St. Lucia – Rodney Bay

Hier treffen wir sie (fast) alle wieder, die Seezigeuner und –nomaden der Karibik, die wir auf Trinidad kennenlernen durften. Hier liegen La Favorita, Nereus, Resolute, Allycat, Sapphire und wie sie alle heissen. Vor Anker, am nobel-breiten Holzsteg oder wie wir in der Lagune der Verlassenen an einer Mooring. Lagune der Verlassenen? Wir fuehlen uns hier schon etwas komisch, sind doch fast alle anderen Boote um uns herum nicht bewohnt, wirken einsam und verlassen. Am Abend ist es also extrem ruhig um uns herum, da auch das Gros der noblen Ferienhaeuser ebenfalls unbewohnt ist.

Wir finden unseren Liegeplatz recht praktisch. Mit dem Dinghi ist es nicht allzu wSt. eit zur Marina und all ihren Annehmlichkeiten wie Duschen, unzaehlige Bars und Restaurants, kleinem Supermarkt, Segelmacher, Laundry, Bootszubehoer, Duty-Free Shop, Swimmingpool, Bank mit ATM, Bushaltestelle (direkt vor der Marina). Oder wir fahren noch etwas kuerzer in die Suedwestecke der Lagune, wo ebenfalls ein Dinghi-Steg exclusiv fuer die Besucher der Shopping-Malls oder des direkt an der Wasserfront liegenden Restaurants angelegt wurde. Sehr praktisch. Was der junge Local fuer eine Aufgabe hat, ausser heftig zu winken, wenn sich ein Dinghi naehert, erschliesst sich uns mal wieder nicht so recht. Wir sind aber auch manchmal begriffsstutzig.

Freitag – Werner schnitzt mit tatkraeftiger und fachmaennischer Unterstuetzung von John (wie der Name unschwer erkennen laesst handelt es sich um deutschsprachigen Schweizer) an unserer Ankerwinsch bzw. an dem Zahnkranz herum. Dessen „Zaehne“ sind quasi nicht mehr vorhanden. Warum, wieso – grosses Raetsel, auch John hat keine Erklaerung dafuer. Jedenfalls scheint das der Grund fuer die Winschblockade zu sein. Und da die uns hier angebotenen Ankerwinschen preislich sehr exclusiv und jenseits unseres Budgetrahmens sind, hoffen wir auf eine provisorische Reparatur, die bis zu unserem Sommerlager durchhaelt. Dann wollen wir eine neue Winsch aus Deutschland mitbringen. Bei einem Preisunterschied von um die 600 Euro kann man das schon mal machen, finden wir.

Am Abend geht es dann zum Jump up oder auch Chicken Party genannt. Im kleinen Fischerdorf Gros Islet, das nur wenige Minuten zu Fuss von der Marina entfernt ist. Stark in der Gruppe (3 Paare) trauen wir uns auch nach Einbruch der Dunkelheit ohne Taxi und per Pedes dorthin und auch wieder zurueck in die Marina. Ein Teil der Dorfstrasse ist fuer den Autoverkehr gesperrt und alle Haeuser sind zur Bar oder Restaurant umfunktioniert. Der Ortskern scheint aus einzigen Fress- und Trinkmeile zu bestehen. Haushohe Lautsprecherboxen sorgen fuer die entsprechende Beschallung und zu vorgeruerckter Stunde wippen Locals und weisshaeutige Touristen Seite an Seite durch die Strasse. Unzaehlige Huehner mussten fuer diesen Abend ihre Beine opfern, Aber auch Lobster, Nudelgerichte, Salate, Pommes und Fleischspiesse werden ueberall angeboten und von den unzaehligen Grills zieht wahlweise beissender Rauch – oder verfuehrerisch duftender Grillfleischgeruch an den Nasenfluegeln vorbei. Kein Wunder, dass es nur so von Hunden wimmelt; rappelduerr meist haben sie schnell raus, wer von den Zweibeinern ihnen was abgibt. UEberlebenskuenstler auf vier Beinen. Ob vielleicht La Favorita morgen einen Bordhund hat? Der kleine schwarz-braune, der haette doch ein handiges Format. Lydia und Horst wehren energisch ab. Nein, nein, keinen Hund an Bord. Kommt uns bekannt vor.

Wir sitzen an einem einfachen Holztisch vor einem Restaurant, das im typischen Holzhausstil an einer Strassenecke steht. Die Damen am Grill haben alle Haende voll zu tun und Eimerweise wandern die marinierten Huehnerbeine und Koteletts auf den Grill. Im Fenster, etwas erhoeht und somit mit vollem UEberblick, sitzt die Oma. Eine Plastikdose vor ihr nimmt die Dollarscheine auf und spendet Wechselgeld. Ein eintraegliches Geschaeft wie uns scheint. Gegenueber geht es etwas vornehmer zu. Die gefuellten Lobster und Nudelauflaeufe oder Reisgerichte warten vornehm und nicht allzu lange hinter Glas auf hungrige Kundschaft. Gleich daneben wird Kunst und Kitsch angeboten. Ringe, OElgemaelde, Holzschnitzereien.

Beim Anblick der meist schlichten Holzhaeuser ueberkommt uns die Frage, von was die Einwohner wohl leben wuerden, wenn sie nicht dieses Freitagabend-Spektakel fuer die Touristen veranstalten wuerden? Was war hier vorher? Wie ist dieses Spektakel entstanden? Ob wohl einige der Restaurantbesitzer in einer der schicken Villen rund um die Lagune wohnt? Wir wandern langsam wieder zurueck Richtung Marina. In der Hoffnung, eine nette Bar etwas abseits vom Rummel zu finden, in der wir noch einen Absacker nehmen koennen. Die stark nach Pott riechende Holzhuette entspricht dann aber doch nicht so unseren Vorstellungen. Und auch wenn Arno und Juergen in irgendwelchen Erinnerungen schwelgen beim Anblick der grossen Tankstelle – da wollen wir auch nix trinkbares holen und uns eine der Zapfsaeulen stellen. Nomen est Omen. Und schon sind wir auch wieder in Hoehe der Marina angekommen. Gegenueber vom Marinagelaende reihen sich Verkaufswagen und –staende aneinander. Aggregate wummern, Musik. Der Gehweg ist durch einen hohen Zaun von der stark befahrenen Strasse getrennt. Wird wohl seinen Grund haben. Ein grosser Hardwarestore verkuendet auf einer ueberdimensionalen Leuchtsaeule, was er alles im Angebot hat. Eine Bierlaenge reicht nicht, um zu erfahren, was man bei Johnsons alles erwerben kann.

Das war also unsere erste Chicken Party auf St. Lucia. Vom Musikangebot sind wir etwas enttaeuscht. Schade, dass keine Steelband aufgespielt hat. Sind wir doch an einem Proben-Container einer solchen Band vorbei gekommen und hatten die stille Hoffnung, dass diese sich fuer ihren spaeteren Auftritt warm spielt. Kann man nix machen, die Atmosphaere und die Eindruecke waren trotzdem gut. Nur schade dass ich mich nicht getraut habe, einen Fotoapparat mitzunehmen.

Von St. Lucia sehen wir sonst nichts mehr. Der Montag, als Gasflaschenfuelltag eingeplant, soll eigentlich noch fuer eine kurze Sightseeing-Tour genutzt werden. Dann faellt uns der neu erworbene Wassersammler aus Plaste in die Finger. Da war doch was. Vielleicht koennten wir uns ja weitere Bilge-Auspumpaktionen ersparen indem wir das Ding jetzt endlich aus seinem Kartondasein erloesen und den metallenen, poroesen Kameraden durch ihn ersetzen. Gesagt getan. Leider hat sich da jemand vermessen und wir haben den falschen Wassersammler von Deutschland in die Karibik geschleppt. Der im Karton ist nur fuer Schlauchanschluesse von 50mm geeignet, wir benoetigen aber einen fuer 60mm. Sowas wird doch tatsaechlich auch von Vetus produziert, haette man also gut bekommen koennen. Da der alte Sammler nun schon ausgebaut ist, wird er kurzerhand mit Epoxy ausgegossen. Es lebe das Provisorium!

Erstaunlicherweise sind die Uhrzeiger noch nicht viel weiter vorgerueckt. Das Epoxy im Wassersammler muss haerten und trocknen, dem restlichen Chaos im Schiffsinneren (ja, ich weiss; wann haben wir das mal nicht?!) kann derzeit auch noch nicht zu Leibe gerueckt werden. Also ab ins Dinghi und an den Strand. Ein kleiner Fussmarsch fuehrt uns an der Kneipenmeile entlang. Ob hier in der high season wirklich ausreichend hungrige und vergnuegungs-durstige Menschen aufschlagen, um all diese Etablissements zu bevoelkern und die Taschen ihrer Besitzer zu fuellen? Nicht so wirklich vorstellbar.

Am Strand herrscht immerhin etwas Leben. Gut 1/3 der aufgestellten Sonnenliegen sind doch tatsaechlich besetzt. Schoen bunt alles hier. Und nein, wir benoetigen weder ein Wassertaxi noch gedenken wir eine der zahlreich angebotenen Holzschnitzereien zu erwerben. Die werden weiter vorne direkt an der Strasse gekloeppelt. Direkt dahinter eine stinkende Wasserlache. Zum stehenbleiben und Kaufen animiert der Geruch nicht unbedingt. Ein anderer Standort waere sicherlich verkaufsfoerdernd. Ob ich wohl mal eine Anmerkung mache? Nein, der gute Mann ist so in sein Klopfwerk vertieft, da wollen wir nicht stoeren.

Mittagessen in der Shopping Mall. Die hier ansaessigen Geschaefte scheinen ebenfalls ihren einzigen Zweck zu haben, die Kaufgelueste der Touristen zu befriedigen. Abgesehen von ein paar Mode- und Schuhlaeden gibt es Souvenirs, Parfuem, Wein, Rum und Nippes aus Ton. Es regnet. Auf dem Dach der Mall trommeln die Tropfen ihr lautes Lied und einige Passanten fluechten sich in die Mall. Kurze Zeit spaeter ist alles wieder vorbei und wir fluechten uns in unser privates Wassertaxi, entern den Pool in der Marina! Nicht ganz so glasklar das Wasser hier und auch das Ambiente ist eher bescheiden. Aber immerhin – endlich wieder Chlorwasser und trockensonnen auf einer Liege.

Puenktlich um 16 Uhr ist die grosse spanische Gasflasche wieder voll. Rodney Bay ist die letzte Anlaufstelle, um spanische Gasflaschen fuellen zu lassen. So sagt man uns und eigentlich ist es auch wurscht, sie ist am Samstag Abend leer geworden und muss neu gefuellt werden, so oder so und voellig egal, wo. Hauptsache, wir muessen keine 12 KG Flasche Kilometerweit durch die Gegend schleppen. Ausklariert wird noch so zwischendurch, ein Paeckchen fuer eine andere Yacht im Marina-office abgeholt, dann geht es zurueck in unsere wohnliche Schiffshoehle. Chaos beseitigen, den Aussenborder hoch nehmen (darauf bestehe ich dieses Mal) und alles schon mal soweit reisefertig machen. Jetzt koennen wir los, morgen in der Frueh. Martinique wir kommen. Und die Illes des Saint ruecken damit auch naeher. „Hier ist das Paradies“ haben uns Freunde geschrieben und wir sollen schnell kommen. Na, mit dem schnell ist bei uns so eine Sache. Aber wir kommen. Und weil die Freunde auch nicht so die schnellsten sind in punkto weitersegeln, treffen wir sie dort ganz bestimmt.

Schilderwald in der Rodney Bay - alle werben um die Gunst der Konsumenten

Schilderwald in der Rodney Bay - alle werben um die Gunst der Konsumenten Kunsthandwerker an der Strasse - leider ist der ihn umgebende Geruch von fauligem Wasser nicht gerade verkaufsfoerdernd Pavillon am Strand der Rodney Bay