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So ein Osterwochenende auf Nevis ist schon interessant: ganze Heerscharen pilgern zum Strand. Der Parkplatz ist gut gefuellt, ueberall werden improvisierte Strandbars aufgebaut. 20koepfige Grossfamilien lagern unter einem der Strohschirme, spielen im Wechsel Volleyball und staerken sich mit Rumpunsch aus 2-Liter Fantaflaschen, scheint eine gute Mischung zu sein, die Spielpausen sind haeufig. Uli von der Voodoochile mischt sich unters Volk, haut den Ball kraeftig uebers Netz. Wir anderen sitzen im Schatten und schauen zu, dokumentieren alles via Fotoapparat. Lautes Gekicher der halbwuechsigen Maedels, die nicht mitspielen, meistens Chips futtern und beim Baden im Meer ein Plastikhaeubchen ueber die kunstvoll geflochtene Haarpracht stuelpen.

Der Musikmischmasch reizt unsere Gehoergaenge bis aufs AEusserste. Von verschiedenen Seiten droehnen uns wahlweise aktuelle Soca-Titel oder — fuer uns durchaus hoerenswerte — Rock- und Poptitel in die Ohren. Was hast Du gesagt?? Die Beschallung geht bis tief in die Nacht, in der zweiten Nacht wird schon die Einnahme von Schlaftabletten ernsthaft in Erwaegung gezogen bzw. teilweise auch umgesetzt. Was prompt den Start in den neuen Tag nicht ganz so frisch gelingen laesst, Frau fuehlt sich etwas matt. Ich wusste schon, warum ich auf dieses Hilfsmittel verzichte.

Warum ich mich dann trotzdem beim Anlanden am Strand derart ungeschickt anstelle, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes mit dem linken Fuss im Sand aufkomme, strauchele und mich ruckizucki erst einmal auf den Hosenboden setze (natuerlich im Wasser und natuerlich mit kompletter Wandermontur), das ist mir ein Raetsel. Benebelte Sinne durch Tabletten- oder gar Alkoholkonsum sind jedenfalls nicht daran schuld. Dem Kaeptn treibt es lediglich ein haemisches Grinsen ins Gesicht — “jetzt siehste mal, wie mir das sonst geht”. Stimmt, der Spezialist in Vollbaedern mit Montur ist eigentlich er. Immerhin geht bei mir nur ein Paeckchen mit Tempo-Taschentuechern baden, auf Handy und Portemonnaie habe ich — vielleicht in weiser Vorahnung — verzichtet.

Da es allerdings heute des oefteren regnet, faellt es nicht so wirklich auf, dass ich schon reichlich durchnaesst bin. Immer wieder jagen graue Regenwolken ueber den Mount Nevis und laden ihre Fracht genau ueberm Strand ab. Die fuer irgendwelche Tagestouristen extra aufgestellten Sonnenschirme in einheitlichem Blau und Beige (passend zu den gestreiften, auf jeder Liege parat liegenden Handtuechern) werden schon bald wieder weg geraeumt. Strandtag mit viel Regen, das ist wohl nicht so prickelnd im Urlaub. Die ,locals’ stoert das weniger. Unverdrossen wird gebadet, gegrillt, getrunken oder auch im Sand ein kleines Nickerchen gehalten.

Nur am Strand liegen ist jetzt nicht so unser Fall. Also suchen und finden wir einen Weg, der unweit vom Strand in die Botanik fuehrt und zum sog. Heritage Trail von Nevis gehoert. Ein entsprechendes Schild weist uns die Richtung. Wenige Meter weiter stehen wir vor der naechsten Hinweistafel und vor den Resten eines einstmals imposanten Herrenhauses, dem Montravers Estate. Erbaut im 18 Jahrhundert von der hochnoblen Familie Pinney. In den Resten des Dachgebaelks haengen Fledermaeuse, in dicken Trauben. Werden etwas unruhig und aufgeschreckt durch unsere Begeisterungsrufe. Denn direkt daneben steht ein Baobab-Baum! Mein erster leibhaftiger Baobab. Und dann gleich ein so beeindruckender, ich bin hin und weg. Der Stamm hat einen Umfang dass man mindestens 8 Leute benoetigt, um ihn zu umfassen. Die Rinde ist knubbelig und die Wurzeln ragen dick und verzweigt teilweise aus dem Boden heraus. “Sieht aus wie eine Huehnerkralle”. Schade nur, dass dieses Prachtexemplar von anderen Baeumen und Schlingpflanzen umgeben ist, dass man ihn vom Weg aus kaum wahrnimmt. “Der gehoert doch frei geschnitten, was fuer eine Schande”. Raeumaktionen werden im Geiste durchgefuehrt, das notwendige technische Geraet schon geplant, man(n) ist ja vom Fach und weiss, was hier eingesetzt gehoert. Und was machen wir mit den Steinruinen? Vielleicht ein Baobab-Caf? oder sollten wir die alte Sklavensiedlung auch noch gleich ausgraben, wieder aufbauen und alles zu einem lebendigen Museum herrichten? Gelungene Beispiele fuer den Wiederaufbau solcher steinernen Geschichtszeugnisse gibt es auf den Inseln hier ja bereits. An Phantasie fehlt es uns ja bekanntlich definitiv nicht, wir spinnen alle Variationen durch bis der weitere Weg dann derart ansteigt, dass es uns voruebergehend den Atem raubt. “Private property — please treat with care”. Ein Nachfahre der kolonialen Pinney-Familie erlaubt das Betreten seines Grund und Bodens. Wir geloben, vorsichtig zu sein mit dem Privatbesitz, runden das Tor (einen Zaun gibt es nicht) und erreichen kurz darauf die steinernen UEberreste einer alten Zuckerrohrfarm mit Distillerie. Ganz offensichtlich im Wiederaufbau begriffen. Einiges an Urwald ist bereits gerodet und frei geraeumt. Vom entstandenen Plateau hat man einen grandiosen Blick auf Strand, Mooringfeld und das Meer. UEberall stehen metallene UEberreste der Zuckerrohrverarbeitung herum. Inschriften kuenden von ihrer Produktionsstaette. Glasgow scheint seinerzeit DAS Zentrum zur Produktion der diversen Maschinen und Bottiche aus Stahl gewesen zu sein, die man fuer den Betrieb einer Rumdistillerie benoetigte.

Wir streifen eine ganze Weile uebers Gelaende, sitzen in den noch leeren Fensternischen, plaudern ueber alles Moegliche, lassen die absolute Stille auf uns wirken. Die wird nur unterbrochen vom hohlen “Huhu” der Tauben. Kein Rauschen wie es bei uns in den Waeldern zu hoeren ist, kein Rascheln, keine laute Musik. “Wollen wir weiter?” Wir wollen. Fuer den Rueckweg schlagen wir uns allerdings seitlich in die Buesche, folgen einem unscheinbaren Trampelpfad der allerdings bemerkenswert auffaellig mit rosafarbenen Baendern gekennzeichnet ist. Die Herren unken, dass wir irgendwann nicht mehr weiterkoennen und alles wieder zurueck gehen muessen; die Damen dagegen sind absolut sicher, dass es sich um einen feinen Rundweg handelt, der uns viele neue und interessante Eindruecke bietet. Und tatsaechlich: wir laufen durch ein tiefes Bachbett, in dem knorrige Wurzeln sich um Steine herum schlingen, balancieren ueber eine breite Stuetzmauer, aus der uralte, rostige Wasserrohre ragen und hangeln uns an den auch hier teilweise gespannten Gurtbaendern ueber besonders schwierige Abschnitte kleine Haenge hinauf oder hinunter. “Uaahh” — Uli spielt Jane, packt eine Liane und verzieht angewidert das Gesicht: boah, was stinkt das hier! Ihre Haende sind ueberzogen von einer glitschigen, ekelerregend riechenden Schicht. ,Musst Du denn auch alles anfassen!’.

Der Weg endet an einem gepflegten Zufahrtsweg zu irgendeinem noblen Estate. Mit tollen Villen auf extrem gruenen Rasen, umgeben von Blumenbeeten, Baeumen. Vor einem Haus plaetschert ein Pool — sehr einladend. Zuhause scheint nirgendwo jemand zu sein, die Laeden sind verschlossen, kein Auto stoert die Ruhe oder die auf der Strasse sitzenden Affen. Eine Gaertnerei und eine Art Bauhof scheinen ebenso zu der Anlage zu gehoeren wie ein Golfplatz. Der gleich drei Abschlagstellen hat, was ungewoehnlich sei, wie mir die seit neuestem Golf-bewanderte Uli erklaert. Nirgendwo eine Menschenseele ausser uns. Und das am Ostermontag- Nachmittag. Unglaublich.

Durch eine Art Neubaugebiet mit Haeusern im nicht wirklich traditonellen Baustil kommen wir wieder zurueck zum Strand. “Das war doch ein wirklich feiner, interessanter und lauftechnisch gar nicht so anspruchsvoller Rundweg”. Die Damen heischen Lob, die Maenner nicken etwas sparsam. Begeisterung sieht ja etwas anders aus meine Herren.

Der Strand ist zwischenzeitlich noch mehr bevoelkert, die Musik wummert unverdrossen aus allen Richtungen. Auf den Dinghies haben es sich mittlerweile einige Locals bequem gemacht und sind auch nicht wirklich schnell zum Verlassen ihrer Sitzgelegenheit zu bewegen. Uli aergert sich ueber den vielen Sand im Dinghi drinnen, der ist nur schwer wieder raus zu bekommen. Immerhin gibt es Hilfe beim ins Wasser tragen.