An die 40 Knoten Wind in der Nacht, die Bucht von Deshaies auf Guadeloupe ist aufgewuehlt. Unser Abendessen-Gast Paul hatte Muehe, mit dem Dinghi wieder auf seine “man suutje” zu kommen. Wir sind erleichtert, als eine SMS kommt “bin gut wenn auch ziemlich nass angekommen”. Kurze Zeit spaeter wandert ein Ankerlicht langsam aber stetig achteraus, wird kleiner und verschwindet irgendwann ganz. Anstrahlen, diverse Troeten - keine Reaktion auf dem Schiff, eine Ketsch. Dunkler Rumpf, weisser Aufbau.Keiner an Bord?

Auf Kanal 16 bekommen wir mit, dass schon jemand die Coastguard informiert hat. Ein reger Funkverkehr setzt ein bis es irgendwann heisst: die Yacht ist auf dem Weg zurueck in den Hafen. Unser Nachbar an Steuerbord wechselt den Ankerplatz ebenfalls noch in der Nacht und auch heute frueh sind einige Ankermanoever zu beobachten: eine grosse Swan hat weit draussen geankert und moechte tiefer in die Bucht fahren. Dabei nimmt sie offenbar den Anker ihres bisherigen Vordermannes mit. Beide Schiffe treiben quer Richtung Meer und muessen neu ankern. Nicht so einfach bei dem teilweise schlechten Untergrund hier in der Bucht und dem starken Wind. Oder machen sie einfach was falsch bei dem Wind? Wir sind froh ueber jedes Kilo an Ankergewicht und Kette. Und haben trotzdem letzte Nacht viel und lange an Deck gesessen und alles beobachtet. Jetzt, am fruehen Morgen, pustet es noch immer mit teilweise bis zu 36 Knoten.

Neue Schiffe treffen ein, kreiseln durch die Bucht. Auf der Suche nach einem Ankerplatz. Fast alle benoetigen mehrere Anlaeufe, bis der Anker haelt und ein geeigneter Platz gefunden ist.Die deutsche Merlin, gestern angekommen, wuerde gerne an eine Mooring gehen. Einmal aus transporttechnischen Gruenden und zum Zweiten weil letzte Nacht der Kasten mit der Ankerwinsch das fliegen gelernt hat. Zum Glueck gestoppt vom Vorstag ist nicht alles floeten gegangen. Die Kette allerdings ist bis aufs letzte Glied ausgerauscht und Merlin schwebt schon verdaechtig nahe an einer uralten Miniboje. Ganz vorne links ist eine Mooring frei geworden, die umgehend von Torsten, dem Merlin-Skipper, mit einem T-Shirt reserviert wird. Werner hilft, den Anker der Merlin aufzuholen, ich stehe an der Pinne (ganz ungewohnt fuer mich!) und steuere das Boot in die Richtung der Kette, dann gibt es noch Unterstuetzung beim Festmachen an der Boje. Jetzt kann in Ruhe repariert werden, Erleichterung steht in die Gesichter der Crew geschrieben.

Dann laeuft Tralafiti ein. Der Skipper ist seit einigen Tagen Einhand unterwegs. Und mit dem Ankern hier bei diesen Verhaeltnissen tut sich die Tralafiti schwer. Ausgerechnet jetzt verweigert unser Aussenborder den Dienst. Sonst haetten Werner an Bord der Tralafiti gehen koenen, um den Skipper zu unterstuetzten. So muss dieser immer zwischen Ruder und Ankerkasten hin und her. Ein, zwei Mal kommt er quertreibend einem anderen Ankerlieger ziemlich nahe, die betreffenden Crews stehen schon mit Fendern an Deck parat. Und wir sitzen hier, festgenagelt, koennen nichts tun. So ein Mist. Offenbar ist unser Aussenb der Meinung, er habe fuer heute genug geleistet.

Fuer uns ist nicht nur das Verhalten unseres Aussenbordmotors raetselhaft. Auch die Verhaeltnisse hier in einer vermeintlich geschuetzten Bucht. Das sich derart starker Wind mit dem dazu passenden Wellengang aufbauen koennen, wo wir doch gegen den herrschenden Ostwind gut geschuetzt sein sollten. Sind die Fallwinde hier derart beachtlich und unberechenbar? An Land faehrt heute jedenfalls kaum jemand. Und auch wir schlagen die sehr nett gemeinte Einladung der Merlin-Crew zum Pizzaessen in der Pizzeria ab. Von Bord gehen, bei dem Wind? Nee, lieber nicht. Zu tief steckt der Anblick der aus der Bucht triftenden Yacht von vergangener Nacht. Selbige (also die Yacht) liegt uebrigens wieder in der Bucht, als waere nie was gewesen. Nur Paul wunderte sich heute frueh, dass sie “irgendwie anders lag wie gestern”. Er hatte zwar das Hupen gehoert, sich aber nicht erklaeren koennen, was da los war.

Und Tralafiti driftet weiterhin munter durchs Ankerfeld. Werner, zur Untaetigkeit verdammt, steht auf unserem Deck. Ob vielleicht ein beherzter Sprung ins Wasser …. ? “Wage Dich! Das schaffts Du nicht!” UEber Funk ruft uns ein anderer Nachbar und meint, unser Freund (Tralafiti) solle doch an die Mooring mit dem blauen Surfboard gehen. Die waere nun schon mehrere Tage frei und bei einem solchen Wetter …. Wir sehen das genauso und schaffen es auch,das dem Skipper der Tralafiti zu verklickern. Der dann auch jetzt die Hilfe meines Kaeptns annehmen und diesen an Bord nehmen will. Kommt er also doch noch zu seinem Sprung ins Wasser, vom Dinghi aus. Schafft es aber nicht, die Tralafiti zu entern. Und schwimmt im sehr bewegten Wasser. Weit ab von unserem Dinghi.Mon Dieu, der Mann kostet mich Nerven.! Da naht Rettung von einem der Nachbarschiffe: ein Schlauchboot pickt meinen Kaeptn auf und mit vereinten Kraeften von gleich 4 Skippern (inclusive Tralafiti-Skipper) klappt das Mooringmanoever dann auf Anhieb. Zweites Boot versorgt. Man hilft sich halt auf den Ankerplaetzen dieser Welt.

Und lernt sich kennen. So wie wir jetzt Frank von der Tralafiti in natura kennen lernen, nach bisher nur Emailkontakt und “hoeren-sagen”. Mit einigen Dosen Bier und unserem vergessenen Bojenhaken kommt er mit dem Schlauchboot angebraust. Genau passend zu Bratkartoffeln mit Spiegelei. Und zu erzaehlen gibt es viel, bereist die Tralafiti doch schon einige Saisons die karibischen Inseln und kennt auch unser naechstes Ziel, Curacao, sehr gut. Der Wind laesst auch allmaehlich nach, bis er dann fast ganz einschlaeft. Unglaublich. Und noch unglaublicher, dass heute auf den Illes des Saintes maximal 15 Knoten Wind gewesen sein sollen.

Hier gibt es nochmal richtig Tanz am Abend. Der Cat zu unserer Linken wird von einem Motorboot-Catamaran bedraengt. Wir hoeren lautes Rufen “Go, go”, Lichter werden angeschaltet, das Motorboot liegt irgendwie ganz merkwuerdig erst neben dem Segel-Cat, dann mit einigen Metern Abstand vor dessen Bug. Erst hiess es ,go’ jetzt schallt ein “Stop” herueber. Schlauchboote flitzen heran, Leute steigen ueber, stehen auf dem Bug des Catamarans. Die Ankerkette rasselt, der Motor brummt. Das Motorboot entfernt sich und wandert auf die andere Seite der Bucht. Der Segler geht nach einigem Hin und Her Ankerauf, faehrt ein Stueck nach vorne, laesst den Anker neu fallen. Was ein Heckmeck und nur, weil manche Leute meinen, sie muessten in tiefschwarzer Nacht (der Vollmond laesst noch etwas auf sich warten) ganz weit in die Bucht hinein fahren. Dort wo es dann eng wird, wenn der Anker nicht haelt.

Langsam kehrt Ruhe ein. Das Rauschen der Brandung an den Felsen und ein, zwei durch Deshaies fahrende Autos sind zu hoeren. Kein Kettenrasseln mehr, kein Rufen und auch kein lautes Fauchen des Windes mehr. Ein leichtes Saeuseln ist es geworden und wir machen uns Sorgen um unseren Windgenerator. Der steht auf Brake, obwohl eigentlich gar kein Grund mehr dafuer besteht. Hoffentlich haben er und sein Regler die Starkwindphasen heute unbeschadet ueberstanden.