig, klotzig, in Ocho Rios gar im Hochhausstil errichtet. Bettenburgen anstelle von Individualität. Golden Eye, ein passender Name für ein schön gelegenes und schön angelegtes Urlaubsdomizil.

Trotzdem zieht es uns weiter. Wir nutzen die regenfreie Phase und segeln für eine Stunde mit sanftem Schiebewind Richtung Ocho Rios. Dann lässt der Wind weiter nach, eine weiche Dünung schiebt uns von hinten an; den Rest der Strecke legen wir unter Motor zurück und werden kurz vor unserem Ziel nochmal kräftig geduscht. Eine breite Regenfront rauscht von Osten her über uns hinweg und lässt die vorausliegende Küstenlinie sowie eine davor ankernde Megayacht einfach mal eben verschwinden. Die dicken grünen Ansteuerungstonnen von Ocho Rios bleiben allerdings gut sichtbar - das Riff ebenfalls.

In der Bucht vor dem weitem Sandstrand liegt schon eine Segelyacht. Die uns wieder voraus gelaufene Aries hat auch schon einen guten Ankerplatz gefunden und wir quetschen uns dazwischen. Sieht gut aus, reichlich Platz nach allen Seiten. Nach angemessener Wartezeit starten wir zum Landgang und erkunden die Touristenhochburg. Das wir in einer solchen auch mit anderen Preisen rechnen müssen, erleben wir gleich beim Bier an der Bar: 400 JAD, das toppt sogar noch Oracabessa und ist fast doppelt so teuer wie das Bier in der Marybelle Bar in Port Antonio. Immerhin haben wir nach mehreren Anläufen Wifi, empfangen Emails und sonstige Nachrichten, können das aktuelle Wetter abrufen. Hat eben alles seinen Preis.

Shoppingmall und der alte Kunsthandwerksmarkt werden erkundet, dann reicht es uns. Schnell noch klären, ob wir auch am Strand mit dem Dinghi festmachen können, ohne gleich Strandeintritt zahlen zu müssen - wir können. Die bereits bekannte Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Jamaicaner ist auch hier wieder vorhanden.

Die Nacht wird dann extrem unruhig: Schwell steht in die Bucht, die Schiffe tanzen wild hin und her, wir kommen unserem Nachbarn ziemlich nahe. Aber in der Dunkelheit Anker auf gehen und neu ankern? Wir, d.h. der aufopferungsvolle Käptn, gehen Ankerwache; geben mal etwas mehr Ankerkette, holen wieder ein paar Meter ein - je nach Bedarf. Und sind froh, als es hell wird, sich auf dem Nachbarboot etwas regt und wir umankern können. Jetzt halten wir deutlich mehr Distanz, sehr beruhigend. Der Schwell lässt ganz allmählich auch etwas nach und der Käptn kann ein paar Stunden Schlaf nachholen.

Oracabessa

7 Uhr – Regen trommelt aufs Luk, 8 Uhr – Regen trommelt immer noch aufs Schiff. Auf unserem Nachbarschiff, der Aries Dream regt sich was, der Skipper kontrolliert in Regenjacke den Anker. Und holt uns kurz darauf mit seinem Dinghi ab. Zu einer Runde OK-Spiel. Bei dem Wetter ist uns alle nicht nach weitersegeln. Und wir haben ja Zeit. Zwei Spielrunden des für uns neuen Spieles, dann befinden wir: der Regen hat nachgelassen, wir könnten ja vielleicht mal an Land gehen. Kaum nähern wir uns dem Dinghi, prasselt es auch schon wieder los. Dann wird es wieder etwas weniger und wir starten eine neuen Versuch, machen einen Landgang und erkunden Oracabessa. Wenn wir schon mal hier sind ….!

Vor der fast kreisrunden Bucht, in der wir unsere Anker haben fallen lassen zieht sich ein breiter, beigebrauner Streifen ins türkisfarbene Meer hinein. Zusammen mit dem regengrauen Himmel und dem Grün der Insel ein ganz besonderer Farbkontrast. Wir vermuten, dass ein Fluss hier sein regenschmutziges Wasser ins Meer schiebt. Immerhin ist es in unserer Bucht noch klar und karibisch-türkis. Sogar eine riesige Schildkröte, die hier ihre Runden zieht, können wir gut erkennen.

Wir landen also mit dem Dinghi neben dem heute arbeitslosen Glasbodenböötchen direkt gegenüber unseres Liegeplatzes an, queren einen grossen Sportplatz und erreichen einige Holzgebäude deren Bedeutung nicht so ganz klar ist. Klar dagegen ist, dass die „Bühne“ (ebenfalls aus Holz) schon mal bessere Tage gesehen hat. In einem kleinen Büro treffen wir Jonathan, weisse Hautfarbe, Brille und verantwortlich für die „Oracabessa Foundation“. Somit Veranstalter für das am Sonntag stattfindende Radfahrer-Event, dass er irgendwie schon im Regen versinken sieht. Er erzählt uns von Mel, dem pensionierten englischen Lehrer und Hüter über die Schildkrötengelege an einem der Strände Oracabessas. Wir wissen zwar bereits, dass im Februar keine kleinen Schildkröten schlüpfen werden, aber ganz sicher ist es trotzdem spannend, sich mit dem Schildkrötenpapa mal etwas ausführlicher zu unterhalten. Leider ist er telefonisch nicht erreichbar und am Freitag sei er meist in Kingston. Aber lange bliebe er nie weg. Tröstlich.

Also erstmal ins Zentrum Oracabessas. Das schlängelt sich – wie auf fast allen kleineren Inselorten entlang der Hauptstrasse und besteht aus recht vielen Geschäften, einem Hardwarestore mit gutem Holzangebot und erstaunlich vielen Friseurläden. Ist Oracabessa das heimliche Zentrum dieser Zunft?

Der Markt ist klein und überschaubar, dafür der erste von Sklaven gegründete Markt der Insel. René punktet bei der Dorfjugend mit seiner Grösse und angelt mit zu Hilfenahme eines Stockes kleine Limetten von einem Baum. Die kommen in eine Plastiktüte und werden anschliessend sicher auf dem Markt verkauft.

Ein verheissungsvolles Schild an einem Grocery-Shop leitet uns in eine Art Hinterhof. Hier ist nicht nur das Port Ann College beheimatet, sondern auch ein Restaurant. Naja, Restaurant ist wohl zu viel gesagt, mehr so eine Art Schnellimbiss. Es gibt die obligatorische Curry Ziege mit Reis und Bohnen oder Hähnchenteile mit Fritten. Bei soviel Auswahl ist die Entscheidung schnell getroffen und eine ganze Weile später mampfen wir heisse Fritten und relativ kaltes Hähnchenfleisch aus dem ebenfalls obligatorischen Styroporpack. Dazu ein Kaltgetränk der Marke extrem süss und alle unsere kulinarischen Bedürfnisse sind befriedigt. Mangels Sitzgelegenheiten (2 von 4 Plastikstühlen sind nicht wirklich benutzbar und dienen lediglich zur Stabilisierung von Stuhl Nr. 1 und 3) weichen wir auf den Klassenraum Nr. 1 des Colleges aus. Hier wird nicht nur unterrrichtet, sondern auch sämtliches von den Schülern evtl. benötigtes Arbeitsmaterial verkauft. Oben auf dem Tresen liegen verschiedene Lehrbücher (Mathematik kompletter Kurs Stufe 1 und 2) sowie einige bereits benutzte Hefte. Wann wohl der letzte Unterricht hier stattgefunden hat? Vergilbte Zeitungen lassen auf einen vorübergehenden Unterrichtsausfall schliessen. Nebenan werden Kopier-, Laminier-, Schreibdienste und Unterstützung bei der Visa Beantragung angeboten. Wie das alles durch den kleinen Schlitz im Gitter des Büros gehen soll ist mir schleierhaft.

Im wieder einsetzenden Nieselregen schlurfen wir zurück zum Dinghi. Nicht ohne vorher noch ein überteuertes Red Stripe Bier an der halbherzig geöffneten Strandbar zu uns genommen zu haben. Da hatten es die rund 700 Lehrer, die am gestrigen Teacher-Funday teilgenommen haben, besser: die kamen in den Genuss ermässigter Preise. Die dazugehörige Preisliste (nach der wir uns orientiert hatten) wird kurzerhand zerrissen. Und wir erhalten grosszügigen Nachlass von 100 JAD auf 3 Bier.

Bye bye Port Antonio

Wir bewegen uns, sind noch nicht festgewachsen an der Mooring No 5, die jetzt für fast 2 Monate unser Zuhause war in Port Antonio. Aber bevor wir unser Germaica verlassen können, müssen wir erst noch einen Stempel vom Zoll abholen. Dann geht es an die gegenüberliegende Pier des Boatyard, Diesel fassen. 16 Gallonen passen in unseren Tank, der Käptn passt nicht auf, der überflüssige Diesel schiesst aus dem Einfüllstutzen ins Cockpit und über die Sprayhood. Sauber.

Mit dem La Favorita Taxi geht es dann in die Marina, die Endrechnung samt Diesel begleichen und noch eine schnelle Tschüssrunde durchs Ankerfeld drehen. Die verbleibenden Yachten sind uns in den letzten Wochen gute Freunde geworden und wir haben gemeinsam viel erlebt.

Ich putze derweil Deck und Plicht, räume die letzten Utensilien in die Schapps und bereite alles zum Segelsetzen vor. Aries Dream dümpelt derweil schon in der weitläufigen Bucht und wartet darauf, dass wir endlich ablegen. Der Käptn kommt an Bord, Leinen los, erstaunlich willig und problemlos legt Frau Panzerkreuzer vom Pier ab – ob sie wohl auch endlich mal wieder Seeluft spüren will? Schon in der Zufahrt empfangen uns ordentliche Wellen, Schiffschaukel vom Feinsten.

Draussen wird es dann etwas besser, unter gerefftem Gross und Fock laufen wir der Aries hinterher. Die hat einen satten Vorsprung von 2 Meilen, den sie später auf 4 Meilen ausbaut. Über Funk verständigen wir uns darüber, dass wir uns Oracabessa auf jeden Fall anschauen wollen. Allein schon, damit die Bordfrau sich erst einmal langsam wieder an die ungewohnte Beweglichkeit des Schiffes gewöhnen kann. Etwas bleich um die Nase sitze ich nämlich an meinem bevorzugten Platz hinterm Steuerrad und beobachte die anrollenden Wellen.

Die linsen immer mal wieder über die Bordwand, drohen mal neckisch verspielt mal energisch mit ihren weissen Fingern zu mir hin und einige Tropfen Salzwasser finden auch ihren Weg bis zu mir, wecken mich unsanft aus meinen Tagträumen und lassen mich fröstelnd die Sonne suchen. Die linst nur spärlich aus dem blau-schwarzen Wolkenkleid, das über Jamaica hängt und die Insel fast unsichtbar werden lässt. Immerhin, hier draussen regnet es nicht.

Gut kommen wir voran, das übliche Poltern und Klappern unter Deck ignorieren wir geflissentlich. Beobachten das AIS-Signal von Aries auf dem Plotterbildschirm und erfahren über Funk, dass die anvisierte Ankerbucht von Oracabessa pupsklein und gar nicht so tief wie erwartet ist. Grade mal 70cm habe er noch unterm Kiel, und das bei 2 Meter Tiefgang. Sch…. denke ich, hab mich so gefreut auf diese Ankermöglichkeit. Nutzt nix, wir halten unverdrossen auf die Einfahrt zu, runden mehr versehentlich ein kleines unscheinbares Stängelchen im Wasser auf der richtigen Seite und halten dann auf die Einfahrt zur Bucht zu. Aries liegt ziemlich weit vorn, überlässt uns den etwas tieferen Raum weiter drinnen und unser Anker fällt dann doch noch recht entspannt auf fast 4 Metern Wassertiefe. Das entspricht dann auch den Angaben auf der Seite „Goodanchoring“ (sehr informative Seite zu Ankerplätzen).

Im Ohr habe ich noch die Worte des Marina-Managers von Port Antonio: „its a little bit like Port Antonio, not so deep but deep enough for you“. Ein Klein bisschen ist dann die Untertreibung schlechthin. Oracabessa Bay ist mit den bereits hier festgemachten 2 grösseren Booten, einem grossen Fischkutter, einem kleinen Fischerboot an einer Mooring und unseren beiden 50 Fuss Yachten ganz gut ausgelastet.

Am kleinen Strand und dem dahinterliegenden Gelände ist noch ordentlich was los. Menschen, Musik, sogar richtige Reisebusse sehen wir. Unsere Befürchtung, ein 2. Port Antonio gefunden zu haben, wird etwas später zerstreut: die Veranstaltung an Land löst sich auf, die Musik verstummt, Ruhe legt sich über die Bucht. Nur unterbrochen vom Rauschen der Wellen gegen die Mauern im Zufahrtsbereich. Vielleicht doch nicht so schlecht hier?

Nach dem gemeinsamen Abendessen an Bord der naja lassen wir uns zufrieden darüber, dass wir los gefahren sind, in den Schlaf wiegen. Einziger Wermutstropfen dabei ist der immer wieder einsetzende Regen, der uns das Luke auf-Luke zu Spiel aufzwingt. Gute Gelegenheit, immer mal wieder die Position zu überprüfen. Aber – der Anker hält.

« Previous PageNext Page »