Monats-Archiv September, 2015

Gutes Gefuehl ……

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Mitbewohner: dieser Baby-Gecko hat sich irgendwie an
Bord geschlichen und huscht jetzt immer ganz unvermutet irgendwo im Cockpit rum.
Angeblich ernähren sich die Tierchen von Moskitos …. hmm, ob er das schon weiss??
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Vertraut und doch neu: unsere Aussicht vom Ankerplatz

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So schöne Häuser stehen hier …. und meistens leer, unbewohnt.Die “Weihnachtsbeleuchtung” in den Palmen geht trotzdem jeden Abend pünktlich zum Dunkelwerden an und vermittelt uns das Gefühl von “es ist jemand da”. Ist aber niemand da. Definitiv nicht.

Ja, es ist ein gutes Gefuehl. Ein Gefuehl von Freiheit, vom wahren Fahrtenseglerleben, von Unabhaengigkeit (wenn man mal vom Anker absieht). Genau, richtig geraten: wir liegen wieder vor Anker. Na ja — nomen est omen –ja nicht so wirklich. Dank unserer mittlerweile ganz guten Verbindungen zu den ortsansaessigen Seglern koennen wir die Mooring einer gerade nicht anwesenden niederlaendischen Yacht nutzen. Will, der gute Geist aus der Kimakalki-Marina, hat das fuer uns geklaert und so ziehen wir also heute bei Hochwasser frohen Mutes Richtung Ankerfeld. Das ist an dieser Stelle klein, aber fein, der Seitenarm ist hier sehr schmal und gibt nur wenig Ankerplaetze her. Die sind dafuer sehr geschuetzt und extrem ruhig, das Wasser ist herrlich fuer die Abkuehlung zwischendurch oder das morgendliche Bad.

Was ich heut gefruehstueckt habt? Das uebliche, Broodje Kaas, Koffee……kann ja nicht immer jammern. So schlimm ist es ja auch nicht, dass wir jetzt wieder fuer alles und jedes das Dinghi benoetigen. Das wir nicht mal spontan einen Schnack mit den netten Stegnachbarn halten oder mit Ko, dem Pirat, ein kaltes Bierchen zischen koennen. Das wir kein Wifi mehr an Bord haben (weil wir immer noch keine entsprechende SIM-Karte gekauft haben, immerhin konnten wir zuletzt auf gleich zwei freie WLAN-Netze zugreifen?) .

Alles hat seine Zeit, die Marinazeit ist jetzt jedenfalls erstmal vorrueber. Und das Ablegen geht erstaunlich gut. Wind fast von vorn statt wie sonst press von der Seite. Nur das hintere, schmale Solarpaneel kommt dem Dalben bedenklich nahe. Alles geht gut, wir sind raus.3.50 Meter Wasser unterm Kiel, Tendenz zunehmend. Der Kaeptn peilt die Mooringboje an. Ob wir die wohl von hier anliegen koennen? Einen grossen Bogen um die Nachbarschiffe wollen wir vermeiden, wissen wir doch nicht genau, wie schnell es dahinter flach wird. Und flach wird es, das ist gewiss.

Der erste Versuch geht daneben, im wahrsten Sinne des Wortes. Das ich aber auch so kurze Arme hab ….. 50 cm laenger, go-go-Gajetto …. nix da, Chance gehabt, Chance vertan, neuer Anlauf.Das uebt. Und dieses Mal haelt der Kaeptn weiter vor,der Haken faengt die Schlaufe, holt sie hoch,ich packe zu — Mist, wieder keine Handschuhe an, ich lern aber auch nicht dazu. Nur die Harten kommen in’ Garten.

Der Kaeptn hechtet heran, gemeinsam wird ein Festmacher durch die Mooringleine gezerrt, boah ….ganz schoen Zug drauf …..schoen ist was anderes aber Hauptsache erstmal fest. Den Rest tuedeln wir dann vom Dinghi aus zurecht. Wobei der Kaeptn mal wieder sehr gekonnte Pirouetten hinlegt und ich schon fuerchte, das Dinghi kentert wieder mal, dieses Mal aber nach hintenueber.Schneller Check: die Brille ist am Band, das Handy liegt wohlverwahrt im Schiff. Wenn er jetzt reinplumpst, haelt sich der Schaden wohl in Grenzen. Aber gewandt wie der Kaeptn ist, biegt er sich gekonnt wieder zurueck und alles bleibt im Lot. Bestimmt ne super Show-Einlage — von ferne betrachtet.

Wo er schon mal mit der Gummiwutz unterwegs ist, stattet er den direkten Nachbarn grad noch die Anstands-Vorstellbesuche ab. Kurz und schmerzlos, alle sind irgendwie schwer beschaeftigt, da bleibt keine Zeit fuer langes Palaber. Auch gut, koennen wir das Sonnensegel drauf machen und auch sonst alles verraeumen, Festmacher, Fender. Das Schiff ist irgendwie zu klein fuer das ganze Geroedel. Oder haben wir so viel Geroedel, weil das Schiff zu gross ist???

Jetzt schwanken wir jedenfalls wieder sanft und leicht hin und her, wie ein Halm im Wind. Mit vertrauter und doch wieder etwas veraenderter, neuer Aussicht auf die tollen und meist unbewohnten Haeuser an Land. Unser Lieblings-Ankerplatz. Es ist ein gutes Gefuehl, wieder hier zu sein. Definitiv.

Dushi Loempia

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Begruente Muellhalde mitten im Wohngebiet

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Curacao-Stilleben: brandneue Autos neben ausrangierten Sitzgelegenheiten, Kinder-Raedern

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Eet smakelik, dem Kaeptn schmeckt es. Vorsichtshalber hat er die softe Loempia-Variante gewaehlt waehrend Ko, unser Piraten-Fahrer, die etwas schaerfere Variante bevorzugt

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Hier gibt es das beste Loempia von Curacao - so meint der Pirat. Und der wird es wissen, ist er doch auf Curacao aufgewachsen

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Ein kleiner Friedhof auf Curacao. Irgendwo dahinten ruht Ko’s Papa

…. oder

Piratenfahrt

Der Pirat (Ko) faehrt mit uns in seinem bulligen Ford Ranger zur Gasflaschenstation. Gasflasche die 3. ! Einem heissen Tipp folgend machen wir uns auf den Weg nach Santa Maria, zur dortigen Pompstation. Erster Boxenstopp: Tankstelle bzw. Geldautomat im Ortsteil Katoentuin (oder ist es schon Montana??). Jedenfalls ist schraeg gegenueber der vom Pirat sehr geschaetzte Minmarket Wah Sang. Natuerlich gefuehrt von Chinesen. Und gut besucht von Einheimischen, die sich hier ein kuehles Bier holen und es auch gleich trinken. Oder im Auto konsumieren. Oder es wird eine kollektive Flasche Rum gekauft, die dann rum-geht und wenn alle, dann holt ein anderer eine …. oder beim naechsten Mal. Eckkneipe im Supermarkt. Sehr lauschig direkt vor den parkenden Autos, mit Blick auf OElflecken und staubige Grundstuecke gegenueber. Ein staendiges Kommen und Gehen bzw. Fahren ist hier angesagt. Vom Arbeiter im Blaumann (den kennen wir doch von unserem Abreisetag, da haben wir ihn ein Stueck die Strasse runter in einem anderen China-Markt “kennen gelernt” — der gute Mann erinnert sich auch an uns), ueber den distinguiert wirkenden schlipstragenden Businessman bis zur etwas kraeftigen Hausfraufrau ist hier alles an Kundschaft vertreten.

Weiter geht’s nach Santa Maria. Der Pirat plaudert in der auf Anhieb gefunden Pompstation auf Papiamento mit den Servicekraeften und erfaehrt, dass man hier definitiv keine Gasflasche fuellen kann und auch noch nie fuellen lassen konnte. Hmm, wer irrt da jetzt? Fact ist, hier geht nix-nada-niente.

Frustiert legen wir einen Staerkungsstopp beim besten Loempia-Produzenten Curacaos ein. “Dushi Loempia Restaurant” , unscheinbar, auf dem weitlaeufigen wuestenaehnlichen Parkplatz mindestens soviele Tauben wie Autos, hinter der hohen Theke asiatische Gesichter. Die Loempia (oder der/das??) ist lecker, wir schieben gleich noch eine hinterher. Und weil das sonstige Angebot auch nicht schlecht aussieht, werden auch noch diverse frittierte Huehnerteile fuers Abendessen eingepackt. Dazu ein Bier, die sich ebenfalls hier staerkende Polizei schaut dezent weg.Ganz erfreut ist die Chinadame von unserem Grosseinkauf. Und dass wir auch noch aus Germany sind, diese Nachricht laesst die Augen leuchten. Bevor wir adoptiert werden, machen wir uns davon, starten noch einen Versuch in Muizenberg an der uns bereits bekannten Gasfuellstation. Dieses Mal schleppen wir saemtliche an Bord befindlichen Gasflaschenadapter mit uns herum. Was uns die volle Bewunderung des gerade Feierabend machenden obersten Gasflaschenfuellers eintraegt. Aber nutzt wieder nix: ohne die Ventilschraube fuellt er unsere Flasche nicht. Und eine solche Schraube hat unsere deutsche, ach so hoch sicherheitsgenormte Flasche halt nicht. Also geht es zurueck. Mit diversen Abstechern zu einem guten, jetzt gehbehinderten Freund unseres Piraten. Der wohnt versteckt in einer schmalen Sackgasse, direkt gegenueber eines gut begruenten Muellhuegels mittlerer Ausmasse. Die Huehner stoert das wenig.

Wir warten im Auto, im Schatten. Bestaunen die bunten Voegel, die Schmetterlinge und das Sammelsurium aus kaputten Stueheln, einem Sessel, Kinderraedern und neuen Autos. Vorne an der Ecke steht ein schnittiger weisser Amischlitten. Das sei das Auto seines Freundes, das er jetzt nicht mehr fahren kann. Stattdessen versucht sein Freund, der Pirat, ihm einen Rollstuhl aus Europa zu besorgen.Wir sind nachdenklich-ruhig.

An uns vorbei ziehen ganz unterschiedliche Wohn- und Geschaeftsviertel, mal wohlhabend, mal weniger, mal in voller Bluete, mal verlassen und zerfallend.Ein breiter Highway mit grossen blauen Hinweistafeln — hier waren wir noch nie, ganz unbekannte Regionen eroeffnen sich uns.

Und wo wir schon dabei sind, zeigt uns Ko auch noch wo er als Kind und Jugendlicher gewohnt hat. Wir sind erstaunt, als er mit uns durch ein ruhiges Nobelviertel faehrt. Tolle grosse Haeuser mit schoen angelegten Gaerten. Hier atmet alles Gediegenheit, Sauberkeit, Geld. Ein big Boss sei sein Pa gewesen, streng war er, aber gut. Nur zu frueh gestorben. Und als ihn sein mittlerer Sohn am meisten gebraucht haette, war er nicht fuer ihn da. Beerdigt ist er auf einem Friedhof, direkt neben der Strasse nach Caracasbaii gelegen und trotzdem ist er uns bislang nicht aufgefallen. Nach amerikanischer Manier kann man mit dem Auto auf den Friedhof fahren. Ko zeigt uns das Grab eines Freundes und das seines Vaters. So viele Menschen seien auf der Beerdigung gewesen. Und dabei dachte er, der Sohn, sein Vater habe keine Freunde. Weil er immer so streng war. Und so viele Blumen waren am Grab, die Insel sei ausverkauft gewesen mit Blumen an diesem Tag. Traenen hat er in den Augen, der Pirat mit dem weichen Herzen. Heute noch geht er ans Grab des Vaters, mit selbst gepflueckten Blumen der Insel. Und jedesmal spricht er mit ihm, weint um ihn, um die Zeit, die er nicht mehr mit ihm hatte. Weint um alles, was ungesagt und ungetan blieb. Kann ich nach vollziehen. Es ist immer zu frueh, zu vieles bleibt offen, zu viel wird vermisst. “Ik mis hem” — ja wel, dat mogen wij verstaan, lieve Pirat.

Damit wir nicht voellig ins Traenental sinken gibt es noch einen Abstecher zum Chinamarkt Wah Sang. Eis besorgen fuer unsere self-made Gasflaschenfuellung heute Abend. Und Brot. Und 1 Liter Flaschen Presidente-Bier. Und Zweitakt-OEl fuer den Aussenborder (kann man immer brauchen).

Und zum Abschluss eines interessanten und abwechslungsreichen Tages gibt es Abendessen dann mit Linsenstampot und chinesischen Huehnerteilen an Bord der “naja” . Ohne Traenen in den Augen und ohne wehmuetige Gedanken an zu frueh verlorene Menschen.

Lauf Noma lauf

Uik-Uik-Uik-Uik – rythmisch dreht sich das Windrad. Kein modernes, hohes. Nein, ein kleines, auf einem Strebengestell, in der Maccia stehend, hinter uebermannshohen Kakteen und vom Wind auf West gedrueckten, stacheligen Bueschen.

Windrad in Brakkeput

Windrad in Brakkeput

Wenn jetzt noch der Sheriff auf einem Schimmel ueber den staubigen Feldweg galoppiert kaeme, an dem alten Plantation-House halten wuerde …. Eine perfekte Kulisse fuer einen Western gaebe die Landschaft hier ab. Wenn, ja wenn da nicht die gebogenen Strassenlaternen, die modernen Hinweistafeln auf Sehenswuerdigkeiten oder die geteerte Strasse mit ihren Verkehrsinseln waeren. Oder die vielen vorbeifahrenden Autos und der Zivilisationsmuell in dem stacheligen Gestruepp.

Ein moderner Sheriff kommt in seinem SUV angefahren und checkt das Tor zu einem weitlaeufigen Gebaeudekomplex, eine Art ehemalige Schule, heute leerstehend, zerfallend. Etwas hoeher thront eines der alten Plantagen-Haeuser. Kein besonders grosses. Ein hohes Tor verwehrt die Zufahrt, der knapp 60 cm hohe Erdwall daneben stellt fuer mich und meine Neugier allerdings kein Hindernis dar. Kein „Toegang verboden“ Schild macht mir ein schlechtes Gewissen. Ein weitlaeufiges Gelaende eroeffnet sich mir, planiert. Erdreich sinnlos von A nach B geschoben, ohne Struktur. Das Plantagenhaus mit dem klangvollen Namen „Maris Stella“ verliert bei naeherem Ansehen viel von seiner Pracht.

Maris Stella Plantagenhaus in Brakkeput

Maris Stella Plantagenhaus in Brakkeput

Und erstaunlicherweise ist die Meerseite zwar mit einem fantastischen Ausblick ueber Spanish Water gesegnet, aber das Haus selbst wirkt gerade von dieser Seite erschreckend trostlos.

Warum steht sowas leer? Warum hat noch keiner der hier lebenden Millionaere ein paar NAF in die Hand genommen und sich hier eine absolut einmalige Wohnimmobilie erschaffen? 

Fantastischer Ausblick vom Plantagenhaus

Fantastischer Ausblick vom Plantagenhaus

Rundherum bellen die Wachhunde, hinter mir liegen die Felder der noch in Betrieb befindlichen Brakkeput Plantage. Hier werden Pflanzen gezuechtet, wird Gemuese angebaut und an Sams- und Sonntagen kann man die Produkte auch kaeuflich erwerben.

Aus einem vorbeifahrenden Pick-Up winken und johlen mir einige Kinder zu, die Zaehne strahlen weiss aus den dunklen Gesichtern und die Oberkoerper werden bedenklich weit aus den Fenstern gereckt im Bestreben, auch ja gesehen zu werden. Ich winke zurueck was das Freudengeheul fuer einen kurzen Moment noch steigert. Auf dem Weg zur Schule, zum Kinderhort Brakkeput? Dessen Gebaeude leicht erhoeht hinter der Kimakalki Marina liegen und wo man sich um nicht ganz so leicht erziehbare Kinder der Insel kuemmert, um Kinder, die aus nicht ganz so guten Familien kommen. Direkt daneben verweist ein Schild auf den Campingplatz. Hmm, wer da wohl wie campt? Zu sehen ist jedenfalls nix ausser dem Hinweisschild und einem grossen Fussballplatz. Eine Katze schleicht ueber die Strasse, immer wieder attackiert von einem Vogel. Der versucht sie wohl von seinem Nest abzulenken. Erfolgreich? Katze und Vogel sind verschwunden im duerren und doch irgendwie undurchdringlichen Gestruepp.

Von einer verlassen wirkenden Beton“fabrik“ stuermen zwei Wachhunde heran. Ein rostiger, nicht mehr fahrtuechtig wirkender Lastwagen und ein kleiner Bagger wirken mit den Kalksteinen ein fast malerisches Ensemble. Kima Kalki – daher kommt der Name der Marina. Hier wurde Kalk zu Steinen verarbeitet, auch heute noch? „SAILMAKER“ steht auf einem anderen Schild an einem der Schuppen. Haette man hier eigentlich nicht vermutet, ist doch etwas weitab vom Seglerleben. Aber vielleicht ja auch nicht mehr aktiv. Ein Hinweisschild an der Strasse suche ich jedenfalls vergebens. Es war einmal. Wie so manches hier auf dieser Insel (und auf anderen).

Stilleben auf der Betonfabrik - Brakkeput

Stilleben auf der Betonfabrik - Brakkeput

Am Strassenrand liegen grosse Steinbrocken. Durchzogen mit in der Sonne glitzernden, kristallinen Einschluessen. Erinnerungen an meine Kindheit, an die weissen „Edelsteine, die ich mit dem Opa im Waldboden gefunden habe – vor einer Ewigkeit, in einem anderen Land. So weit weg wie die Erinnerung, aber noch vorhanden.

Kalksteine am Strassenrand

Kalksteine am Strassenrand

Noch eine Runde ueber „Peninsula Island“, die klitzekleine Halbinsel, fast komplett bebaut mit adretten (und weniger adretten) Ferienhaeusern. Die verschanzen sich oft hinter Mauern, aus Naturstein oder auch mal knallpink gestrichen. Und fast hinter jedem Zaun, hinter jeder Mauer freut sich die vierbeinige Wacharmada ueber die willkommene Abwechslung in Form einer Fussgaengerin, deren Schuhe leicht quietschende Geraeusche erzeugen. Nur einer der Wuffis bleibt angenehm unaufgeregt, laeuft ohne Bellerei hinterm Zaun entlang, schaut mich nur an. Der kennt mich wohl schon, von gestern und vorgestern.

Noch ein Blick ueber die Bucht, die Ankerlieger, vorbei am kleinen, desolaten Holzsteg auf dem immer noch eine grosse, unscheinbar-dunkelfarbene Muschel liegt und an dessen Ende ein buntes kleines Holzboot im flachen Wasser schaukelt. Ein graues Audi-Cabriolet faehrt zum zweitenmal an mir vorbei, haelt im Schatten eines Baumes an; ob der Fahrer wieder telefoniert, wie vorgestern frueh auch?

Mit den Laufklamotten geht es unter die Dusche. Als ich rauskomme, ist einer meiner Schuhe weg. Der alte Herr, der auf dem Gelaende etwas fuer Ordnung sorgt, steht am Wasser, sieht mich und lacht: mein zweiter Schuh steht neben ihm im Sand. Einer der Wachhunde hat ihn in seinem Spieltrieb verschleppt. Haett ich mir ja denken koennen, schlich der dunkle Kerl doch vorhin schon so um mich rum.

Die Tage hier in der Marina ziehen gemaechlich vorrueber, mit Laufen am fruehen Morgen meinerseits, mehrfachem taeglichen Duschen, doesen, Wassertank auffuellen. Die Fock ist segelklar waehrend die Genua immer noch darauf wartet, ans Vorstag zu kommen. OElwechsel wird gemacht, der Chartplotter montiert und getestet. So allmaehlich bereiten wir uns vor. Auf was? Auf ca. 100 Meter Lageveraenderung, vor Anker gehend in der schmalen Seitenbucht direkt vor der Marina. Auf unseren „alten“ Ankerplatz. Zigmal sind wir mit dem Dinghi dran vorbei gefahren: passt es oder eher nicht? Ist zwischen dem vor Mooring liegenden Boot und dem naechsten Ankerlieger noch ausreichend Platz fuer uns? Wir werdens sehen. Noch liegen wir in der Kimakalki Marina und rufen dem Piraten Ko jeden Morgen ein „goede morgen Ko“ zu, laden ihn zu einer Tasse Kaffee oder zum Abendessen ein. Oder werden von ihm mit Fisch beschenkt.

Müllkippe Strassenrand/Gebüsch

Leider sieht man so etwas hier viel zu oft: Müllkippe Strassenrand/Gebüsch

Schon wieder - Happy Hour

Sonntag am Abend. Puenktlich um kurz vor 5pm haengen wir unser Dinghi an den schmalen Steg und schwanken (nur ganz leicht) Richtung “Pirates Nest”. Arthur, der nette Curacao-Niederlaender der auf der BAKU lebt, meint, die Kneipe koenne er nicht leiden. Warum??? Das will er uns ein ander Mal erklaeren, wenn wir mal zu ihm an Bord kommen. Aber am Donnerstag, in “The Pier”, da sei er auf jeden Fall wieder dabei. Wir jedenfalls treffen uns heute zum Ausklang der alten und kurz vorm Start der neuen Woche mit den Crews der Silbermoewe und der High Flight zur Happy Hour. Und wir lernen: ordere einen grossen Kuebel mit Bier, dann musst du dir keine Gedanken um das Ende der happy Hour machen.

Bier-Bucket mit integriertem Flaschenoeffner, sehr praktisch

Bier-Bucket mit integriertem Flaschenoeffner, sehr praktisch

Und ich lerne, Weisswein (speciell Pinot Grigio) gehoert nicht zu den Happy Hour Getraenken. Zumindest nicht bei der zweiten Order, der niedrige Preis beim ersten Glas sei ein Versehen gewesen. Gut, dass wir die erste Runde gleich bezahlt haben :-)

Pirates Nest

Pirates Nest

Der Kaeptn in Happy Hour Stimmung

Der Kaeptn in Happy Hour Stimmung

Entspannung oder eher Muedigkeit?

Traeume. Vom Segeln. Vom Leben an Bord eines Bootes. Eine „Bordfrau“ schreibt: „an Bord bin ich tiefen entspannt“. Und ich wundere mich. Wie macht sie das?? Entspannt, ja das bin ich des oefteren, aber tiefen-entspannt?? So wuerde ich meinen Zustand nicht beschreiben. Dabei zaehle ich mich wahrlich nicht zu den Unruhe-Geistern, zu den Rastlosen, die nie innehalten koennen, nie wirklich entspannt sondern immer in Action sind.

Tiefen entspannt. Waere ich auch gerne mal. Oder heisst das bei mir vielleicht „kurz vorm komatoesen Zustand“ sein???? Ob ich vielleicht dochmal das hier so haeufig angepriesene Ganja, weil ja alle Weissen das rauchen wollen (O-ton eines vor kurzem an Bord sitzenden Rastalocken tragenden Locals), konsumieren sollte? Um dann welchen Zustand zu erreichen, den der Tiefenentspannung oder komatoes?

Aber wie kann Frau ueberhaupt tiefenentspannt sein wenn es irgendwie taeglich was zu tun gibt, wenn immer wieder was kaputt geht, wenn nachts durch die weit geoeffneten Luken ausser Moskitos nicht wirklich viel Erfrischendes eindringt (wenigstens kommen auch keine Raeuber und Einbrecher rein). Wenn die Waesche wie zu Urgrossmutters Zeiten muehselig per Hand gewaschen werden muss, wenn allzeit Jagdzeit auf irgendwelche Ersatzteile angesagt ist, die Gasflasche schon wieder gefuellt werden muss, im Schiffsinneren saunaaehnliche Temperaturen herrschen weil die Luken aufgrund von anhaltenden Regenfaellen geschlossen sind.

Haelt der Anker? Klaut keiner das Dinghi? Wie kommen wir zum naechsten Supermarkt? Wo gibt es dies, wo jenes? Warum kommt waehrend des Segelns immer noch so viel Wasser im Schiff und warum ist jetzt auch noch irgendwas am Mast undicht so dass der Cockpitboden und der Tisch bei Regen ordentlich gewaessert werden.

Schlafen in einer Sauna, beim geringsten Geraeusch hochfahrend, mal die Bordfrau, mal der Kaeptn. Und wenn sich gar nix regt, dann turnt Frau durchs Schiff, um die Luken bei einsetzendem Regen zu schliessen.

Fahrtenseglerleben – zu negativ dargestellt/geschildert, empfunden? Ganz sicher. Denn es gibt auch viele schoene Momente, auf See, an Land. Begegnungen mit ganz aussergewoehnlichen Menschen, denen wir so nie begegnet waeren. Oder muessten wir vielleicht auch mal etwas den Blick oeffnen fuer das aussergewoehnliche im gewoehnlichen, um uns herum, in unserem sonstigen Alltag? Schaden koennte es sicherlich nicht und was macht schon etwas/jemanden „aussergewoehnlich“?

Viel Neues sehen wir. So viel, dass wir die Eindruecke manchmal gar nicht verarbeiten koennen, die Bilder ineinander verschwimmen. Wo war dies, wo jenes? Was haben wir dort gemacht und erlebt? Oder war es vielleicht doch ganz woanders? Ein klein wenig muede sind wir geworden in den letzten drei Jahren. Muede auch vom haeufigen Schiff irgendwo parken, Fluege buchen, nach Deutschland fliegen und wenige Tage spaeter wieder zurueck. Dieses viele Hin und Her – ist das vielleicht gar nicht so unser Ding? Muessen wir etwas mehr Ruhe, weniger Rastlosigkeit in unser Leben bringen? Eine andere, gerade erst los gesegelte Bordfrau erschrickt bei diesen AEusserungen: „ihr seid doch gerade mal 3 Jahre unterwegs und seid schon muede? Woran liegt das?“ Ja, woran liegt das.

Die Haut wird duenner, die Nervenenden vibrieren. Schon der kleinste Missklang laesst uns an die Decke gehen, macht uns ungeduldig und aufbrausend. Dabei geht es uns doch so gut. Wir haben Zeit. Zeit fuer uns und fuer alles, was uns interessiert. Reisen, lernen andere Kulturen, andere Laender kennen, entdecken so viel Neues, Unbekanntes, Schoenes. Vielleicht zu komprimiert? Geballte Ladung an Input. Da streikt die Festplatte schon mal und zeigt Kapazitaetsmangel an. Geht dem Mensch wie der Technik.

„Immer ist was zu reparieren, wir kennen bald jede Werft, jeden Fachmann fuer irgendwas“ – aha, es geht also nicht nur mir so. Auch andere Frauen fuehlen sich muede, ausgelaugt, ueberlastet. So hatte frau sich das irgendwie nicht vorgestellt. „Wir wissen so vieles nicht, was am Boot warum zu machen ist, sind handwerklich gar nicht begabt, benoetigen fuer so vieles fremde Hilfe, muessen alles teuer bezahlen“. Verstaendnisvolles Nicken meinerseits. Ganz so schlimm ist es bei uns nicht. Aber segelnde Ingenieure sind wir ja nun auch nicht oder Schreiner, Elektriker, Bootsbauer. Immerhin hat mein Kaeptn keine ganz linken Haende und so ein bisschen was haben wir uns im Laufe der Zeit schon angeeignet. Trotzdem haben wir schon viel Geld ausgegeben, mehr als wir uns vorgestellt hatten, vor der Reise. Geld fuer teure Werftaufenthalte, fuer Kranaktionen, fuer Hilfe bei Reparaturen, fuer Ersatzteile die - oh Wunder - immer wesentlich teurer sind wie in Deutschland.

Aber wie hatte Frau es sich vorgestellt? Ich hatte keine klare Vorstellung. Wir leben auf einem Boot, o.k., das ist anders. Aber wie anders – kein Plan. Blauaeugig, naiv? Sicherlich, aber vielleicht war das auch gut so. Vielleicht muss man sich eine gewisse Naivitaet bewahren; den Glauben daran, dass alles irgendwann gut wird. Muss, nein sollte, allabendlich mit einem Glas Rotwein anstossen und sich beim Anderen fuer einen schoenen Tag bedanken, den man gemeinsam verbringen/verleben durfte. Gemeinsam leben, richtig leben. Nicht nebeneinander her, jeder mit sich selbst und irgendwas beschaeftigt. Die Zeit ausgefuellt mit Dingen wie Arbeit, Sportaktivitaeten, Treffen mit Freunden, Shoppen – aber eben jeder fuer sich.

Hier in unserem Bordleben machen wir fast alles gemeinsam, 24/7/365 (fast) Gemeinsamkeit, Paar sein, Zweisamkeit. Das ist anstrengend, das kostet Kraft. Kraft, die ich(/die wir nicht immer haben. Die aber zum Glueck nie ganz verschwindet, sich wieder regeneriert. Durch laengere Abstinenz vom Bootsleben, durch „Heimaturlaube“ in Deutschland, die mal keine 3 Wochen sondern 3 Monate dauern.

Eine Zeit, die uns mit offenen, wachen Augen und mit viel Kraft zurueck kommen laesst. Die wieder Zaertlichkeit in unseren Alltag, in den Umgang mit einander bringt. Die uns geduldig macht fuer die Schwaechen und Fehler des Anderen, des Partners. Die uns das Schiff nach wie vor kritisch, aber auch wieder liebevoller betrachten laesst. In dem Gefuehl, DAS ist unser Zuhause und wir moechten es fuer nichts in der Welt tauschen. Denn es ist unser Traum, den wir leben. Auch wenn es kein rosaroter ist und er uns oft viel abverlangt. Irgendwann koennen wir auf eine ganz besondere, auf eine einzigartige Zeit zurueckblicken und sagen: wir sind reich beschenkt worden in dieser Zeit. Haben unseren Horizont erweitert, Geist und Seele geoeffnet und sind ganz wunderbaren Menschen begegnet, die unser Leben bereichert haben.

Sehr passend zu der Thematik und gut geschrieben, ein Artikel den ich gerade auf www.freecruisingguides.com gefunden habe und den ich gerne hier noch anfuege:

free-cruising-guides-c2bb-that-magic-moment

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