„Da muesst ihr unbedingt hin“. Also fahren wir „da“ hin. „Da“, das ist Antigua. Nicht so wirklich der logische Weg: von Montserrat nach Guadeloupe und dann wieder zurueck nach Norden, nach Antigua. Aber was macht man nicht alles fuer die Bildung. Und Reisen soll ja bilden. Wobei – so allmaehlich bildet sich in mir eher Unwillen und Muedigkeit. Ich bin es muede, von einer Insel zur anderen zu hoppen, immer wieder alles neu, ausklarieren, einklarieren, Schlauchboot etc. an Deck verstauen. Die ueblichen Fragen: kommen wir noch im Hellen an, wo koennen wir ankern, schaffen wir das Einklarierungsprozedere noch ….. ich glaub, ich wird alt. Immerhin, getreu unserem neuen Motto „fahre nie an einem Montag weiter“, verschieben wir unsere Abreise von Deshaies kurzerhand auf den Dienstag und liften die 42 KG Anker am fruehen Morgen. Nicht frueh genug, die ersten sind schon einige Zeit vor uns unterwegs.

Alles klappt, Grosssegel geht ordnungsgemaess und ohne Widerrede hoch, nix reisst, vertuedelt oder macht sonstige merkwuerdige Dinge. Geht doch. Mit einem feinen Ost-Nordost zischen wir auf einem (schon wieder!) Amwind-Kurs uebers Meer. 15-17 Knoten Windgeschwindigkeit, manchmal auch um die 20, aber nie mehr. Das laesst sich gut segeln. Mit uns verlassen noch einige andere Boote Deshaies. Zu zwei vor uns schliessen wir auf, segeln dann mal hinter, mal nebeneinander her. Das waere der ideale Konvoi fuer Venezuela….. der Kaeptn kommt nicht los von seinem Venezuela-Plan, von dem er sich nur schweren Herzens verabschiedet hat.

Blauer Himmel, kleine weisse Schaumkronen (die „white horses“) bringen etwas Abwechslungs ins tiefdunkle Blau der Wellen. Die kommt moderat leicht vor-seitlich (gibt es das, als Wort??). Montserrat kommt in Sicht, schiebt sich links an uns vorbei, winkt und lockt: ‚schau, mein Vulkan traegt heute extra keine Rauchkappe. Kommt, der Kurs ist gut hierher, es hat euch doch gut gefallen‘. Knapp 5 Stunden spaeter faellt unser Anker in der Falmouth Bay. Die lag genau auf unserer Kurslinie, mehr Hoehe ging nicht. So bleibt English Harbour rechts liegen. Nicht weit, aber die Bucht ist deutlich kleiner und immer sehr beliebt. Das ist offensichtlich auch Falmouth Harbour. Zwischen den Markierungstonnen der Tiefwasserrinnen liegt Yacht an Yacht, vor Anker, an Moorings. Einige ominoese Flachwasserstellen machen uns die Suche nach einem geeigneten Ankerplatz nicht gerade leichter. Mit 2,40 Tiefgang beim Ankern auflaufen, peinlich, peinlich. „Ich dreh mal lieber nach steuerbord ab, backbord sieht es irgendwie komisch aus“. Spaeter von Land aus koennen wir das „komisch“ klar erkennen – da steht wohl wirklich nicht viel Wasser. Sportlich (weil frischer Wind) umrunden wir einige Yachten; „da iss gut – nee, lieber nicht, doch zu eng, wir kommen dem da zu nahe – was haelst Du davon, wenn wir zwischen die beiden dort gehen? Oder doch lieber hier? …. Das uebliche halt. Und ich setze gedanklich die Funkheadsets gaaanz oben auf die Einkaufsliste. Damit die Schreierei endlich aufhoert und wir uns dezent unterhalten koennen, vom Bug zum Steuerrad hin. Und ich nicht immer rufen muss „sprich bitte zu mir und nicht in den Wind“. Fuffzehn Meter bzw. ca. 12 Meter Distanz sind bei Gegenwind halt doch nicht unerheblich, so rein akustisch/sprachlich gesehen.

Von der SY Josie winkt man herueber „da seid ihr ja endlich“. Hmm, hab ich was verpasst? Hatten wir eine Verabredung? Zu weiterem Kontakt kommt es leider nicht mehr. Erst sind wir busy und dann ist die Josi weg. Tja, schade, aber kann man nix machen.

Zu guterletzt liegen wir – wie immer – ziemlich weit hinten und der Kaeptn beaeugt skeptisch die Linie von der Fahrrinnenteilungstonne bis zur naechsten gruenen Tonne. Passt schon, hier fahren doch keine Grossschiffe! Diesmal bin ich es, die abwiegelt und entspannt ist. Der Anker sitzt und haelt, fuer mein Empfinden haben wir in allen Drehrichtungen ausreichend Raum zu den Nachbarn. „Was guckst Du so skeptisch?“ – „Ach, ich weiss nicht, mir macht Daystar Sorgen“ - „Wieso das denn??????“ Ich fall vom Glauben hab, bin mit allem voll zufrieden. Aber nein, der Kaeptn plant schon den Umzug, vielleicht gar nach English Harbour.

Erst einmal geht es an Land, einklarieren. In English Harbour. Das ist ein kleiner Fussmarsch vom Antigua Yacht Club, wo wir das Dinghi am „Members only“ Dinghidock parken. Der nette Securitymensch gruesst nur freundlich und fragt, ob wir noch frisch sind. Nein, fragt er natuerlich nicht. Er ist einfach nur nett, sonst nix.

English Harbour ist beeindruckend. Eine grosse, fast komplett erhaltene alte Hafenanlage mit beeindruckenden Gebaeuden, aus Holz oder zum Grossteil aus dicken Steinen. Die „Piles“ sind weltberuehmt und heute im Garten eines Restaurants eingebettet. Schick alles, sehr fotogen. Hinweisschilder verkuenden an jedem Gebaeude von der urspruenglichen Nutzung. Hier gibt es Segelmacher, Shops, eine Baeckerei! Ein Museum, Restaurants und und und. Customs, Immigration und Hafenbehoerde sind in einem Gebaeude und gewissermassen in einem Raum untergebracht. Man wird von Schalter zu Schalter „gereicht“. Einklarierung online am PC. Stolz verkuende ich, dass wir schon einen Seaclear-Account haben, angelegt auf Grenada. Der nette, aeltere Beamte winkt ab: nein, nein, hier kann man den nicht nutzen. Aha, tolles System. Also bastele ich noch einmal einen Account zusammen, beantworte alle Fragen zu den kritischen Dingen, die evtl. an Bord sein koennten. Der Kaeptn und der aeltere Beamte gucken mir ueber die Schulter. Bei der Frage nach Waffen wird es lustig,; der Kaeptn meint, er habe nur eine Waffe an Bord, eine Bombe. Fragezeichen in den Augen des Beamten, dann die Aufklaerung, gefolgt von beidseitigem Lachen und entruestetem Gucken meinerseits: „a sexbomb“ sei an Bord. Ist das jetzt Diskriminierung, Belaestigung am Arbeitsplatz oder einfach schwarzer Humor? Hau ich ihm eins auf die Nase (blutet vielleicht zu dolle und ich kann die Sauerei hier aufwischen), tret ich ihm auf die Fusszehen (bloed, die Wandersandalen sind nicht effektiv schmerzhaft und ausserdem muss ich ihn dann vielleicht auf dem Rueckweg stuetzten) oder ignorier ich es einfach?. Ich entscheide mich fuer letzteres. Taubheit auf bestimmten Ohren kann hiilfreich sein. Jedenfalls haben die Maenner ihren Spass, ist doch auch schoen. Dann ist alles fertig, wird zigmal ausgedruckt, der Kaeptn muss ueberall unterschreiben (haehae, das ist die Strafe!). Kurzer Stau: die Druckerpatrone ist leer und muss gewechselt werden. Vielfache Entschuldigung, dass wir warten muessen. Grosse Augen unsererseits angesichts soviel Zuvorkommnis und Hoeflichkeit.

Weiter geht es zum Immigrationschalter, Ausdruck reinschieben, Fragen beantworten, Paesse stempeln lassen, zurueck zum Customs und dann zur Port Authority, bezahlen. Mittlerweile hat sich der Raum gut gefuellt, alle PC-Bildschirme sind belegt; eine Crew muss ein Formular haendisch ausfuellen (warum???) . Die Maenner (Chartercrew mit oesterreichischer Sprachfaerbung) ist sich nicht ganz schluessig bei den diversen Fragen. Ein aelteres Paar beantwortet mit Nachdruck und unisono die Frage „Check in?“ sowie „First time on Antigua?“ beide Male mit einem lauten YES. Ich muss grinsen, kommt mir irgendwie so bekannt vor. Das muss bei uns anfangs so aehnlich gewesen sein. Blass sind die Beiden noch, vielleicht noch nicht lange in der Karibik, noch nicht oft ein- und ausklariert? Ein anderer Skipper (aha, es gibt noch mehr Segler mit nicht ganz so sauberen Shorts und Shirts) will einige Crewmitglieder „loswerden“ und schiebt die betreffenden Paesse ueber den Tresen. Geduldig wird von den Beamten geholfen und erklaert. Super freundlich sind alle und sehr zuvorkommend.

Offizielle eingereist bewegen wir uns nun frei und entspannt ueber das Gelaende von Nelsons Dockyard. Der hoffnungsvolle Blick in die Baeckerei wird allerdings (fuer mich erwartungsgemaess) enttaeuscht: das uebliche Wabbelbrot lacht uns an. Baeh, da ess ich lieber nix oder halt auch Muesli. Ist eh gesuender. Aber dieses Papp-Brot, never ever. Das ist ja fast schlimmer wie Knaeckebrot. Und das ist bei mir schon ein absolutes no-go! Wie ein Stein knuellt sich das karibische Brot im Magen zusammen, haengt irgendwo stundenlang im Gedaerm. Allein der Anblick am Fruehstueckstisch laesst mir schon den Appetit vergehen und den Hunger gleich mit dazu. Ideales Diaetessen also….. aber ich schweife ab.

Brot ist also nicht. Dafuer beeindrucken uns die tollen, klassischen, alten oder auf alt getrimmten Yachten, die uns ihre Heckansichten praesentieren. Wir wandern an der Pier entlang, lesen Namen, bestaunen viel lackiertes Holz, schoene Linien. Eine deutsche Nationale sticht heraus. Die kennen wir doch von St. Barth! Die Peter von Hestermuehle liegt ebenfalls hier, hat sicherlich auch an der Antigua Classic Week teilgenommen. Hinter uns faehrt das Muellauto. Hier bringt man den Muell nicht zur Tonne, hier wird er an Bord individuell abgeholt. Nobel, nobel. Fuer die Ankeryachties in Falmouth Bay gibt es eine Sammelstelle, direkt am Dinghisteg hinter der Tankstelle. Wir aber stehen erst einmal am Ende von Nelsons Dockyard und der Kaeptn aeugt sehnsuechtig zu den ankernden Yachten vor dem Hafen hin. „Da ist doch noch genug Platz, da koennten wir doch auch hin“. Von mir aus. Abgesehen vom deutlich kuerzeren Weg zum beruehmten Shirley Heights Lockout sehe ich zwar keinen wirklichen Vorteil an der Verlegung, aber wenn er es unbedingt will. Nochmalige Diskussionen um den Ankerplatz will ich dem Kaeptn und mir ersparen.

Auf dem Rueckweg gewinnen wir noch einige Einblicke in die sprachlichen Ausdrucksfaehigkeiten der hiesigen Bevoelkerung, Auf die schlichte Frage nach einer Touristinformation werden wir von einer Marktfrau zu anderen gereicht (im Eingangsbereich des Nelson Dockyards gibt es einen Artisanal-Market mit den ueblichen T-Shirt-Verkaufsstaenden) und sollen letztendlich vorne am Eingangsbereich am Desk nachfragen. Machen wir und bekommen die Auskunft, dass die gesuchte Lokalitaet sich exakt HIER befindet. Aaahja (waere auch kein schlechter Bootsname). Bewaffnet mit Infomaterial aus dem Einklarierungsbuero und einem Inselplan stiefeln wir vondannen. Der Tag ist schnell vergangen, Hunger macht sich bemerkbar.

Zurueck an Bord haben wir Musse, uns die Bucht genauer anzuschauen. Weitraeumig und doch recht geschuetzt. Hohe Berge sucht man auf Antigua vergeblich. Dafuer gibt es hier wohl auch keine extremen Fallwinde. Der Wind, der seinen Weg ueber die sanften Huegel findet, blaest stetig aber nicht unangenehm ueber die Bucht. Um Antriebskraft fuer den Windgenerator muessen wir uns nicht sorgen. Wir liegen zwar in Hoehe der Zufahrt zur Bucht, sind aber durch das vorgelagerte Flach wellentechnisch recht gut geschuetzt; trotzdem schaukeln wir leicht hin und her, was eher einem angenehmen Wiegen gleicht. Viel Gruen ist um uns herum, durchsetzt mit Haeusern. Gleich 3 Marinas bzw. Boatyards sind hier angesiedelt und neben Budget Marine gibt es auch einige andere Servicebetriebe und eine eher auf Farben spezialisierte „Chandlery“ im Gebaeude der Tankstelle. Restaurants und Bars aller Art, Autoverleiher, ein nicht gerade als preiswert zu bezeichnender Supermarkt – der sich durch schlecht ausgeleuchtete Kuehlschraenke und fehlende Preisauszeichnung disqualifiziert (was haben die zu verbergen?).

Antigua, das Paradies fuer Segler. Schön ist es hier ganz unbestritten. Wir liegen auf türkisfarbenem wenn auch nicht kristallklarem Wasser, das uns umgebende Ambiente ist ansehnlich. Eigentlich passt alles. Und doch: wir sehnen uns zurueck nach anderen Buchten. Schon merkwuerdig, wie unterschiedlich Segler Ankerbuchten, Haefen, Inseln wahrnehmen und beurteilen. Vielleicht fuehlen wir uns verloren in der Weitlaeufigkeit, vielleicht waere English Harbour wirklich besser fuer uns? Vielleicht brauchen wir auch einfach nur ein paar Tage, um uns zu akklimatisieren. Vielleicht ist es aber auch die Eingangs bereits erwaehnte Muedigkeit, die Suche nach Vertrautheit und Angekommensein, die sich mal schnell, mal eher allmaehlich einstellen. Auch an den “Rummel”, an das geräuschvolle Treiben an Land, an die vielen anderen Segler müssen wir uns scheints erst einmal wieder gewöhnen. Und wenn wir das geschafft haben, fahren wir vermutlich weiter :-)

Müllabgabestelle Falmouth Harbour

Müllabgabestelle Falmouth Harbour

English Harbour, Museum

English Harbour, Museum

Lässig - der Käptn wartet auf die Papierflut zwecks Unterschriftenakkord

Lässig - der Käptn wartet auf die Papierflut zwecks Unterschriftenakkord

Auf dem Weg zu den Behoerden in English Harbour
Auf dem Weg zu den Behoerden in English Harbour

Ziel erreicht - Hier residieren Customs, Immigration und die Port Authority

Ziel erreicht - Hier residieren Customs, Immigration und die Port Authority

Tolles Heck - ueberhaupt das ganze Schiff ist toll

Tolles Heck - ueberhaupt das ganze Schiff ist toll

Bei diesem Anblick bricht der Kaeptn in Begeisterung aus - insbesondere die Luette rechts hat es ihm angetan

Bei diesem Anblick bricht der Kaeptn in Begeisterung aus - insbesondere die Luette rechts hat es ihm angetan Ohne WortePeter von Seestermühle - schönes Schiff, junge Crew Die Piles in Nelsons Dockyard, English Harbour Mal was ganz anderes: wir nennen es