Unterwegs sein

Ueberall hagelt (naja, ist etwas uebertrieben) es derzeit Resuemees. Die einen sind 3, 4 Jahre unterwegs. Andere sind 2014 gestartet, haben das erste Jahr noch nicht voll. Wieder andere kreuzen nach 6 Jahren ihre Kurslinie und sagen: „Wir sind einmal rum“. Von denen, die 10 Jahre und mehr im Kielwasser haben, wollen wir gar nicht erst reden. Lang-Fahrer. Und bei einigen noch lange kein Ende in Sicht.

Und wir? Wir sind jetzt 2 Jahre und ein paar Tage unterwegs. Wirklich 2 Jahre?? Manchmal kommt es uns viiiiiel laenger vor, manchmal fuehlt es sich an, als haetten wir gerade erst die Leinen in Bremerhaven geloest. Ich war noch nie gut in Mathe und bin kein Freund der Zahlen. Wieviel Wochen, Tage, Stunden, Seemeilen liegen hinter uns? Wieviel Diesel haben wir unter Motor verbrannt? Wieviele Tage waren wir in einem Hafen, wieviele auf See wirklich unterwegs? Wie oft haben wir geankert, wie oft haben wir Fluege nach Deutschland gebucht? Solche Statistiken sind sicherlich interessant aber wir koennen uns einfach nicht dazu aufraffen, das alles auszurechnen. Fahren dafuer manchmal mit Staunen und Verblueffung mit dem Finger ueber die Landkarte. Daa sind wir los und doooort sind wir jetzt gerade. Meine Guete, was fuer eine Strecke, wieviel Wasser – und wie wenig im Vergleich, was da noch auf uns wartet.

Oft waren wir in dieser Zeit auch fuer 1,2 Wochen „zu Hause“, in Deutschland halt. Daheim, Zuhause – zwei Begriffe fuer ein und das selbe? Zu Hause ist, wo unser Schiff grade rumduempelt. Denn das ist unser Zuhause. Ist das „andere“ dann das Daheim?

Die Lieben daheim, so weit weg und gedanklich doch oft so nah. Und Dank der modernen Kommunikationsmittel nehmen wir Anteil an ihrem Leben und sie an unserem. Die Intervalle, in denen wir uns sehen, werden jetzt laenger. Aber dafuer vielleicht ja auch die Zeitraeume, die wir miteinander verbringen koennen. Ab jetzt gibt es fuer uns kein Sommer oder Winter mehr, jetzt heisst die Zeitrechnung Regenzeit/Hurrikansaison oder eben keine.

„Hattet ihr denn schon mal einen richtigen Sturm??“ Sensationslust schwingt in dieser Frage mit. Wir hatten noch keinen und wir hoffen, dass wir auch noch lange keinen erleben werden. Auch keinen Hurrikan. Sturm im Wasserglas, an Bord, unter der Crew – den wird es immer mal wieder geben. Das bleibt gar nicht aus. Und wir gehoeren auch nicht zu denen, die da sagen (koennen), dass es bei Ihnen immer superharmonisch zugeht und sie als Paar in der Enge des Lebensraumes noch besser zusammen harmonieren. Wir goennen das jedem von Herzen, freuen uns mit. Verstehen es vielleicht auch ein klein wenig als Herausforderung, weiter an uns zu arbeiten. Aber wir sind halt ein Paar mit Ecken und Kanten und so manche Spitze haben auch die Atlantikwellen bislang noch nicht ganz glaetten koennen. Aber wir arbeiten weiter daran. Was auch nicht jede(r) von sich sagen kann. Gibt es doch auch so einige Paare, die auseinanderdriften im Verlauf einer solchen Reise, die zukuenftig getrennte Wege segeln oder gehen. Und dann gibt es noch welche, denen ein laengerer Heimat- oder Landaufenthalt nicht gut bekommt, die sich an Bord besser verstehen als an Land und trotzdem beschliessen, nicht mehr gemeinsam weiter zu segeln. Uns hat der Landurlaub in Deutschland sehr gut getan. Insbesondere der Bordfrau, die sich doch um ein vielfaches ausgeglichener fuehlt, vieles mit neuem Blick anschaut und mehr noch geniesst wie bislang. Die aber auch eine gewisse Unruhe und Rastlosigkeit in sich spuert. Die Lust am Weiterfahren, Neues zu entdecken. Die auch mutiger wird und sich zum ersten Mal „traut“, allein zum Geldautomaten zu gehen. Hocherhobenen Hauptes, die Reais-Schein gut am Koerper versteckt, mit ihrer finanziellen Beute und dem Grosseinkauf von mehreren Kilos wieder zurueck zum Schiff trabt. Bildlich gesprochen alles. Denn in sengender Sonne mit einem schweren Rucksack ist der Kopf nur innerlich ganz oben und von Trab kann wirklich keine Rede sein :-)!

Vielleicht bleibe ich auch irgendwann mit der gleichen Selbstverstaendlichkeit allein an Bord vor Anker liegend zurueck wie unsere Schweizer Nachbarin. Fahre mit dem Dinghi taeglich an Land, mische mich unters Seglervolk und fahre mit dem Fahrrad Besorgungen machen. ‚Das erste Mal war es komisch, aber man gewoehnt sich schnell daran‘ lacht sie und ich frage mich, ob ich mich wohl auch daran gewoehnen koennte. 14 Jahre sind sie unterwegs. O.k. da hat’s viel Zeit zum gewoehnen. Und vielleicht auch Sprachen lernen. 14 Jahre, bleiben noch 12 – wo wir dann wohl sind? Ob sich dann unsere Kurslinien auch wieder schneiden oder vielleicht schon frueher? Das steht alles in den Sternen geschrieben. Es zaehlt das Hier und Jetzt. Und das geniessen wir bei aller Plackerei am Schiff ganz und gar. Wollen nicht tauschen, mit nichts und niemand.

„Reisen ist die einzige und beste Art, gesund zu werden“ – so oder so aehnlich hat das irgendein beruehmter Mensch einmal gesagt und niedergeschrieben. Und wir koennen das nur unterschreiben und bestaetigen. Und deshalb geht unsere Reise weiter, 2 Jahre, 2×2, 3×2 ……… so lange, wie es eben geht!

Sonnenuntergang ueber dem Paraibo, Jacaré Brasilien

Sonnenuntergang ueber dem Paraibo, Jacaré Brasilien