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Antigua, DIE Segler-Insel. Eine Regatta nach der naechsten. Livemusik, Party, volle Bars zur Happy Hour aber auch noch danach. Man trifft sich, die Seglerszene verschmilzt mit den Landurlaubern und Einheimischen. Man kennt sich oder lernt sich kennen. Irgendwo ist immer was los, tagsueber und erst recht am Abend. Die Parkplaetze sind voll, Polizisten machen einen Kontrollgang. Dezent grau und eher in Ausgehuniform gekleidet. Waffen und schusssichere Westen sieht man hier keine. Yachten laufen aus, an Deck jede Menge Leute. Regattateilnehmer? Es wird geuebt, auch zwischen den ankernden Yachten. Da schiesst schon mal eine Yacht extrem dicht an unserem Bug vorbei im Bemuehen, die Genua einzurollen.Und die “Grossen” werden von ihren Artgenossen mit lautem Gehupe verabschiedet. Dagegen klingt unser Horn ja doch leicht mickrig.

Wir setzen zur Catamaran-Marina ueber. Kurze Verwirrung: kein Dinghisteg in Sicht. Dafuer unmotiviert aus dem Wasser ragende Betonpfeiler. “No Dinghis” — ach so, das gilt nur fuer den Beleuchtungspfosten. Nebenan strahlt ein kleiner, gepflegter Sandstrand zu uns herueber. Das Wasser allerdings wirkt milchig-tuerkis. Aus der Marinabar wedeln luftige Stoffstreifen, die Korbmoebel sind schon etwas angegriffen, aber einladend. Nix da, erst Muellabladestelle suchen und dann einkaufen.

In einem Garten wird gerade Rasen gemaeht und die Hecken gestutzt. “How are you” — man ist doch am Wohlbefinden seiner Mitmenschen interessiert. “For sale/rent” — USD 120.000 erscheinen uns fuer das zweigeschossige Holzhaeuschen mit einem schoenen Grundstueck drumherum und so nah am Wasser nicht allzu teuer. Da haben wir aber schon andere Preise gesehen beim ortsansaessigen Immobilienmakler. Mietpreise beginnen bei 870 USD pro Woche! Und gehen schnell bei entsprechendem Komfort und –zurueck (wie Pool, mehrere Schlaf- und Badezimmer) auch schon mal ueber die 3000 USD Marke hinaus. Wohlgemerkt: immer pro WOCHE! Die Verkaufspreise fuer solche Objekte sind derart schwindelerregend, die hab ich gleich wieder vergessen. Sind ja leider keine Bolivar. Niederlassungstechnisch erschien uns Antigua bislang jedenfalls als unbezahlbar. Aber es gibt wohl doch auch noch Ausnahmen, man muss nur suchen.

Im Bailey’s Supermarkt (es gibt auch Bailey’s Boatyard und Bailey’s Pflanzenverkauf, sehr geschaeftstuechtige Familie wie uns scheint) steht ein Brotkorb an der Kasse, abgedeckt mit einem Tuch. Darunter verbergen sich kleine baguetteaehnliche Brote. Ich ruempfe die Nase, sicher wieder so ein Pappkram, der wie ein Granitbrocken im Magen liegt und nur schwer verdaulich ist. Werde aber von einer etwas korpulenten, in ueppiges orange-gelb gekleideten Dame belehrt: ,das ist das einzige Brot auf der Insel, das gut schmeckt, nicht so viel Zucker hat und nicht so pappig ist’. Na, wenn das so ist, glauben wir mal der Landsfrau. Seit 20 Jahren lebt sie hier, ist Inhaberin eines Souvenirshops. ,Der an der Ecke, mit den vielen bunten Fischen. Die koennt ihr sicher nicht auf einem Boot gebrauchen, aber bestimmt findet sich was in meinem Laden, was ich euch verkaufen kann’.Noch nicht den Wunsch verspuert, weg zu wollen? Bedaechtiges Lippen schuerzen und Kopf schuetteln. Nein, es lebt sich gut hier. Manchmal ist etwas beschwerlich, bestimmte Dinge zu bekommen oder etwas zu organisieren. Andererseits schaetzt sie die Ruhe, das Liming-Gefuehl der Insel. Und freundlich sind sie ja auch, die Inselbewohner.

Wir finden es auch etwas beschwerlich hier, vor allem das Einkaufen. Fuer Fleischprodukte ausschliesslich in die Tiefkuehltruhe zu greifen ist noch immer gewoehnungsbeduerftig fuer uns. Das Aussehender “Ware” traegt nicht unbedingt zu einem Gewoehnungseffekt bei. Immerhin ist das Angebot an Obst und Gemuese hier ganz o.k., es gibt frischen Spinat, der kurzerhand im Einkaufskorb landet.

Nebenan laedt eine knallbunte Strassenbar zum Ausruhen nach dem anstrengenden Supermarktgang ein. Burger gibt es in vielen Variationen und 2 Carib Bier fuer 10 EC, glatte 2 EC gespart, da muss man sich doch ein cooles Carib goennen. Zum Vergleich: auf der anderen Seite der Bucht, in der Mongoose Bar kostet das Carib 8 EC, zur Happy Hour ebenfalls 5EC. Sicherheitshalber sind hier viele Lebensmittel, Getraenke, Menues etc. erst gar nicht ausgepreist. Entweder man fragt sich einen Wolf oder laesst sich bei der Endabrechnung an der Kasse ueberraschen. Auch gewoehnungsbeduerftig. Wo wir jetzt gerade gelernt hatten, anhand der EAN-Codes die Artikel den an den Regalen angebrachten Preisschildern zuzuordnen (was auch nicht immer funktioniert). Aber wir sind ja noch jung, dynamisch, schnell muede und lernfaehig.

Die Bar bzw. der Imbiss ist jedenfalls beliebt bei Einheimischen und Seglern gleichermassen. Immer wieder stoppt ein Auto und Muttern schickt ihre Luette los, das Mittagessen samt Getraenk zu holen. Oder Werftmitarbeiter, LKW-Fahrer verkoestigen sich. “Wie die wohl in ihr Kleid gekommen ist?”. Der Kaeptn wundert sich mal wieder angesichts einer dunkelhaeutigen ,Presswurst’ im eng taillierten Kleid, die auf hohen Absaetzen ueber die Bodendielen der Veranda zum Auto stoeckelt. “Stretch” mutmasse ich, bin mir aber nicht so sicher, ob Stretch wirklich derartige Rundungen ausgleicht. Jedenfalls kann sich so manches Pummelchen in Europa vom Selbstbewusstsein der hiesigen Damen ordentliche Scheiben abschneiden. Was so ein generelles Schoenheitsideal doch ausmacht.

Die Burger sind fertig und der Kaeptn stinkesauer: ausgerechnet sein Chickenburger ist mit ordentlich Mayonnaisenpampe verziert. Und bis wir entdecken, dass meinem diese Saucenunterlage fehlt, hab ich schon zusaetzlich Ketchup drauf gepampt, was diesen Burger ebenfalls aus dem Rennen um die Gunst des waehlerischen Herrn bringt. Dabei hat der Mann am Nachbartisch doch definitiv keine Sauce auf seinem Burger gehabt und alles extra drauf gehauen. Mir ist das egal, ich trete grosszuegig meine Fritten ab und uebernehme dafuer den zweiten Burger. Und mir schmeckt es jedenfalls.

Derzeit ist nicht so des Kaeptns Zeit. Erst bekommt er das Portemonnaie im Bus aus der Hosentasche gemopst (mit einigen EC-Scheinen drin, gluecklicherweise aber keinen Karten, Fuehrerscheinen oder sonstigen wichtigen Dokumenten), dann verliert er 50% seiner Croq-Schuhe (ueber Nacht aus dem Dinghi abhanden gekommen. Ungeklaert bleibt, warum es nur einen Schuh erwischt hat) und jetzt auch noch das Burger-Debakel. Den angepeilten Ankerplatz haben wir heute mittag auch nicht erwischt, weil eine andere Yacht schneller vor Ort war als wir den Anker hoch holen konnten (bloed, wenn die Schiffe sich so drehen, dass der Vordermann ploetzlich ueber der eigenen Kette liegt). Und jetzt dreht auch noch der Wind wie vorher gesagt auf Sued, der Himmel bewoelkt sich.

Dabei wuerden wir schon gerne weiter segeln, suedwaerts, nach Martinique. Die geplanten Zwischenstopps wurden bereits drastisch reduziert auf Illes des Saintes (2 Tage) und evtl. noch Dominica (max 3 Tage). Fuer die UEberfahrt nach Curacao rechnen wir 5 Tage ein, Fluege nach Deutschland sind fuer Anfang Juni gebucht, die Saison geht fuer uns langsam aber sicher zu Ende. Waehrenddessen ruesten sich andere Yachten auf die Fahrt zu den Azoren, warten auf ein passendes Wetterfenster — das sie vielleicht ja jetzt mit dem Suedwind bekommen haben — des einen Freud, des andern Leid. Und wir kommen somit voll in den Genuss des Regattaspektakels, der Preisverleihungen, Live-Musik Events und was sonst noch so geboten wird. Oder verschlafen alles brav auf unserem weit ab ankernden Schiff. Ob wir es wenigstens zu Shirley Heights schaffen, hoch auf den Berg, zum Lookout von dem alle begeistert schwaermen und den hier so mancher Segler schon wieder meidet, weil a) teuer und b) viel zu touristisch ueberlaufen? Stattdessen sitzen Seglers in der Mongoose- oder einer anderen Bar, warten auf den Auftritt einer Band, nutzen das free Wifi oder quatschen mit anderen Seglern.

Und gerade jetzt, zum Auftakt der Antigua Sailing Week und natuerlich erst recht waehrend der ganzen Woche findet ein Event nach dem Anderen statt. Livemusik, Preisverleihung, die Mongoose Bar feiert ihren 20. Geburtstag mit UEberraschungsgeschenken. Wir lernen eine junge Kanadierin kennen. Ihre Schwester ist mit einem Local verheiratet. Den Schwager sowie einen Freund lernen wir im Verlauf des Abends ebenfalls noch kennen. Lange haben die Jungs gebraucht, um nach Falmouth Harbour zu kommen. Auf der Zufahrtsstrasse herrscht Verkehrschaos, ein Auto haengt am naechsten, alle wollen zur grossen Party nach English Harbour bzw. in Nelsons Dock. Uns dagegen reicht es, Werner hat die junge Dame ausreichend unterhalten mit Geschichten aus unserem bewegten Leben und ich habe nebenbei die aktuellen Wetterdaten und Emails abgerufen, Nachrichten beantwortet, Fotos veroeffentlicht und grosszuegig die Mueckenspraydose an meine Tischnachbarn weitergereicht. Musik und Stimmengewirr um uns herum nehmen an Lautstaerke zu, ueberfordern unsere Gehoergaenge leicht. Zeit, in die Koje zu gehen.