Schlaflos in Jacaré – vielleicht nicht wirklich Filmtiteltauglich. Aber schon eine ganz eigenartige Szenerie, so in der Nacht, wenn die Bordfrau mal wieder nicht schlafen kann. Und an Deck rumsitzt. Zu bloed aber auch, wenn man das Ersatzhandy als Wecker missbraucht und vergisst, die Zeitzone zu kontrollieren. Kein Wunder, wenn es dann nachts um 2 Uhr zum Aufstehen klingelt und der Kopf denkt: ja, klar, 7 Uhr beste Aufstehzeit. Kopfkino halt ….

Da sind ja auch so viele Gedanken drin. Wann wir aus der Marina und wieder vor Anker gehen, wie lange wir noch hier bleiben, ob wir wirklich noch nach Belem gehen. Guayana, Suriname, TT – haben wir schon ausreichend Infos darueber? Dann schwingen noch virtuelle „Gespraeche“ nach, mit anderen Bordfrauen, anderen Seglern…… oder die Freude der Nachbarn, weil sie sich dazu entschlossen haben, nach 6 Jahren rund nicht in den Senegal zu segeln, sondern noch einmal den Loop zu drehen (so sagt man glaube ich). Das macht nachdenklich darueber, was man selber wohl wollen wuerde an ihrer Stelle….. schnell beiseite schieben, ist ja noch soooo wahnsinnig lange hin. Wer weiss, was uns noch alles begegnet, wie weit wir ueberhaupt noch kommen. Am Besten, ich lasse alle Gedanken ins truebe Flusswasser sinken und von der spaeter ensetzenden Tide von mir und dem Schiff wegtragen.

Ganz still liegt das Wasser da. An Backbord blinzeln einzelne Ankerlichter verschlafen herueber. An Land kraeht ein besonders frueh aufstehender Hahn – wir haben immerhin erst 02:28 Ortszeit. Aber vielleicht ist sein Wecker ja auch auf europaeische Zeit eingestellt und haelt 2 Uhr in der Nacht für 7 Uhr Aufstehzeit …..

Lesen, einen Schluck Tee trinken …. Mist, wo war die Buddel jetzt wieder? Klar, kann ja nicht einfach in der Kuehlbox stehen, muss ja ganz nach unten durch rutschen. Beim Versuch, meine Schlaflosigkeit moeglichst lautlos auszuleben, mache ich natuerlich besonders viel Krach. Was den in punkto Schlaf ziemlich schmerzbefreiten Kaeptn nicht weiter stoert. Beneidenswert.

„Platsch“ - Fischeralarm?? Nix ist zu sehen und trotzdem ziehen sich ganz ganz kleine, leichte Wellenkreise vom Schiff weg zum Fluss hin. Ich koennt schwoeren, da ist was/jemand. Aber absolut nix ist zu sehen. Fantasie, Einbildung oder eher Blindheit?

Der Motorbootclub zwei Stege weiter sichert die am Steg liegenden Schiffe mit einem Flutlicht. Das strahlt passenderweise auch noch bis zu uns herueber. Die Schiffe auf der anderen Stegseite werden sauber angeleuchtet. Oben am Ufer sind zwei kleine Esel wieder auf naechtlichem Futterstreifzug, werden noch nicht einmal von einem der zahlreichen Wachhunde verbellt. Man kennt sich eben, in Jacaré.

Am Morgen ist dann lautes Palaver angesagt: Drei aeltere Herren, Sonnenhutbestueckt und ueberhaupt und insgesamt mehr survivalmaessig gekleidet, sitzen in einem der traditionellen schlanken Holzfischerboote. Hangeln sich an Bordwaenden und Festmachern entlang bis zu unserem Bug vor. Dann wird am Nachbarboot und uns „festgemacht“ und die Angeln werden ausgepackt. Das ruft Attilio, den guten Geist der Steganlage, auf den Plan. Laut auf die Fischer einredend versucht er diese, zum wegfahren zu bewegen – vergeblich. Das ganze Hin und Her ruft Francis, den Miteigner der Marina, auf den Plan. Kurze, aber wortreiche und vor allem etwas lautere Diskussion, dann findet man einen Kompromiss: das Fischerboot darf am derzeit freien Kopfplatz des Steges festmachen.

Friede und Ruhe kehren ein. Ueber allem liegt ein strahlendblauer Fruehlngshimmel und die Sonne brennt erbarmungslos auf uns herunter. Wollten wir das so? Wollten wir …. glaub ich ….. zum Glueck muss ich heute nicht einkaufen und wenn, dann wird improvisiert und verwendet, was es im kleinen Mercadinho um die Ecke gibt. Praktisch, so eine Tante-Emma-Laden nur wenige Meter vom Steg entfernt!

Waehrenddessen entdeckt und geniesst die Kassiopeia-Crew Argentinien. Das Land ohne Schlagloecher in den Strassen, mit Baguette das Claudia die Ehrfurchts-Traenen in die Augen treibt, mit leckerem Rotwein und moderaten 25° C am Tag und einigen Graden weniger in der Nacht. Ein klein wenig beneiden wir die Beiden um ihren Trip. Aber unsere Zeit wird schon auch noch kommen. Spaetestens in ein paar Jahren auf der Rueckreise …. oder so

Eines der kleinen Fischerboote, die uns auch gerne Nachts mit ihren Netzen "umgarnen"

Eines der kleinen Fischerboote, die uns auch gerne Nachts mit ihren Netzen