Unser Aussenborder streikt! Verweigert die Zusammenarbeit derart, dass er entweder Vollgas akzeptiert oder umgehend aus geht. Drei gestandene Maenner schaffen es nicht, ihn zur Kooperation zu bewegen. Es wird geschraubt, gesprueht, gedreht und gedrueckt - vergeblich. Im Gegenteil, zu guter Letzt reisst auch noch das Startkabel, jetzt geht grad gar nix mehr. Alex ruft den Mecanico an, der wohnt in Joao Pessoa und verspricht, sich das Elend anzuschauen.

Das war gestern. Und heute frueh um 9 stand Mecanico (Namen weiss ich nicht) wie versprochen am Schiff. Aller guten Dinge sind drei, Mecanico, Skipper und Bootsbauer Alex widmen sich mit vereinten Kraeften dem in einer grossen blauen Tonne geparkten Aussenborder. Und relativ schnell stellt sich heraus, dass des UEbels Ursache ein sich langsam und von innen her aufloesender Pumpball an der Tankleitung ist. Aus der Leitung broeselt es in schwarz und ebensolche Teilchen finden sich sowohl im Tank als auch im Vergaser des Motors.

Zur Reparatur bzw. Diagnose wird irgend etwas benoetigt, was vom Kaeptn in einem nicht allzu großen Glas mit Klappdeckel deponiert wurde. Besagtes Glas stand auch immer dekorativ immer irgendwo gut sichtbar rum wo es eigentlich nicht hingehoerte. Bis, ja bis zu unserer sonntaeglichen Aufraeum- und Putzaktion im Cockpit! Jetzt ist es spurlos verschwunden und genau JETZT wird es gebraucht! Waehrend der Kaeptn an Land eilt, fuehre ich die Suche an Bord weiter. Mit dem Ergebnis, dass ich mir die Stirn an einer bloeden Holzlatte anhaue. Die liegt im Vorschiff und ragt deutlich aus der Tuer raus. Da dort aber normalerweise nix raussteht, sind meine Sinnesorgane auch nicht auf ausweichen programmiert und ich uebersehe das schmale Teil komplett. Wer nicht sehen kann, muss halt fuehlen. Das Glas bleibt verschwunden. Kurzes innehalten – wo waere der logischste Aufbewahrungsort??? Irgendwas hat ER doch am Sonntag in das Fach im Cockpittisch gestellt ….. korrekt! Ich halte Glas und somit benoetigtes Teilchen in den Haenden.

„Wo war das denn??“ - Ja, wo war es wohl -  tja, kommste nie drauf, Kaeptn. Frauen koennen halt einfach besser suchen, sich in gewisse Vorgaenge eindenken.

Ich verzieh mich in den Schatten unter das hohe, luftige Dach der Marinagebaeude. Paul kommt etwas desolat wirkend aus seiner Kammer. Seinem fetten Grinsen nach zu urteilen muss der gestrige Abend in einem Ortsteil von Joao Pessoa ein voller Erfolg gewesen sein! Ein kleiner Film auf seinem Handy beweist es. Spaet sei es geworden und es waere grossartig gewesen. Alle haetten gefragt, wo denn Werner, Elke, Doris und Andy seien. Naechsten Montag faehrt er wieder in die kleine Bar, um mit den Jungs Musik zu machen. Und wir sollen auf jeden Fall mitkommen. Die Stimmung sei einfach grossartig, man begrueße sich mit Umarmung, jeder freue sich ueber den Gringo, der einfach auf einer Art Trommel rumklopft – auch wenn er laut eigener Aussage keine Ahnung hat, was er da macht. Auf dem Video ist zwar sein Gesichtsausdruck entsprechend, aber die Bewegungen erscheineIn mir recht professionell und wissend. In der Nacht bekommt er ein Taxi bestellt und der Fahrer wird angewiesen, ihn zu einem fairen Preis in die Marina zu bringen: 20 Reais und keinen Real mehr will er fuer die Fahrt haben. Noch nicht einmal Trinkgeld. Paul ist begeistert von der Herzlichkeit und dem Spirit der Menschen. Und so kommen wir ganz spontan und unverhofft ins philosophieren, ueber das Leben im allgemeine, ob man nun eines, oder vielleicht doch zwei oder gar drei hat. Das man aber definitiv in diesem Leben so einiges machen sollte. Ueber die Grossherzigkeit und Gastfreundichkeit der nicht gerade wohlhabenden Menschen hier. Die aber doch auf ihre Weise unendlich reich sind. Und auch mit „Fremden“ teilen, was sie haben. Da wird dann schon mal der 15jaehrige Sohn zu spaeter Stunde aus dem Bett auf die Couch verbannt, damit der Gast bequem naechtigen kann. Und man fragt auch via SMS nach, ob man gut nach Hause gekommen ist. Es wird nicht komisch geschaut, nach dem Motto „was wollen die denn hier“ sondern man wird integriert und akzeptiert. Aber man muss “open minded” sein, auch darueber sind wir uns einig. Oeffne Deine Augen, Reisender, um zu sehen und oeffne Dein Herz, um zu fuehlen. Verschliess nicht Deinen Geist und lass Dich auf fremde Menschen, Laender und Kulturen ein.

Von weiter vorn kommt ein deutliches Brummen, steigert sich, wird wieder ruhiger. Er lebt wieder!!! Unser Aussenborder tuckert brav und ohne ruckeln oder muckeln im blauen Fass vor sich hin. Reagiert auf jedes Gas geben und zurueck nehmen ordnungsgemaess. Das Startseil ist repariert, die Tankleitung vom broeselenden Pumpball befreit. Der Mecanico beschafft eine neue Leitung, manana. Jetzt schwingt er sich erst einmal aufs Moped und duest gen Joao Pessoa. Alex und Werner lassen dem AB noch etwas weitere Pflege angedeihen und werkeln weiter.

Und Paul holt jetzt erst einmal etwas Schlaf nach. Und hofft darauf, dass sein PC wie unser Aussenborder von einem Fachmann wieder zum Leben erweckt werden kann. Denn er schreibt, ueber die Menschen denen er begegnet. Und alle seine bisherigen Betrachtungen sind auf ebendiesem PC . Backup? Ooooh, wunder Punkt, ich nicke verstehend. Vielleicht doch auf die bewaehrte handschriftliche Form umsteigen und alles irgendwann abtippen? Nein, dadurch kann er sich irgendwie auch noch nicht durchringen. Dabei ist jetzt in seinem Kopf die perfekte Geschichte zum gestrigen Abend. Auch das kann ich gut verstehen, klafft doch auch bei mir eine Luecke zum Thema Madeira, die sich wohl nicht wirklich wieder fuellen laesst…. muss man alle Luecken fuellen?

Leise rieselt - in unserem Fall nicht der Kalk, sondern Gummiteilchen

Leise rieselt - in unserem Fall nicht der Kalk, sondern Gummiteilchen

Aussenborder im Fass
Aussenborder im Fass

Hier der kleine Pool

Marina-Impressionen: Hier der kleine PoolJacare-Impressionen: Die Marinaeigene Folterkammer. Hier kann man nach vielen Tagen auf See seine Fitness aufpolieren. Aber irgendwie macht das keiner ....