Fliegende Fische und weisse Pferde ….

….oder warum man vielleicht nicht an einem Montag, den 13. Weitersegeln sollte.

Montag, der 13. Wir fahren weiter. Unsere Aufenthaltsdauer auf Montserrat haben wir schon leicht ueberzogen, verlaengern wollen wir nicht. Warum eigentlich nicht? Vielleicht weil gestern mal wieder Unfriede geherrscht hat an Bord? Wir wollten doch noch in die naechste Bucht wandern und nochmal Richtung Salem fahren. Oder evtl. zur Ostkueste. Und im Museum waren wir auch noch nicht und die Handabdruecke von Sir George sind auch nicht abgelichtet. Trotzdem, es bleibt dabei: wir fahren weiter.

Geht schon gut los: Grosssegel verheddert sich in den Baendseln der Lazybags. Lazybag an Backbord schlottert unmotiviert rum: Baendsel gaaaanz oben gerissen. Irgendwas stimmt doch nicht mit dem Segel, das steht doch gar nicht richtig. Ein Blick ins Baendselwirrwarr zeigt: die 2. Reffleine ist gerissen. Na, fahren wir halt im ersten Reff. Wird schon nicht so wild werden. Ach ja und der zur zweiten Latte gehoerende Mastrutscher ist auch nicht mehr am Segel fest. Irgendwie tuedeln wir alles trotzdem zurecht, der Mastrutscher bleibt erstmal aussen vor und nach der dritten Runde geht es Richtung Nord-Ostspitze der Insel.

Kaum sind wir an der Huk, geht der wilde Ritt los. Wellen von vorn, Wind von vorn — super. Wer kam nochmal auf die glorreiche Idee, dass wir einen besseren Winkel zum Wind haben, wenn wir “aussenrum” fahren? Abfallen, Genua raus — wir koennen segeln. Immerhin. Vielleicht doch keine so schlechte Idee mit dem aussenrum. Und wir lernen noch eine etwas andere Seite von Montserrat kennen. Eine steil ins Meer abfallende, schroffe Seite. Mit einem bunten Dorf oben auf einem Bergruecken. Und Lavafeldern, die sich einen sanften Abhang runter weit ins Meer ergiessen. “Da war mal eine Bucht”. Jetzt ist da Lava. Und oben auf dem Vulkan steigen weisse Rauchsaeulen auf, die Spitze huellt sich in grauen Rauch. Beaengstigend und faszinierend zugleich. Wie es sich lebt im Schatten des Vulkans, davon haben wir einen kleinen, ganz kleinen Eindruck gewonnen. Und trotzdem koennen wir den Schrecken jener Nacht des Ausbruchs nicht nachvollziehen. Wollen wir auch nicht. Das zaehlt zu den Dingen, die nicht auf meiner Wunschliste stehen. Definitiv nicht.

Wir lassen charming Montserrat hinter uns. Und die Wellen pruegeln auf unser armes Schiff ein, duschen es von vorn bis hinten, von unten bis oben. Baah, das hatten wir jetzt aber schon lange nicht mehr. Nach einer besonders fiesen Dusche, die auch mich voll erwischt, bin ich beleidigt und verziehe mich von meinem Lieblingsplatz an der Grossschot unter die schuetzende Sprayhood. Hadere, schmolle und fluche: “Sche… auf Antigua wenn das so einen Kurs bedeutet, dann will ich da halt nicht hin”. Motz, mecker, maul. Mein Gegenueber schweigt geflissentlich (kann er wirklich gut) und laesst mir Zeit zum wieder runterkommen.

uM UNS HERUM fliegen die weissen Pferde uebers Wasser und die fliegenden Fische springen wieder in ganzen Gruppen von Wellenkamm zu Wellenkamm. Die haben ihren Spass bei einem solchen Wetter. Oder fliegen letztere um ihr Leben weil ein Jaeger hinter ihnen her ist?stundenlang koennte ich so sitzen, mich an der Grossschot festhaltern, den Ruecken den anrauschenden Wellen zugewandt, ihnen hinterher schauen, wenn sie unter dem Schiff durchgerauscht sind und sich in der Weite des Atlantiks bzw. des karibischen Meeres verlieren. Rauh ist es, das Meer, ruppig und gar nicht freundlich. Salz auf der Brille, Salz brennt auf den Lippen. Anstrengend und schoen in einem.

Der Wind legt noch einen Zahn zu, wir reffen die Genua. Entschliessen uns etwas spaeter zum reffen des Grosssegels. Gehen wir halt ins dritte Reff. Gesagt, getan. Aber irgendwie ist heut nicht unser Tag in punkto Reffen. Die Leine des 3. Reff loest sich und laesst sich auch nicht wieder im zugeordneten Auge anbaendseln. Packen wir sie halt ins zweite Reff — warum sind wir da nicht frueher drauf gekommen??? Trotzdem kommt da kein richtiger Stand rein in die Sache. Wir bergen das Gross endgueltig. Bei der Aktion reisst uns ein Rutscher aus der Schiene — natuerlich der vorletzte vorm Kopfrutscher! Montag, der 13. — man sollte nicht losfahren, wenn man nicht wirklich dazu bereit ist, so rein innerlich. Muss ich eigentlich noch erwaehnen, dass die Logge jetzt gar nix mehr anzeigt, weder SOG noch FueG? Und das die Steuerbordbank geflutet ist, das sich darueber befindliche Buecherregal ebenfalls? Und dass bei der Segelbergeaktion das Vorderteil unserer elektrischen Troete an der Saling endgueltig abgerissen und aufs Deck gescheppert ist?

Um das Glueck vollstaendig werden zu lassen, laeuft mit uns ein dicker Zweimaster auf die Bucht von Deshaies zu. War ja klar. Die Bucht ist zudem schon gut gefuellt, die anvisierten Plaetze erweisen sich bei naeherer Betrachtung als zu eng. So liegen wir mal wieder ziemlich hinten und der Kaeptn haelt schon staendig Ausschau, ob jemand vielleicht Anker auf geht. Fehlanzeige. Statt dessen kommen noch 5 weitere Boote in die Bucht. Zwei davon nehmen Plaetze ein, die wir auch schon ins Auge gefasst und wieder verworfen hatten. Sind wir wirklich solche Schisser? Allen voran natuerlich ich.

Egal. Wir liegen gut; auf Augenhoehe mit “Hemingway”. Das ist in unserem Fall ein Restaurant oder Hotel. So genau kann man das nicht sagen. Und der Wind pustet auch hier in der Bucht kraeftig und teilweise mit ueber 26 Knoten! Da wird das einfangen des Grossfalls (das war naemlich auch nicht ordentlich festgemacht und wollte mal fliegen lernen) zu einem Balanceakt. Der dem sportlichen Skipper dann aber doch von den unteren Maststufen und mit Hilfe des Bootshakens gelingt. Den Punkt haetten wir schon mal abgehakt. Und meine Nachtruhe ist gesichert, es gibt kein “Tsching” wenn der Schaekel am Fall das Achterstag kuesst.

Und jetzt gehen wir in die Koje. Sind hundemuede. Ein Tag Segeln (also so knapp 8 Stunden) und wahrscheinlich 2-3 Tage Schadensbeseitigung. Das nenn ich mal eine ausgewogene Bilanz. Dazu das seelische, voruebergehende Tief der Bordfrau beim Anblick der hohen Wellen (was mach ich nur wenn mal richtig Sturm ist??). Das ist schon ganz schoen viel fuer die paar Stunden.