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Es riecht nach Schwefel, der Soufriere versteckt sich hinter hellgrauen Rauchwolken, fast wie Nebel. Wir stehen auf einem Huegel oberhalb der ehemaligen Hauptstadt Montserrat’s, Plymouth. Nur noch die Daecher der Haeuser sind zu sehen und am Stadtrand teilweise zerstoerte Gebaeude. In der Verbotszone befinden wir uns, in der man sich aber mit einer Ausnahmegenehmigung aufhalten darf. Und die haben wohl alle Taxifahrer, die Inselbesucher hierher fahren. Und natuerlich die Arbeiter, die entweder fuer den Abbau und die Verladung der Vulkanasche oder der Gesteinsbrocken zustaendig sind. Geliefert wird an alle benachbarten Karibikinseln, die irgendwie Bedarf haben. Aus der Not eine Tugend machen. Auch ein geophysikalisches Projekt ist entstanden, liefert Erdwaerme. Man ist aber erst in der Phase 1, trotzdem stolz auf das Projekt. Zu Recht, wie wir finden. Das Hotel, auf dessen Terrasse wir stehen, ist zum Grossteil zerstoert, die Boeden sind fast vollstaendig von dicken Erdschichten bedeckt. Schmale Trampelpfade ziehen sich hindurch, frei geschaufelt oder von unzaehligen Fuessen weg getreten. Farne wuchtert, die Natur holt sich hier auf den Inseln alles gnadenlos schnell zurueck. Im ehemaligen Pool ist eine Art Feuchtbiotop entstanden, mit hohen Graesern.

Unser Fahrer hat hier gelebt, im Sueden der Insel. Musste damals, in den neunzigern, beim ersten grossen Ausbruch des Soufriere bereits umziehen. Und 2010 haben 19 Menschen ihr Leben verloren. Erdbeben gab es die ganze Nacht hindurch. Heute liegt alles ruhig, verlassen und friedlich wirkend unter uns. Und auch wenn der Vulkan raucht, wirkt er nicht bedrohlich auf uns. Ist auch zu weit weg, um uns seine ganze zerstoerische Kraft auch nur ansatzweise spueren zu lassen. Aber man kann sie sehen. Ob wir nachempfinden koennen, wie sich die Menschen damals fuehlten? Wohl kaum. Wir erleben heute ein zwar vom Vulkanausbruch gepraegtes Montserrat, das aber vorwaerts strebt und versucht, aus dem Desaster das Beste raus zu holen.

Auf dem Rueckweg rumpeln wir ein zweites Mal durch das derzeit trockene Flussbett des Belham River. Ein beeindruckend grosser Iguana sitzt auf der Strasse, plustert sich kurz auf, erkennt die Uebermacht des Feindes und flitzt schnell ins Unterholz. Zu schnell fuer mich und meine Kamera. Schade, das war ein echtes Prachtexemplar. Spaeter sehen wir in Salem einen kleineren auf der Strasse liegen, ueberfahren, die Eier neben sich. Im Todeskampf noch versucht, fuer neues Leben zu sorgen. Es ist Legezeit fuer die Iguanas, das wird uns hier deutlich gemacht. Dabei wird hier nicht unbedingt gerast, man bremst schon weit vor dem Fussgaengerueberweg und machen Zwei- oder Vierbeiner auch nur ansatzweise Anstalten, die Strasse zu queren, stehen die Autos brav. Ich check das ja nicht immer gleich, bin voellig versunken in den Anblick moeglicher Fotomotive und lasse die armen Autofahrer hier dann gerne schon mal etwas laenger warten. Was sie auch ungewoehnlich brav machen. Wie hoch wohl die Strafe fuer das umfahren eines Fussgaengers ist?

Noch eine Stippvisite beim leider geschlossenen Observatorium. Aha, am Wochenende gibt es nix zu observieren. Wir verzichten auf einen Blick ins Innere, den wir trotzdem gegen Zahlung eines kleinen Bakschischs an den Gaertner haetten werfen koennen. Der Platz ist wirklich ideal fuer die Oberservierung des Vulkans. Steil geht es eine schmale Strasse wieder hinunter nach Salem. Das ist Salem?? Die paar Huetten?? Hatten wir uns irgendwie groesser vorgestellt. Eine Bar (war ja klar), gegenueber noch eine, zwei Kirchen, ein Friedhof, 3, 4 Shops — thats it. Willkommen im Zentrum von Salem. Bankomat/ATM? Weit gefehlt. Immerhin ist ein Stueck die Strasse rauf ein Supermarkt indischer Praegung. Warum riecht es nur immer so merkwuerdig in den Supermaerkten? Vorher aber besuchen wir noch den kleinen, unscheinbaren “Luv’s Cotton Store”. Die Inhaberin, Doris Dorsett, hat zwei Webstuehle im Shop stehen und stellt Stoffe her aus denen sie dann Kleidungsstuecke, Schals oder kleine Taschen arbeitet. Auch T-Shirts mit Montserrat-Werbung werden verkauft, alles aus reiner Baumwolle. Die wurde frueher hier auf Montserrat angebaut, heute leider nicht mehr. So muss sie die Baumwolle importieren. Aber alles ist handmade. Sowas muss unterstuetzt werden, also erwerben wir einen Schal als Andenken an die Insel. Wir wandern weiter, vorbei an den beiden Kirchen, von denen die eine als “Hurrikan shelter” ausgewiesen ist und die andere einen Friedhof hat, der von Huehnern bewohnt wird. Auf der Terrasse eines Hauses flechten sich zwei junge Frauen gegenseitig die Haare waehrend die Kinder um sie herum toben und wir fragen uns zum wiederholten Male, warum auch hier — ausserhalb der Vulkanzone — wohl so viele und eigentlich ganz huebesche Haeuser ganz offensichtlich unbewohnt sind.

Wir stehen uns eine Weile die Beine in den Bauch vorm Supermarkt (in Erwartung eines uns nach Little Bay verschleppenden MaxiTaxis), beobachten den gegenuberliegenden Gemuesestand und die an- und abfahrenden Kunden des Supermarktes, werden freundlich von allen begruesst und gefragt, wie es uns geht. Werner inspiziert fachmaennisch die beiden Reefer-Container, die neben dem Markt ihre Kuehlaggregate an die Steckdosen geklemmt haben. Zwei Taxibusse sind schon in die Gegenrichtung gefahren, bislang aber noch keiner wieder zurueck gekommen. Vielleicht machen die ja an der Bar Mittagspause? Es ist ja schon fast Lunchtime. Gerade sind wir frohen Mutes ein paar Meter weiter gelaufen, da kommt einer der Busse von hinten auf. Winken, einsteigen, los geht es. Zwischen einigen Kurven klaert der Fahrer telefonisch elementare Dinge mit Freunden und Familie. Immerhin faehrt er langsam und die Strassen sind in gutem Zustand. In Brades steigen wir aus, zwecks Aufstockung unserer Geldvorraete. Die einzigen ATM’s der Insel befinden sich hier. Der eine akzeptiert nur Visa, der andere schluckt auch andere Kreditkarten.

Beim Verlassen der Bank treffen wir Cherise wieder, die nette Dame vom Touristbuero in Little Bay. Die uns mit ihrer Kollegin im Auto schon mal mit nach Brades genommen hatte, am Freitag. Grosses Hallo und ausfuehrliches Erzaehlen, was wir gemacht haben, wie wir die Insel finden etc.. Auf unsere Befuerchtung, dass das Projekt “Neue Hauptstadt Little Bay” vielleicht etwas zu ambitioniert sei und die Insel viel von ihrem Charme dadurch verlieren koennte, troestet uns Cherise: der Wechsel in der Regierung im vegangenen Jahr hat schon einiges veraendert, der urspruengliche Plan wird wohl so nicht mehr umgesetzt werden. Das laesst hoffen. Auf einen sanften und fuer alle vorteilhaften Sprung in die Zukunft von Montserrat.

Gemaechlich wandern wir die Strasse bergab — nix los heute, fast alles ist geschlossen, nur wenige Autos sind unterwegs - schauen uns noch Feuerwache, Verwaltungsgebaeude (neue und ehemalige), die Polizeistation und das Gefaengnis an. Das, was wir von der Ankerbucht aus auf einem Berg sehen koennen, ist tatsaechlich ein Gefaengnis. Wenn auch nicht so gross, wie vermutet. Aber immerhin. Ein Stueck weiter findet unter einem gelb-weiss gestreiften Zirkuszelt eine Gospelveranstaltung statt. Unzaehlige Autos und festlich gekleidete Menschen stroemen aus dem Zelt und wieder hinein. Und in der Little Bay werden wir dann noch Zeuge einer Meerestaufe. Das koennte ich mir fuer mich auch vorstellen, mit Meerwasser getauft zu werden. Bis zur Brust stehen Taeuflinge und Priester im Wasser, die Gemeinde hat sich am Strand versammelt. Und nebenan in der Bar Soca Cabana bereitet sich der Inhaber auf den heutigen Karaoke-Abend vor. Lebendiges und doch so ruhiges, beschauliches Montserrat. Das mit seinen gut ausgewiesenen und in einer Karte beschriebenen Wanderwegen bestimmt noch viele Moeglichkeiten der Entdeckung bietet. Wobei wir das wichtigste, die freundlichen Einwohner von Montserrat, schon laengst entdeckt haben.

Und fuer alle, die der finanzielle Aspekt unserer heutigen Tour interessiert: normale Busfahrt fuer zwei Personen von der Carr’s Bay bis Salem = 1o ECD, Verhandlung mit dem Busfahrer fuer die Fahrt ins Vulkangebiet sowie den Abstecher zum Observatorium und zurueck ins “Zentrum” von Salem = 50 ECD. Er wollte eigentlich 25 USD, haetten wir auch bezahlt. Insgesamt wollte der Fahrer (dessen Name mir bloederweise partout nicht mehr einfallen will) von uns auch wirklich nur 60 ECD! Wir hatten mit mehr gerechnet, allein schon aufgrund des Observatorium-Abstechers, der urspruenglich nicht vereinbart war. Hier am Hafen stehen immer einige Taxifahrer, die ihre Rundfahrtdienste anbieten. Die sicherlich auch nicht schlecht sind. Da uns aber die offerierten Preise fuer 2 Stunden mit 80 USD bzw. sogar 100 USD einfach zu hoch waren, haben wir einfach den Busfahrer gefragt, mit dem wir fuer den normalen Busfahrpreis bis Salem gefahren sind. Fuer uns war das eine sehr positive Erfahrung. Er faehrt uebrigens einen feuerroten Minibus, am Heck die Aufschrift “hit me, I need the money”. Vielleicht faehrt er den Bus ja noch lange — obwohl die Geraeusche von den Achsen das Gegenteil befuerchten lassen. Aber die karibischen Autos sind ja sehr belastbar.