Monats-Archiv Mai, 2015

Ueberraschungen der besonderen Art - Dominica

IMG_6195 - Kopie.JPG

IMG_6188 - Kopie.JPG

IMG_6242.JPG

IMG_6236.JPG

Dominica. Was schreibe ich ueber unsere Zeit hier, ueber das was wir sehen, erleben. Ich tue mich ungewohnt schwer, die richtigen Worte zu finden. Nicht negativ sollen sie sein, aber auch nicht beschoenigend. Und wie ein Werbeprospekt soll es auch nicht klingen, abgedroschen, so oder aehnlich fuer so ziemlich jede der zahlreichen Karibikinseln schon vielfach gelesen.

Dominica. Die urspruengliche, die schoene mit viel Natur, Wanderwegen, Vulkanen, einem kochenden See, Schwefelquellen, unzaehligen Fluessen,Fluesschen, Baechen. Gruen ist sie definitiv. Das wird uns einige Tage spaeter bewusst, als wir das mittlerweile doch stellenweise recht braeunlich wirkende Martinique erreichen. Mit hohen Vulkankegeln, die sich oft hinter grauen Wolkenschleiern verbergen. Dominica ist arm, heisst es. Ganz so arm ist es dann auch wieder nicht. Und doch sind wir auf den ersten Blick auf die Haeuser (sofern man sie ueberhaupt als solche bezeichnen kann) in Portsmouth etwas nun ja, sagen wir mal: geschockt. Das ist schon Armut, die sich da praesentiert. “Da wohnt doch keiner mehr” meint der Kaeptn. Ich bin mir da nicht so sicher. Und tatsaechlich ist an einer fast schon zerfallenen Huette ein Fenster, eher eine Luke offen. Aus dem Spalt linst ein Kind heraus. “Was koennen wir, unsere Kinder uns gluecklich schaetzen, nicht in einer solchen Welt geboren worden zu sein”.Ein bisschen desillusioniert ist er, mein Kaeptn. Er wollte unbedingt auf diese Insel, wollte unbedingt nach Roseau, die Hauptstadt. Wurde doch so geschwaermt von der Insel, auf die man muss, die so schoen ist. Schoen sind sie doch alle — irgendwie, auf ihre eigene Weise, jede der Inseln hat eine kleine Besonderheit, die sie einzigartig macht. Aber im Grunde sind sie sich auch aehnlich. Zumindest die Lee- und Windward Islands. Bei den Virgins mag es wieder anders sein und Kuba und Jamaica sowieso.

Dominica ist definitiv eine Insel fuer Wanderschuhliebhaber. Wir bevorzugen ja eher Flip-Flops und Croqs. Laufen gerne stundenlang ueber Pflaster (vorzugsweise auf der Suche nach Ess- und Trinkbarem oder Bootszubehoer) aber eher ungern durch die Botanik. Zumindest gilt das fuer 50% unserer Crew und da ich als Frau ebenso zugegebenermassen nicht immer gerne alleine unterwegs bin, habe ich mich im Laufe der letzten 2 Jahre angepasst. Das Leben, auch unser Bordleben, besteht halt doch auch aus Kompromissen. Aber zurueck zu Dominica, unserem eigentlichen Thema.

Wir ankern in der Prince Rupert Bay, laufen durch den Ort Portsmouth und seine Ortsteile. Eine Medizinuniversitaet gibt es, einen grossen und modernen Supermarkt (sogar mit Frischfleischtheke), einen KFC und relativ viele hohe Appartmenthaeuser. Im Ort selbst dominieren die Bars, Beautyshops, Fingernagelstudios und “Grocery” Laeden — eine Art Gemischtwarenhandlung mit Kleidung, Lebensmittel und was man sonst so braucht. In einer Seitenstrasse, sehr dezent versteckt, finden wir sogar das Budget-Marine Schild. Nicht so ganz dem Stil der sonstigen Dependancen entsprechend, aber immerhin vorhanden . Direkt an der Hauptstrasse gibt es sogar einen Segelmacher und Polsterer.Steht das Schild in der Tuer auf “Sorry we are closed” stehen Segel draussen, ist laut Schild “Open”, sind die Segel drinnen in Sicherheitsverwahrung.

Immer wieder werden wir angesprochen. Mal einfach nur als Gegengruss, mal mit der Frage, wo wir her kommen, oft aber auch mit der eindringlichen Bitte, irgendwas an Obst oder Gemuese zu kaufen, damit der Lunch gesichert sei. Oder werden — unverbluemter — um eine “Donation” gebeten. Das Wort gab es bisher nicht in unserem Sprachschatz. Aber wir sind ja Blitzmerker. Trotzdem missversteht der Kaeptn in Roseau einen leicht lispelnden jungen Mann, der uns fachmaennisch das fehlende Dach der Kirche erklaert (yes, yes the roof is away, don’t know why) und gleichzeitig ebenfalls um eine Donation bittet, damit er sich Fruechte oder Gemuese kaufen kann. “We have an invitation for dinner tonight, we don’t need any fruits and vegetables” bedauert der Kaeptn. Worauf der junge Mann wissen moechte, ob er vielleicht mit uns nach Portsmouth zum Dinner kommen kann. Grosses Unverstaendnis in den Augen des Kaeptns, ich erklaere ihm,was hier genau Sache ist. Beide bedauern wir, unsere letzten EC’s benoetigen wir fuer die Rueckfahrt nach Portsmouth, frische Scheine wollten wir keine mehr am ATM holen. Nix wie weg hier. Unten an der Pier (jetzt gaenzlich ohne Kreuzfahrer) kommt der Naechste an: selbstkomponierte Musik oder ersatzweise vielleicht irgendwelche Arbeiten am Boot? Wir bleiben freundlich, blocken aber konsequent ab. Auch die “come, have a look” Rufe der Kunstmarkt-Damen. Nur noch wenige Staende hinter dem Dominica-Musem sind geoeffnet, Kunden Mangelware. Da wird natuerlich um jeden potentiellen Kaeufer gerungen.Der Ort selbst gefaellt uns ueberraschend gut, da war Antiguas Hauptstadt definitiv haesslicher. Die Fahrt hierher war interessant und abwechslungsreich, sowohllandschaftlich als auch menschlich gesehen. Fast vollbesetzt ging es in flottem Tempo durch die wieder zahlreichen Kurven. Die Automatik hatte ordentlich zu schalten am Berg oder bei UEberholmanoevern. Dachten wir, der lokale Minibus sei bereits voll, werden wir an der uebernaechsten Haltestelle eines Besseren belehrt: nach dem Motto “einer geht noch” wird umgeschichtet. Ein kleiner Schuljunge muss sich vorne mit dazu quetschen, eine sehr korpulente Lady (ich bin ja soooo schlank!) presst ihre ueppige Fuelle noch in eine der hinteren Reihe, die ebenfalls zu transportierenden (leeren) Waeschekoerbe werden in der ersten Reihe noch irgendwie dazu gepackt.

“Driver, please stop at the plantains” — alles klar, die aeltere Dame hinter mir will dort aussteigen. Denkste. An besagter Stelle werden Maiskolben und Kochbananen gegrillt. Und die Dame hinter mir oeffnet ihr Fenster und gibt ihre Bestellung auf. Der Fahrer und zwei weitere Fahrgaeste ordern auch noch was, dann geht es weiter. Vorbei an einigen erstaunlich neu und gepflegt wirkenden Ortschaften, an Buchten mit Fischerbooten oder auch wenigen ankernden Yachten. Vorbei an einer Rhum-Distillerie, einer Kokosnussverarbeitung und einer OElraffinerie (alles dicht nebeneinander) sowie einem kleinen Flughafen. Noch eben eine nicht mehr ganz so fitte Dame in der Naehe des Krankenhauses absetzen, dann rumpelt der Bus durch die Einbahnstrassen von Roseau und spuckt seine Fracht auf dem zentralen Busbahnhof ab. Praktischerweise ist nur 10 Meter davon entfernt ein gut sortierter Supermarkt. Und ca. 50 Meter weiter finden wir einen IGA-Supermarkt. Aber den haben wir ja auch in der Peripherie von Portsmouth.

Stadtrundgang, Supermarkt — dann geht es auch schon wieder zurueck. Im ebenfalls wieder voll besetzten Bus. Mein Nebenmann futtert erst sein Lunchpaket auf (irgendwas mit Reis) und begibt sich dann in den Dauer-Schniefmodus. Ab und an vergewissere ich mich durch einen Seitenblick, ob ich einen Mensch oder vielleicht doch ein Ruesseltier neben mir sitzen habe. Schon lange hat niemand mehr in der OEffentlichkeit so penetrant seine Nase hoch gezogen. Nett ist er trotzdem und erklaert uns ein bisschen was auf unserer Inselkarte.

In Portsmouth bleiben alle sitzen und schauen sich erwartungsvoll um — irgendwer wollte hier doch aussteigen?? Ach ja, das waren wir! Etwas steif stolpern wir aus der Tuer. Frage: wo faehrt der Bus jetzt noch hin?? Wir dachten, das sei hier Endhaltestelle. Der Fahrer duest aber schon weiter, die Frage bleibt offen.

Dominica

IMG_6178.JPG

Ankerplatz in der Prince Rupert Bay, DominicaIMG_6175.JPG

IMG_6174.JPG

Ausgewogen - der Trend geht wohl doch zum Zweitdinghiy

10.05.2015 — Dominica

Es gibt Tage, die streicht frau besser. Nicht zwischenmenschlich, nein, das nicht. Obwohl der heutige Tag auch diesen Bereich durchaus strapaziert hat. Oder besser gesagt auf die Probe gestellt hat. Und ein neues Motto praegte: Segeln koennte so schoen sein, wenn es keine Wellen gaebe. Aber die gibt es nun mal und nicht zu knapp. Bloederweise haben wir unsdafuer entschieden, die Illes des Saintes auf einem anderen Weg zu verlassen, quetschen uns zwischen Terre de Haut und einer unbewohnten Insel durch. Die konnten wir gestern schon von oben, waehrend unserer Gebirgstour bewundern. Und eigentlich haette uns das gewaltig zu denken geben muessen was wir da gesehen haben.

Aber nein, so sind wir halt. Learning by doing. Und ausserdem wollen wir ja unbedingt nochmal den Huegelruecken vom Wasser aus sehen, den wir gestern erklommen haben. Dazu haben wir dann ausreichend Gelegenheit. Mit der Wahnsinnsgeschwindigkeit von zeitweise 1,9 Knoten motoren wir also durch das Insellabyrinth. Windaus 30 Grad, Wellen die nicht von schlechten Eltern sind. Wie weit bin ich von den Felsen weg, wieviel Wasser haben wir da? Terre de Haut praesentiert uns seine unwirtliche, steil abfallende, felsige Seite. Es regnet, die Regentropfen pieksen wie Nadeln auf meiner Haut. Was vom Regen nicht durchnaesst wird, bekommt ordentlich Salzschauer ab. Und das alles wegen 10 Grad besseren Kurs zum Wind. Ob es das wirklich wert ist? Wir haben ernsthafte Zweifel. Aber jetzt umkehren und weiter unten zwischen zwei anderen Inseln durch? Nein, die Bloesse will sich der Kaeptn auch nicht geben. Ich sag nix, Augen zu (die Brille ist sowieso eher hinderlich) und durch. Wie Kaugummi zieht sich das Stueck. Gefuehlt sind wir Stunden unterwegs, die Uhr zeigt aber spaeter, dass wir fuer 6 Meilen ca 2 Stunden benoetigt haben.

Und so, wie die Illes des Saintes uns einige Monate vorher bei unserem ersten Besuch begruesst haben, so verabschieden sie uns auch: mit Regen, viel Wind. Irgendwie zum Abgewoehnen.Dabei moegen wir diese Inselgruppe wirklich sehr, haben uns wohl gefuehtl und waeren gerne noch laenger geblieben.

Freies Wasser — irgendwie auch nicht wirklich besser. Die Wellen rennen gegen die Inseln an, werden gebremst, laufen nicht zurueck, aber irgendwie aufeinander auf und werfen sich mit Vehemenz gegen unser Schiff. Das aechzt und zittert unter dem Ansturm. Nur unter Genua laufen wir knapp 3Knoten. Sollen wir das Gross nicht vielleicht doch wieder….? Ein energisches Nein laesst den Kaeptn verstummen. Die Leine fuers 2. Reff ist wieder einmal gerissen und wir haben das Segel erst einmal komplett geborgen. Vielleicht doch keine schlechte Entscheidung? Wenig spaeter haut eine Boee mit ueber 30 Knoten ueber uns weg und wir ziehen mit 6-7, zeitweise auch 8 Knoten durch die Wellen. Und das nur mit dem Vorsegel.

Immer wieder schiessen besonders hohe Wellen ueber uns hinweg. Einige Male kann ich mich grade noch so wegducken. Dann wird es ruhiger, Dominica lenkt Wind und Welle doch etwas ab, die Prince Rupert Bay liegt nur noch 3 Meilen von uns weg. Eine voellig leere Bucht liegt an Backbord. Nationalpark, Ankern verboten.

Das erste Serviceboot taucht auf. Alex, knallgelb mit roter Schrift, der kam doch damals auch schon …. wir bedauern sehr, wimmeln ihn aber ab mit der Aussage, dass wir nur kurz auf Dominica bleiben, auf Freunde warten und dann gleich nach Curacao weiter segeln. Ein letzter Versuch, uns eine Mooring anzudienen, dann zieht Alex von dannen. Dafuer kommt ein anderer “Boatboy” gefaehrlich nahe an unser Schiff. Was mich aber nicht davon abhaelt, unbeirrt und mit gleichbleibender Geschwindigkeit, meinen Kurs zu laufen.  Nein, wir wollen keine Indian River Tour, keine Mooring, kein Barbecue und auch kein frisches Obst. Das alles dient uns auch noch ein 3. an, grad als der Anker gefallen ist und wir die gerissene Reffleine neu eintuedeln. Kein guter Zeitpunkt, um mit uns Verkaufsgespraeche zu fuehren.

Fertig mit tuedeln, aufklarieren, trocken legen, Kuchenbude aufbauen, Dinghi wassern. Beim Anlegeschluck haben wir Musse, unsere Umgebung zu sondieren. Was fuer ein Unterschied zu — wann waren wir eigentlich hier? Februar, Maerz? Jedenfalls liegen deutlich weniger Yachten in der Bucht vor Anker oder an einer der Moorings. Platz in Huelle und Fuelle. Kreischende Kinder am Strand, eine Hotelruine (under construction laut Revierfuehrer), der Anlegesteg fuer die Kreuzfahrer, einige Strandbars. Aus einer kommt die von uns so sehr geschaetzte karibische Hip-Hop Musik (keine Ahnung, wie die offizielle, fachlich qualifizierte Bezeichnung fuer diese Headbanging Melodien lautet). Text und Melodie wiederholen sich unablaessig und unserer Meinung nach muss man entweder volltrunken, zugekifft oder sonstwie bedroehnt sein, um diese Musik a) ueber laengere Zeit auszuhalten und b) Text und Melodie ueberhaupt zu schreiben. Unsere Ohren jubilieren, als es wenig spaeter etwas mehr in Reggae uebergeht und auch mal einige Pop-Oldies gespielt werden.

Die Sonne versinkt langsam in einem grauen Dunstschleier, der Wind weht konstant und laesst alle Boote parallel liegen. Landgang ist erst morgen angesagt, einklarieren und hoffentlich auch ausklarieren in einem Aufwasch. Und dann wieder hin und her rechnen, EC in Euro. Suchen — wo gibt es was, wie kommt man wohin? Und wenn wir alles raushaben, wieder erst nach rechts und dann nach links schauen bei der Strassenueberquerung, dann geht es weiter nach Martinique.

Wer rastet, der rostet. Und wir rosten so schon hinreichend, unglaublich, was an einem Holzboot alles rosten kann, inclusive unserer Knochen.

Bilder sagen mehr als 1000 Worte

…. und daher mal wieder ein Link zum Facebook-Fotoalbum:


https://www.facebook.com/media/set/?set=a.839783149404248.1073741900.194932657222637&type=3&uploaded=322

Und wenn dieser Beitrag erscheint, sind wir unterwegs zu der naechsten Insel: Dominica. Die wir uns ein paar Tage anschauen wollen bevor es nach Martinique geht. Aber das ist ein neues “Kapitel” ueber das es sicherlich wieder ein einiges zu schreiben gibt.

Illes des Saintes zum Zweiten

IMG_5903.JPG

IMG_5873.JPG

IMG_5868.JPG

IMG_5844.JPG

IMG_5838.JPG

IMG_5803.JPG

IMG_5781.JPG

IMG_5773.JPG

IMG_5744.JPG

IMG_5617.JPG

IMG_5577.JPG

Aussenborder.jpg

Die Illes des Saintes zum zweiten. Nachsaison. Viele Bojen sind frei, kaum Yachten vor Anker. Auch im kleinen OErtchen Bourgh sind viele Laeden und Bars verschlossen. Und das an einem Donnerstagabend zwischen 18 und 19 Uhr. Wenige Menschen (im Vergleich), wenige Elektroautos, nur die unermuedlichen Motorroller scheuchen uns immer mal wieder auf die Seite. Die Faehren legen eifrig an und ab, verbinden die Hauptinsel Terre Haut mit der kleineren Terre Basse oder mit Guadeloupe. Hmmm, die fahren zu dem leckeren Sorbet nach Trois Rivieres …..Meine Guete, Du denkst auch nur ans Essen! Werner zieht eine Schnute. Da vorne die Mooring waere viel besser gewesen. Warum? Die sieht aus wie unsere!!?? Wenn schon Mooring, dann wenigstens so nah wie moeglich an Land. Das ist zwar ein Argument, das ich mit Hinweisen auf Tiefgang etc. versuche auszuhebeln. Vergeblich. Irgendwie erinnert mich das an die Parkplatzsuche mit dem PKW frueher zu Hause in Deutschland….. was frueher mit Parken direkt vor der Eingangstuer eines Ladens und Ignorierung irgendwelcher Verbotszonen zu Diskussionen zwischen uns fuehrte, das ist heute wahlweise der (von mir) gewaehlte Ankerplatz oder alternativ halt die Mooringboje.

Zornentbrannt kuendige ich (mal wieder). “Sag nur rechtzeitig Bescheid, damit ich mir jemand anderes suchen kann” — “Als waere irgendjemand so bloede, es mit DIR laengere Zeit auf diesem Boot auszuhalten”. Wir teilen aus und stecken ein, kraeftig, da bleibt kein Auge trocken. Meine schon gleich gar nicht. Die Achterkabine schaut mitfuehlend meinem Traenenstrom zu. Das vergeht wieder, das kennt sie schon. Am meisten aergere ich mich ueber mich selbst. Haette ich nicht anders reagieren koennen? Gelassener? Jede Minute in Streit und AErger ist verlorene Zeit. Dabei war der Tag heute, das Segeln, Motorsegeln und die letzten Meilen nur unter Maschine schoen und entspannt. Eine Fahrt entlang der Kueste Guadeloupes. Noch einmal Pointe Noire, Basse Terre sehen. Hausdaecher liegen als bunte Farbtupfer in der ueppig-gruenen Landschaft. Guadeloupe, hier haetten wir es gut noch eine Weile ausgehalten, haetten noch einiges entdecken oder mehrfach geniessen koennen. Eine lebenswerte Insel.

Friedensangebot meinerseits: Hilfe bei der Aussenbordermontage. “Kann ich alleine”. Dann halt nicht. Der Rest des Abends verlaeuft weitgehend schweigsam und mit betontem Aneinander-vorbei-gucken bzw. voreinander her laufen. Frueh geh ich in die Koje, taeusche Tiefschlaf vor waehrend mir ein Krimi ins Ohr plaerrt.

Am naechsten Morgen herrscht wieder Friede. Eine versoehnliche Geste, ein in den Arm nehmen und alles ist wieder gut. Leider ist der Aussenborder anderer Meinung. Das Versoehnungsbaguette (frisch aus der kleinen Backstube in der zweiten Reihe) muss ausfallen. Rudern kommt auch nicht in Frage — zuviel Gegenwind. Der Kaeptn zieht und drueckt, zieht und drueckt, sprueht hier, kontrolliert alles und bricht nach gefuehlten 100 Startversuchen erstmal ab.

Fruehstuecksgestaerkt wuehlen wir uns durch unseren Fundus, finden den lang vermissten neuen Benzinschlauch fuer den vermeintlichen Evinrude-Aussenborder. Stellen fest, dass der Evinrude ebenfalls ein Mercury AB ist (wundersame Verwandlung im Stauraum??), zerren diesen mit roher Gewalt unter unserem Bett auss seinem Dornroeschenschlaf hervor und wuchten ihn aufs Dinghi. Skeptische Blicke; das Ding sieht irgendwie doch etwas anders aus, wo ist denn hier der Rueckwaertsgang?? Einige Male am Starterkabel ziehen — nix, nada, nur ein dezentes “rrrrr”. Aber dann - springt er an!! Und laeuft. Rund, ohne Aussetzer, ohne Puff und Peng, kein Verschlucken, kein Husten, kein Knallen. Ausmachen, starten, laeuft. Wir sind begeistert. Und knattern gleich an Land. Tigern durchs kleine Staedtchen, kaufen ofenwarmes, knuspriges Baguette und vertilgen gemeinschaftlich eine “Plate du jour” im Restaurant-Cafe Mambo. Klaro, Internet gibt es hier auch. Was wir weidlich ausnutzen.

Zweite Runde im Ort, dieses Mal gegen Abend. Sonnenuntergang, eine Gruppe junger Einheimischer sitzt vor einem verlassenen Haus und trommelt. Immer den gleichen Rhythmus. Mittlerweile unterstuetzt von Saengern und Taenzern. Richtig was los hier. Die Eisbude hat geoeffnet, dafuer schliessen die Fetzenlaeden einer nach dem Anderen .Auch unser Mambo laesst den Rolladen runter, verkauft noch Pizza durch ein Fenster, was sich offenbar grosser Beliebtheit bei den Einheimischen erfreut.

Wir wandern nach Norden, vorbei am “Bateau des Illes”. In dem Haus, das wie ein Schiffsbug aus dem Hang in die Bucht ragt, ist tatsaechlich eine Arztpraxis untergebracht. Tritt man durch die Eingangstuer steht man auch schon gleich im Wartezimmer. Eng, gemuetlich und bestimmt ziemlich warm.

Fantastische Ausblicke auf die Bucht, den Ort, die anderen Inseln. Eine Treppe fuehrt hinunter zum Strand. Hier laeuft irgendwas nochmal anders. Es ist ruhiger, viele Haeuser sind Ferienunterkuenfte und die Saison ist ganz offensichtlich zu Ende. Hier und da trifft man einige Einheimische, Garten waessernd, einen Schwatz ueber den Zaun haltend, vom Baden kommend, das Handtuch laessig ueber die Schulter geworfen. Vor einem Haus sitzt eine aeltere Dame, beobachtet den Aufbau einiger Pavillons am Strand direkt davor — eine Privatfete ganz offensichtlich. Fischerboote liegen im Wasser oder am Strand, hier wird kein Aussenborder an- oder abgeschlossen. Unter den Baeumen fuehrt ein Betonweg zu einer kleinen Hotelanlage. Abendliches Badevergnuegen im flachen Wasser vor einem kleinen Strand. Mit Blick auf die hier an der Mooring liegenden Yachten. Malerisch gruppiert um ein Wrack, das durch zwei gelbe Gefahrentonnen markiert und beliebtes Schnorchel- und Tauchziel ist. Ein Dinghi tuckert vollbeladen an Land.

Ganz dreist stiefeln wir durch die Hotelanlage auf die schmale Strasse, die uns oberhalb der Haeuser zurueck zum Ort fuehrt. UEppige, sehr gepflegte Gaerten wechseln ab mit eher karger Vegetation. Huehner scharen unter Bueschen, eine Katzenfamilie turnt hinter einem Zaun herum,an vielen Pforten haengt ein Schild “a louer” oder ein Hinweis auf eine Vermietungsagentur. Hier kann man ganze Villen oder kleinere Appartments fuer einen Urlaub im Paradies buchen. Ist es das Paradies?? Vielleicht noch nicht ganz, aber es kommt ihm schon recht nahe.

Auf dem Schulhof findet eine Theaterauffuehrung statt. Wir sind herzlich willkommen, gegen eine kleine Spende. Allerdings wird alles auf franzoesisch und teilweise sogar in kreol gesprochen. Vielleicht dann doch nicht so ganz das geeignete. Oder hat der Kaeptn einfach nur Hunger? Gereizt haette es uns ja schon, sicher waere allein schon das Zusehen interessant gewesen und der Kontakt zu den Einheimischen. Man begruesst sich mit Kuesschen links und rechts, es wird gelacht und gescherzt. Auf der Strasse liegt eine dickliche kleine, beige Huendin und blafft immer mal wieder irgendwas an. Der Spirituosenladen hat mittlerweile ebenso geschlossen wie die Apotheke. Und die Trommeltruppe hat immer noch begeisterte Fans um sich herum geschart. Auf dem zweiten, merkwuerdigerweise von der eigentlichen Zielgruppe gemiedenen Steg geniessen einige Jugendliche die Abendstimmung. Die Ankerlichter tanzen in der Bucht und eine letzte Faehre findet ihren Weg zum Steg.

Illes des Saintes, die Urlaubsinseln schlechthin? Klein, aber irgendwie fein. Wieder s oganz anders wie die grossen Schwestern. Nah bei Guadeloupe und doch Lichtjahre entfernt. Gefuehlt zumindest. Fortschrittlich und umweltbewusst durch Einsatz von Elektroautos (sogar ein Elektroskateboard begegnet uns) leben die Inseln vom Tourismus. Was macht man hier waehrend der Hurrikan-Saison? Finden vielleicht noch vereinzelt Besucher den Weg hierher? Schulgruppen von Guadeloupe? Fliegen dann noch die kleinen Sportflugzeuge auf halsbrecherisch anmutende Weise zwischen zwei Huegelkuppen hindurch die Landebahn des Flughafens an? Ankern dann noch Yachten hier, beleben das Bild? Fliegen dann noch die Kiteschirme zwischen den Inseln uebers Wasser? Oder sind die Einheimischen dann ganz unter sich, verrammeln alle Fenster und Tueren, sind sich selbst genug? Wer sichert den kleinen Laeden, den unzaehligen Bars, Restaurants, Tauchschulen, Rollervermietungen das UEberleben? Lebt man vom Saisongeschaeft? Wird die Saison durch Highlights verlaengert, so wie in Deutschland? Hier gibt es sicherlich keinen Weihnachtsmarkt, der als winterliche Attraktion die Besucherscharen anzieht. Keine Weinlese, keine umsatzfoerdernden Gruenkohlparties. Wie lebt es sich dann wohl hier? Noch beschaulicher, noch ruhiger? Denn trotz allem Touristentrubel in der kleinen Hauptstadt gibt es noch Ecken und Gassen, in denen man sich in eine gaenzlich andere Welt versetzt fuehlt. Neun Inseln, davon nur zwei bewohnt, Terre de Haut und Terre de Bas. Seit 1648 von Franzosen besiedelt und bis heute von der Baguette-Kultur beseelt. Der Reisefuehrer schwaermt von paradiesischen Straenden und tuerkisblauem, klarem Wasser. Vom Naturhafen auf der Hauptinsel, der Terre de Haut. 15 km trennen die Inseln von Guadeloupe. Das sich an manchen Tagen glasklar und an anderen Tagen seine Silhouette milchig-verschleiert praesentiert. Auch heute noch sollen die Fischer und ihr Tagwerk das Inselleben dominieren. Was die zahlreichen kleinen Fischerboote auch bestaetigen.

Illes des Saintes, das ist fuer uns auch Wandern, ueberschaubar, so wie wir es lieben. In einer Halbtagestour vorbei am Flughafen mal eben auf die andere Seite der Insel, einen Blick in die Grand Anse werfen. Die Brandung tobt hier an den Strand, der mit Tang uebersaet ist. Schwimmen verboten, gefaehrlich ist es hier. Gut vorstellbar. Die Geraeuschkulisse ist dazu passend. 200 Meter weiter endet die Betonstrasse an einigen Haeusern, hier gelangt man in die kleine und deutlich ruhiere Anse Rodrigues. Ein Mann geht schnorcheln, der Wind fetzt die Sandkoerner gegen meine Waden.

Der Kaeptn mutiert zur Bergziege. Die Kollegen rufen offenbar ziemlich laut. Durch sandfarbenes, duerres Gras sucht er sich einen Weg nach oben, ich folge keuchend. Oben auf dem “Gipfel” haben wir nicht nur einen phantastischen Rundumblick auf diverse Inseln, Buchten und das Fort Antoine, sondern auch eine Begegnung mit den Bewohnern “unserer kleinen Farm”: Ziegen, Schafe, Huehner. Neugierig kommen sie immer naeher an uns heran. Fast sieht es so aus, als wolle der stolze Hahn mit den dicken Beinen und dem knallroten Hahnenkamm Werner mal in die Wade picken. Auch ein Ziegenbock mustert uns sehr nachdenklich, kommt mal naeher, entfernt sich dann wieder; scheint unschluessig, was von uns zu halten ist. In einer abenteuerlichen (fuer unsere Verhaeltnisse) Bergab-Tour kommen wir wieder am Ausgangspunkt unserer Kraxelei an. Klettern ueber wackelige Zaeune, rutschen auf trockenem Laub steile Haenge hinunter, sind unsicher ueber die einzuschlagende Richtung und scheuchen dabei einen recht grossen Leguan sowie die Bewohner einiger Haeuser auf. UEberfall?? Nein, wir wollen nur wissen, wie wir wieder in die Grand Anse kommen. Im Zweifelsfall ja bergab, was die Dame des Hauses uns auch bestaetigt. Nette Wohngegend hier, da kann man es gut aushalten. Zumindest wenn man sportlich ambitioniert ist, bei den Steigungen! Ob die uns mal ihren Pool lassen?

Zurueck in Bourgh zerfliessen wir fast, Durst, Sehnsucht nach einem Sprung ins kuehle Blauwasser. Dieser Gedanke wird uebermaechtig: ein eiskaltes Cola-Bier und eine Runde Schwimmen gehen! Nix wie zurueck an Bord. Und darueber staunen, dass mittlerweile doch alle Mooringbojen belegt sind — Wochenende auf den Saintes; und die Trommeln sind auch wieder zu hoeren.

Flaute

Foto 2.JPG

Foto 1.JPG
Die niederlaendische Selene kommt uns ziemlich nahe. Und war uns sogar schon noch naeher.
Die Crew bemerkt nichts von allem. Erst das laute Troeten unseres kanadischen Nachbarn (der sehr wachsam ist) laesst das Paar aus dem Niedergang heraus schiessen. “Oh” - ja, oh. Wir nehmen es aber mit Humor, der Kanadier raeumt eh seinen Platz und die Selene kann sich in aller Ruhe weiter nach vorne verholen. Problem geloest. Ohne Stress und Aufruhr.

Der Wind gestern hatte seine Tuecken, der flautenaehnliche Zustand heute frueh ebenfalls: einige Schiffe kommen sich ziemlich nahe. Bei uns ist der niederlaendische “Vordermann”, der sich gestern noch dazwischen gequetscht hatte und seinen Anker auf Hoehe des unsrigen plazierte. Zum Liegen kam das Schiff deutlich vor unserem Bug, leicht nach Backbord versetzt. Alles o.k. - solange der Wind alle Boote mit dem Heck Richtung Meer drueckte. Jetzt aber schauen wir alle mit dem Bug hinaus in die Weite. Und der fruehmorgendlich ruehrige Kaeptn (also meiner) muss die niederlaendische Maloe schon mal mit einem beherzten Griff an ihren Heckbuegel von uns weg schubsen. Wir kommen uns noch einige Male recht nahe, wir koennen sogar den untergegangenen Ankerball der “Selene” - so heisst die Yacht - bewundern.

Auf der anderen Seite liegt “Meteore” mit deutlich besserem Abstand. Auch wenn es manchmal etwas nah aussieht, hier passt es immer irgendwie und ein Eingreifen ist nicht notwendig. Trotzdem haben wir so ein leichtes Gefuehl von “wir sind umzingelt”. Ankern, ein weites Feld, ein interessantes Thema. Das nicht nur an Bord zwischen uns immer wieder fuer Diskussions- und Gespraechsstoff sorgt und schon viele Stunden Anschauungsunterricht geboten hat. Man lernt hier wahrscheinlich nie aus. Sogar in der Hinsicht, das man ploetzlich in bekannten Buchten wo der Anker immer hielt, immer wieder scheitert bei dem Versuch, zum Liegen zu kommen.

Und jetzt kommt doch der Nachbar, schnorchelt ueber unseren Anker und teilt mir mit, dass sich unsere Ankerkette um den Anker gewickelt hat und diesen anhebt. Wie geht das denn jetzt??? Pfffff, echt nicht ohne, dieses Ankern! Interessant nur, dass die meisten Probleme dann entstehen, wenn nicht wirklich viel Wind ist. Ob Ankerbojen wirklich eine so gute Idee sind? Vielleicht hebeln wir mit unserer Konstruktion den Anker aus. Jetzt sitz ich unruhig an Bord, beobachte die anderen Schiffe und warte sehnsuechtig auf die Rueckkehr des Kaeptns. Der ist an Land, zwecks Aussenborder-Reparatur. Das kann dauern. Und natuerlich mal wieder keine Handfunke mitgenommen. Der Nachbar beruhigt mich, sie seien ja an Bord und solange kein starker Wind kommt ….. super, da hat man einen Tag und eine Nacht Starkwind ohne Probleme absolviert und jetzt sowas!

« Previous PageNext Page »