18.02.2015 — Die heiligen Inseln oder die Inseln der Heiligen?

Auf jeden Fall fuer uns die Inseln der engen Einfahrt in so starkem Regen, dass wir kaum noch etwas erkennen koennen. Es lebe der elektronische Kartenplotter, der uns an Felsnasen und Flachstellen vorbei manoevriert. Trotzdem sehe ich — am Ruder stehend, ueber die Regenbetropften Brillenglaeser linsend weil dann deutlich besser sehend (und das als extrem kurzsichtige) — schon lieber in echt, wo ich langsfahren muss. Wenn dieses “Echt” allerdings in einer grauen Regenwand versinkt und aus dieser Wand auch noch ein Schoner und Segeln heraus auf uns und die wirklich nicht breite Einfahrt zuschiesst, dann kann ich mir ein herzhaftes Fluchen nicht verkneifen. Und schwoere mir, nie nie wieder eine solche Ansteuerung unter solchen Bedingungen zu machen. Klar, dass der Wind sich ebenfalls einen Teufel um solche Dinge wie “Windschutz unter Land” schert und uns nochmal ordentliche Boen schickt, die die Segel knattern lassen. Die Genua ist schon eingerollt (wenigstens etwas) und nach der Durchfahrt zwischen den Felsen und Inselchen wird das Wasser nochmal etwas tiefer, Platz und Gelegenheit, auch das Grosssegel zu bergen. Unter Maschine geht es um eine weitere Felsnase, ankernde Yachten wohin wir schauen. Wo aber sind jetzt die besagten Moorings und die gelben Bojen, welche die Ankerverbotszone markieren? Wo ist Andori, die kleine rote Yacht unter der ebenfalls roten Schweizer Flagge? Von Andori ist weit und breit nix zu sehen, auch der Faehrsteg, neben dem sie liegen soll, ist fuer uns nicht so ohne weiteres erkennbar. Dafuer sehen wir eine andere rote, sehr vertraute Yacht vor Anker liegen und der Kaeptn bricht in Freudengeheul aus: die Voodoochile!! Ohne Beiboot schaukelt sie so vor sich hin, die Crew ist ausgeflogen, sitzt im Caf?haus an Land wie sich wenig spaeter herausstellt.

Wir kreisen erstmal, finden endlich auch das Bojenfeld. Ein Catamaran unter franzoesischer Flagge schiesst halsbrecherisch dicht zwischen dem Bug eines Mooringliegers und uns vorbei. Auf dem Vorschiff bewaffnet sich die Borddame mit einer Leine. Ah, da hinten ist eine Mooring frei geworden und der Franzose hat uns eiskalt ueberholt. Das Serviceboot bedauert sehr, alle Moorings sind belegt, aber es werden immer mal wieder welche frei. Man muss halt schnell sein — siehe Franzosencat. Waehrend wir so kreiseln duest ein Schlauchboot auf uns zu: Peer! Auch die Voodoochile wuerde gerne an eine Mooring gehen, hat auch schon eine reservieren koennen, will uns aber den Vortritt lassen. So ein Quatsch. Wir gehen vor Anker, unweit der Demarkationslinie, der imaginaeren.

Der Wind pustet unverdrossen, na das kann ja heiter werden. Dinghi ins Wasser, schnell noch eine Dusche nehmen, dann geht es erstmal zur Andori. Die haben einen Logenplatz in der ersten Reihe. Aber selbst hier ist es nicht wirklich windstill. Regen hatte es die ganzen 3 Wochen so gut wie nie. War ja klar, wenn wir kommen, regnet es! Ansonsten sei es absolut paradiesisch hier, es laesst sich gut aushalten in dieser kleinen Inselwelt, die wieder einmal ein Stueck Frankreich repraesentiert.

Mittagessen und Erlebnisaustausch auf der Voodoochile. Nebenan wird die Boje frei. Letzte Chance, einen Bojenplatz zu ergattern. Wir verzichten. Der Anker haelt und wir wollen ja auch nicht lange bleiben. Warum eigentlich nicht? Das Besuchsargument ist natuerlich schlagend und wir bekommen gleich noch ein paar Tipps fuer St. Martin/Sint Maarten. Ach ist das schoen, die Freunde wieder zu sehen, zusammen zu sitzen, zu erzaehlen.Wir tauschen uns aus ueber Plaene, Wuensche, kommende Ziele. Darueber, dass es doch oft irgendwie die Lebensplaene der Maenner sind und wir Frauen uns die irgendwie angeeignet haben, sie mittragen, mitleben.Einmal um die Welt oder doch noch mehr Zeit in der Karibik verbringen? Nach Venezuela oder doch eher nicht? Zurueck nach Europa, noch etwas Zeit auf den Azoren verbringen? Die Sommermonate in Europa leben, sich einen Job suchen, Geld verdienen und dann weiter reisen? Mehr Zeit mit Familie, Kindern, Enkelkindern verbringen koennen? Was verpasst Frau zu Hause? Das erste Wort, die ersten Schritte. Das troesten, wenn die Traenen fliessen, das freuen, wenn die ersten Baukloetze gestapelt werden. Aber was koennen wir unseren Enkelkindern irgendwann mal alles erzaehlen? Irgendwann sind wir die Abenteuer-Omas, die Nomas, die spannende Geschichten erzaehlen und fremdlaendisch klingende Lieder singen. Die den Klang der Trommeln noch im Blut haben und in Kopf und Fuessen noch fit sind. Eine gewisse Unruhe haben wir im Blut. Auch wenn wir seufzend ein laengeres Still-Liegen herbei wuenschen, ein Ausruhen, Rasten, Zeit haben fuer kleine Alltaeglichkeiten, ausserhalb von Ersatzteilsuchen und Reparaturen. Waeren wir wirklich gluecklicher, zufriedener in einem Leben an Land?

Die Zeit fliegt und wir wollten doch noch einklarieren. Also noch schnell an Land fahren, ein erster Bummel durch den Ort, durch ein Stueck Europa. Mit Carrefour, Eurowaehrung, franzoesischer Sprache und natuerlich lecker-knusprigem Baguette! Ein- und Ausklarieren via Computer, fuer schlappe 2 Euro. Nebenan kann man auch gleich die Waesche waschen und trocknen lassen. Wie praktisch. Wie klarieren auch gleich schon wieder aus, sind ja lernfaehig. So wirklich interessiert es hier ja eh niemanden, wann man kommt oder geht.

Pittoresk ist der Ort. Fotogen und irgendwie ein Disneyland fuer Segler. Nein, das wird ihm nicht gerecht. Er ist einfach nett, putzig, auf den ersten Blick schon ansprechend. Gesang toent aus der kleinen Bilderbuchkirche, ueberall kann man Motorroller mieten, Elektroautos schrecken uns immer wieder von der Strassenmitte weg, Fetzenlaeden reihen sich aneinander und machen den Bummel fuer die Maenner zu einem mittleren Albtraum, verschwinden doch die Damen immer wieder in einem der kleinen Haeuser und werden fuer laengere Zeit nicht mehr gesichtet. Gut, dass es ausreichend Bars und Kneipen gibt, in denen man die Zeit ueberbruecken kann, wenn es mal wieder laenger dauert. Mit Blick auf die Bucht oder auf das Gewimmeln in den kleinen Gassen, ganz wie man es mag.

In der zweiten Reihe geht es deutlich beschaulicher zu. Leider hat der Baecker geschlossen und im kleinen Supermarkt nebenan ist das Knusperbrot schon ausverkauft. Ein Haus an der Seite der Bucht faellt uns besonders ins Auge: wie ein Schiffsbug ragt es aus dem Fels, mit Ankerkette und Aufbau darueber. Das Haus des hiesigen Medizinmannes. Sehr originell.

Wir schmieden Plaene fuer den naechsten Tag. Wollen wenigstens noch ein klein gemeinsam unternehmen. Vielleicht ein Ausflug mit dem Dinghi zur kleinen Insel gegenueber, mit Fussmarsch zum Fort und Picknick? Hoert sich gut an. Das sollten wir angehen. Fuer heute reicht es uns, im Dunkeln wird das Mutterschiff gesucht — hatten wir irgendwie nicht so weit rechts vermutet …. Gut, dass das automatische Ankerlicht aktiviert ist und uns den Weg weist. Es rollt und schaukelt, ruhig ist der Liegeplatz hier wahrlich nicht. Selbstgemachte Leiden, die Boje im deutlich ruhigeren Leebereich der Insel haben wir ja verschmaeht.

Ein schoener Segeltag liegt hinter uns; mit Wind zwischen 15 und 25 Knoten der uns bis zu 9 Knoten schnell von Dominica zu den Illes des Saintes geweht hat, Wellen die es wieder haben krachen lassen, erstaunlich wenig Regen dafuer viel Salzwasser an Deck. Schoen, aber auch anstrengend. Und ein Ankommen bei Freunden, an einem schoenen Platz in dieser karibischen Inselwelt.