Lautlos schiebt sich eine weisse Segelyacht an den ankernden Booten vorbei. Ist auf dem Weg flussaufwaerts, nach Joao Pessoa. Will was erleben und nicht immer nur das langweilige Jacaré Marina Village sehen. Niemand ist an Deck, alles ist ruhig, nur das Ankerlicht leuchtet hell wie ein Stern. Da wird sie sanft ausgebremst, kommt zum Stehen. Komm in meine Arme, meine Kleine sei die Meine heute Nacht …. Och, auch nett hier, die franzoesische Nachbarin hat Madam ja bislang nur von Ferne sehen koennen. Jetzt ist kuscheln angesagt …..

….. 02:46 – endlich folge ich dem aufdringlich-rhythmischen „Nock,nock“ irgendwo an unserer Steuerbordseite, also meiner Schlafseite. Kann diese verflixte Mooringboje nicht etwas mehr Abstand halten? Ein Blick aus dem Luk – DAS DARF NICHT WAHR SEIN!!! Wir liegen Bug an Heck neben der roten franzoesischen Stahlyacht von Patrick!!!!

Erster Gedanke (natuerlich): Deren Anker hat nicht gehalten und sie sitzen bei uns fest. Leider Fehlanzeige! Ein scharfer Rundumblick (die Brille ist blitzblank geputzt) zeigt eine voellig veraenderte Welt. Denn der Cat in Richtung Joao Pessoa ist nicht die vertraute Silhouette der Yelo! Wo ist die denn abgeblieben?? Oh, etwas weiter hinter uns, falsche Seite, eindeutig. Zweite Annahme: unsere Mooringleine ist gerissen. Ebenfalls falsch, die sitzt stramm gespannt an unserem Bug. Nur von der weissen Markierungsboje ist nichts mehr zu sehen.

Dritte Annahme (Treffer, die Kandidatin hat 100 Gummipunkte): Naja war wohl langweilig und so hat sie bei Nullwind und ganz normaler Tidenstroemung ihre Mooring geschnappt und ist spazieren gegangen! Fuer 17 Tonnen offensichtlich ein Kinderspiel. Warum es ausgerechnet heute Nacht und bei diesen Bedingungen und nicht bei dem anhaltenden staerkeren Wind der letzten Tage passiert ist, wissen die Meeresgoetter. Und wo wir gelandet waeren, haette uns Frankreich nach ca. 300, 400 Metern nicht gestoppt, darueber will ich gar nicht genauer nachdenken.

Patrick und Florence jedenfalls schlafen offenbar auch sehr tief. Nur anhaltendes Nocken mit dem Schrubberstiel ans Schiff bewegt die Beiden, an Deck zu kommen. Dafuer muss erstmal der Niedergang entriegelt werden. Oh,oh – le ancre. Nix Anker, Mooring. Aah oui! Guter Rat ist teuer. Das hochgezogene Schlauchboot der Beiden hat wohl eine gute Fenderwirkung gehabt und wir sind auch ohne Probleme an der ja ebenfalls flussaufwaerts geparkten Yelo vorbei marschiert, ohne sie zu touchieren. Hoffen wir.

Die Mooringleine muss runter, so viel ist klar. Hier koennen wir nicht bleiben. Die Stroemung schiebt uns von Patrick weg, auf einen suedafrikanischen Cat zu. Wir fummeln noch einen Markierungsfender an die Sicherungsleine, dann geht alles in den Bach und der Kaeptn versucht, unseren Kahn mit Rueckwaertsfahrt aus der Kollisionszone zu bringen. Irgendwas klemmt. Aber wo und was. Oder ist es einfach nur die Stroemung in Kombination mit der verzoegerten Reaktionszeit unseres Schiffes? Irgendwann reagiert sie, etwas zu spaet. Wir schrammen mit unserem Solarpaneel und dem Heckanker an einem Bug des Cats entlang. Es rumpelt ordentlich und schreckt das Eignerpaar auf. Sinnigerweise war genau dieser Cat einige Tage zuvor ebenfalls auf Wanderschaft gegangen, allerdings in den fruehen Morgenstunden, schon bei Tageslicht und mit Ziel Mangroveninsel gegenueber.

Ein fuer mich gluecklicherweise nicht hoerbarer Fluch kommt von Eigner Rob in unsere Richtung. Das erzaehlt er aber erst spaeter, bei uns an Bord und entschuldigt sich dafuer. Ich hab ja nix gehoert. Die Beiden waren von einem naechtlichen Neuankoemmling ausgegangen, dessen Anker nicht gehalten hat. Das wir ein Problem mit unserer Mooringboje haben, versteht keiner so recht. Auch Patrick erzaehlt spaeter der Yelo-Crew ganz verwundert und mit seinem ganzen mimischen Talent, das wir in der Nacht bei ihm laengsseits gehen wollten und gar keine Fender raus hatten. Aha, naechtliche Andockmanoever unter Ankerliegern sind fuer Franzosen nichts ungewoehnliches, man muss halt nur Fender raushaengen :-)

Jedenfalls hat Werner unser dickkoepfiges Schiff jetzt unter Kontrolle und wir ziehen Richtung alter „Anker“stelle, lassen den Anker um 03:16 zwischen Yelo und einem anderen Boot auf Hoehe der Marina fallen; geben ordentlich Kette und kommen zum Stehen. Tief durchatmen, aber ja nicht zu lange.

Mit dem Dinghi will der Kaeptn zum beschaedigten Schiff. Und Murphy’s Law brav folgend, spuckt der Aussenborder nach einigen Metern einmal kurz, um dann wieder einmal die Zusammenarbeit einzustellen. Die Stroemung drueckt unser nicht wirklich paddeltaugliches Dinghi Richtung Land und flussabwaerts. Werner gibt paddelnderweise alles. Irgendwann stellen wir fest, dass es besser klappt, wenn ich ihm vom Schiff aus Anweisungen zurufe: Zwei Schlaege backbord, jetzt Wechsel, wieder Wechsel, Wechsel. So manoevriert er sich quaelend langsam an unser Heck heran, den letzten Meter ziehe ich ihn bei. Geschafft. Faellt das auch unter Frueh-Sport? Auf den beteiligten Yachten ist noch Licht, also zweiter Versuch. Und dieses Mal spurt der Motor, bringt ihn brav ans Ziel. Ich bleibe als Ankerwache zurueck, sicher ist sicher. Naja in dieser Nacht ein zweites Mal auf Spaziergang, das waere einfach zu viel.

Jedenfalls sind Madam und ich uns einig: Wir gehen nie, nie mehr an eine Mooring, wenn es nicht absolutzwingend notwendig ist!! Das ist fuer uns wohl so aehnlich wie Zugfahren . Es gibt so To-Do Listen, die kein Mensch braucht. Den Punkt „Wandern mit einer Mooring“ koennen wir jedenfalls abhaken und werden es hoffentlich nicht mehr erleben.

04:37 – der Kaeptn ist zurueck von der Schadensaufnahme. Sieht im Dunklen betrachtet nach Kratzern aus. An Bord des Cat gab es auf den Schreck in den allzu fruehen Morgenstunden erst einmal einen Kaffee. Und auch von den Franzosen schallt entspanntes Gelaechter herueber, als Werner kurz stoppt.

An Land erwacht das Leben in lautstarker Gestalt der Zugtroete. Ein Esel schreit, die Hunde bellen die Nacht ja sowieso unermuedlich an. Eifriges Vogelzwitschern und das gleichmaessige Schwappen des Dinghis mischen sich in die Geraeuschkulisse. Ich hab Hunger. Ob ich wohl auch mal einen Kaffee aufsetze? An Schlaf ist derzeit sowieso nicht zu denken.

06:00 Irgendwie nimmt das heut gar kein Ende. Ist das unser Aussenbordmotor am Dinghi, der da immer noch vor sich hin blubbert?? Rein ins Dinghi, ja vibriert. Ungewohnt leise zwar, aber irgendwie laeuft der doch ….. Pinne hin und her – keine Reaktion, eindruecken diverser Knoepfe – keine Reaktion. Der Kaeptn eilt zu Hilfe, zieht die Benzinleitung ab – keine Reaktion. Mysterioes?? Nein, einfach eine Nervenueberreizung meinerseits. Die Stroemung ist gerade so stark und verursacht heftige Turbulenzen an der Schraube des Motors. Was oberflaechlich betrachtet und befuehlt eben wie ein Motorenlaufgeraeusch daher kommt.

09:44 Grosses Sit-In bei uns an Bord. Daniela und Rolf kommen laengsseits um sich unsere Geschichte noch einmal aus erster Hand anzuhoeren, um Trost zu spenden und aus ihrem reichhaltigen Repertoire an Anekdoten und Erlebnissen zu plaudern. Wir haben wohl noch Glueck gehabt, dass wir uns nicht im Ankergeschirr zwischen den Ruempfen des Catamarans verheddert haben. Das wird dann richtig lustig - und teuer. Rolf muss es wissen, die Yelo ist ja ein Zweirumpfboot. Rob und Shirley vom Kollisionscat kommen heran gebraust, bringen unseren Markierungsfender zurueck und schon ist die Plicht gut gefuellt. Und das bei dem Werkstatt-Chaos, das hier immer noch herrscht. Nach einem Kaffee und nettem Geplauder zerstreut sich die lustige Gesellschaft wieder. Daniela meint, so habe die Sache doch ein Gutes gehabt. Wir haetten uns doch nie und nimmer an einem Montagmorgen in so ungezwungener Runde bei uns an Bord versammelt. Naja, kontaktfreudig zu sein ist ja schoen, aber sooooo … ich glaube, das muessen wir noch mal etwas ueben mit unserem Schiff.

Inzwischen uebt der Wind auch wieder heftig, es braust und pfeift ordentlich im Rigg. Strom gegen Wind, Kabbelwelle auf dem Fluss und unser Anker liegt wieder irgendwo schraeg hinter-unter uns. Zumindest, wenn man vom Verlauf der Kette aus darauf rueckschliessen kann. Ich schiebe freiwillig und immer noch Wache, beobachte argwoehnisch unseren Vordermann und den Abstand zur Yelo, peile an Land und staune immer wieder ueber die optischen Taeuschungen, denen man doch unterliegt. Sagt der Blick zum Vordermann doch, dass wir uns annaehern (nicht schon wieder!), waehrend die Landpeilung sagt „Alles gut, entspann Dich). Also entspanne ich mich etwas und winke dem vorbeimotorenden Luciano (zur Erinnerung: haben wir gestern in Ribeira kennen gelernt) zu. Der schwingt sich jetzt wahrscheinlich auf sein in Jacaré geparktes Moto und donnert damit zum Grosseinkauf nach Intermares. Ich wuerd mich ja jetzt gerne mal in die Kissen schwingen, trau mich aber nicht. Eine Anker-Wache sollte ja schliesslich auch wach sein und bleiben!