Der Duft der grossen Arbeitswelt hat uns wieder. Auch die Geraeuschkulisse ist eine voellig andere. Und ganz still steht das Boot (zum Glueck!). “Sind wir vorne etwas mit der Nase nach unten gegangen??” Der Kaeptn steht im mittlerweile nicht mehr ganz so weissen Arbeitsdress vor mir. Ein Riss ziert das linke Hosenbein, ein weiterer seine Stirn. Ergebnis des zweiten, offensichtlich heftigeren Zusammenpralls mit der Kette die von einem Lagerbock zum gegenueberliegenden gespannt ist. Zwecks Fixiierung. Ist wohl ziemlich fix und wenig nachgiebig. Wenn dann der sauerlaendische Dickschaedel dagegen anlaeuft, das hinterlaesst Spuren. An der Kette allerdings weniger sichtbare. Aber zurueck zum “runter gehen”. Nein, wir stehen von Anfang an leicht vorwaerts-abwaerts geneigt. Minimla, aber durchaus spuerbar beim Gang Richtung Vorschiff.

Waehrend ich 100 Meter Edelstahlkette zwecks Korrosionskontrolle erstmal saeubere, geht der Kaeptn seiner Werftlieblingsbeschaeftigung nach: schleifen und malern. Da ist er echt eigen und laesst niemanden an unser schon wieder ueberholungsbeduerftiges Unterwasserschiff ran. Alle Jahre wieder. Kleine Pocken zierten unseren Rumpf. Aber Dank intensiver Schabearbeit in Jacare und den selbstreinigenden Kraeften des Paramaribo Flusswassers haelt es sich in Gren

Um uns herum wird ebenfalls geschliffen und gemalert, geprimert, laminiert, lackiert was die Farbrollen nur hergeben. Zwischendurch lernen wir, dass man Festo-Zubehoerteile auf Trinidad nicht bekommt, dass Schleifen mit einem schlechthaftenden Drehteller nicht wirklich Spass macht, dass der Nachbar eine Schleifmaschine fuer einige Stunden entbehren kann und dass einige Handwerker hier horrende Preise aufrufen. So soll das Malern unseres Rumpfes um 10 Uhr schlappe 5000 USD kosten, eine halbe Stunde spaeter bekommen wir vom gleichen Typen einen einmaligen (nicht weitersagen!) Sonderpreis von 2900 USD angeboten. Das uebersteigt a) unser Budget bei weitem und b) finden wir es schlicht und ergreifend dreist und unverschaemt. Wir finanzieren dem Herrn mit Sicherheit nicht seinen naechsten SUV. Der wird naemlich morgens einige Kilometer weit entfernt geparkt. Zum Boatyard kommt Man(n) sicherheitshalber mit dem MaxiTaxi bzw. einem schaebigen Fahrrad.Understatement ist alles.

Im Office erwerbe ich Marken fuer die Waschmaschinen. Punktlandung: grad haengt alles auf der Leine, da zieht eine dunkle Wolke ueber den Berg heran und es regnet!War ja klar. Hab ich doch die falsche Erwartungshaltung?? Naja, jetzt haengt erstmal alles. Einigermassen sauber und frisch duftend, sauber aussehen ist eine andere Sache. Was will man auch erwarten von Waschmaschinen, die sich grad mal so 25 Minuten lang bewegen. Und was wird “hot” wohl konkret in Gradzahlen bedeuten? Heiss fuehlt sich die Waesche jedenfalls nicht an, als ich sie raushole, das ist zu Hause doch was anderes.

Am Abend trifft man sich mal zum Grillen unterm Mangobaum oder beim deutschsprachigen Stammtisch im Sail Inn auf dem Marinagelaende. Oder man geht zum Nachbarn, Coral Cove, zu Live-Music und ebenfalls Grillen. Alles startet schon um 18 Uhr, fuer uns teilweise recht frueh, arbeiten wir doch meist bis zum Sonnenuntergang. Dann noch duschen, loslaufen.Da kommt ja fast Stress auf. Am Stammtisch erzaehlt die Abraxas Crew von ihrem Ramming auf dem Ankerplatz.Der Anker eines Catamarans hielt dem aufkommenden Wind nicht stand und das unbemannte Schiff ging spazieren, wollte mit der Abraxas anbandeln. Die fand das gar nicht gut, hat jetzt eine Delle im Rumpf und ist der Badeleiter verlustig. Leider ging die Bordfrau bei der Abhalteaktion baden und fand das alles gar nicht lustig. Da auch das Beiboot grad nicht einsatzfaehig war, wurde ueber Funk um Hilfe gebeten. Vier Dinghis samt Besatzungen anderer Boote eilten herbei und konnten den Cat wieder neu verankern. Gut, dass der Motor zu starten war. Was mir wiederum zu denken gibt. Steh ich doch immer wieder im Zwiespalt: Schluessel stecken lassen fuer den Fall der Faelle oder aber zurueckkommen und kein Boot mehr vorfinden? Oder eben Schluessel abziehen und auf die Haltekraft unseres Ankers vertrauen?

Bei diesen Treffen lernen wir neue Segler kennen, haben wieder mal so unsere Probleme mit den vielen Namen. Hier werden verschiedene Lebensmodelle realisiert. Und bei einigen frage ich mich schon, will ich so einmal leben? Wie wird das sein, wenn wir wirklich in den Pacific gehen? Was ist die Alternative? Hier in der Karibik zwischen den Inseln pendeln oder mehr oder weniger lange auf einer Insel haengenbleiben? Ist Amerika eine Alternative? Oder doch zurueck nach Europa? UEber die Azoren und dort eine laengere Zeit verbringen. Und dann? Mittelmeer und das soll es dann gewesen sein? Traeumen wir dann wohl von dem was haette sein koennen? Zu gerne wuerde ich Neuseeland bereisen. Aber dazu gehoert ja noch viel mehr. Die Gespraechsthemen sind vielseitig, von Frauenbeauftragten ueber Ersatzteile oder notwendige Reparaturen bis hin zu Preisen fuer Antifouling und den neuesten Ereignissen beim Trans Ocean, dem Verein der Langfahrt- oder Hochseesegler. Unser Schweizer Nachbar erzaehlt, dass er sein Schiff jetzt seit 7 Jahren aus- und umbaut, schon 300.000 Franken investiert hat. Wahnsinn! Was haette man fuer das Geld fuer Schiffe kaufen koennen.

Mich bewegt immer noch der Mord auf Tobago, der von der hiesigen Presse offenbar nicht unbedingt lange fuer Schlagzeilen sorgt. Obwohl die Regierung eine Aufklaerungsbelohnung ausgesetzt hat und laut eigenen Aussagen sehr bemueht ist, den Fall aufzuklaeren. Ein Raubmord wird ausgeschlossen, ob die wahren Hintergruende je ans Licht kommen? Haette so etwas auch uns zustossen koennen? Die Kinder jedenfalls sind besorgt; werden unruhig, wenn wir uns mal einen Tag nicht melden. Und das kommt gerade jetzt haeufiger vor. So mitten in der Arbeit mal eben in die Bar bei Coral Cove oder auch auf die andere Seite zu Crews Inn - das ist jetzt einfach nicht drin.

Der weibliche Teil der Voodoochile-Crew wuerde gerne einen Ausflug machen mit dem Radl, die freie Zeit zwischen den Malerarbeiten sinnvoll nutzen. Peer mag nicht und allein traut sie sich nicht. Das Hinterhergepfeife und Gehupe ist ihr zuwider. Komisch, war mir noch nicht aufgefallen. Entweder bin ich taub oder kein Zielobjekt. Was ich jetzt nicht unbedingt nachteilig ansehe. Getreu meinem Motto “wer mich Nachts holt, bringt mich am Tag wieder zurueck” lebe ich in dieser Hinsicht doch ziemlich entspannt wie mir scheint. Vielleicht liegt es aber auch an meinem leicht verkrampften Gesichtsausdruck, wenn ich mit dem Radl unterwegs bin. Bin ich doch eher eine Fussgaengerin und schiebe mein Rad gerne und ausdauernd, wie der Kaeptn immer wieder haemisch hervorhebt. Tja, wer sein Radl liebt …..! Ich bin jedenfalls nicht die geeignete Partnerin im Moment fuer einen solchen Ausflug.