Ueber Barra ziehen dunkle Regenwolken auf. Erst versinken die Hochhaeuser im Regengrau, dann zieht die Wand auch ueber uns weg. Ich schaffe es gerade noch, die getrocknete Waesche vor erneuter Durchnaessung zu retten. Das war knapp! Plopp, plopp – Werner zieht derweil alle Luken dicht. Eine halbe Stunde spaeter ist alles wieder vorbei. Abschied von Kuaka, vorlaeufig. Die Ilha do Frade liegt ja noch hier in der Bahia und wer weiss, vielleicht wird es Charlotte und Serge dort ja zu langweilig und sie kommen auch noch fuer ein paar Tage nach Itaparica. Im Hafenbecken treibt neben diversen kleinen toten Fischen nun auch eine tote Katze. So schmutzig war das Wasser bei unserer Ankunft irgendwie nicht. Vorgestern hatten wir eine Art Komplettmenue im Wasser: mehrere tote Fische, eine Limone und irgendein Gemuese schwamm hinter der Kuaka. Sehr lecker. Fuer uns heisst es heute, Sonnenhut im Hutladen umtauschen, dem Zigarrenladen etwas Umsatz bescheren, einen kurzen Abstecher ins Pelourinho machen (dieses Mal mit der Seilbahn) und dann mit dem Bus zum Sao Joaquim Markt fahren. Die Stadt ist ungewohnt ruhig, der Verkehr deutlich reduziert. Ein Ueberqueren der Strasse ist ohne Hasenspurt und gefahrlos moeglich. An der Bushaltestelle stehen kaum Menschen und viele Geschaefte haben die massiven Rolltore und –gitter noch geschlossen oder ziehen sie gerade erst auf. Unsere Besorgungen gehen zuegig ueber die Buehne. In der Seilbahn fahren wir mit deutschsprachigen Touristen. Rio Janeiro, 4 Tage, alle haben irgendwelche Plastikkaertchen am schwarzen Band um den Hals haengen. Spaeter entdecken wir einen Kreuzfahrer an der Hafenmole. Aha, von dort kommen die vielen Bleichgesichter, die sich auf zur Stadteroberung machen. Pelourinho ist kurz abgehakt: unsere Auftragsarbeit ist noch nicht fertig, es gab ein kleines technisches Problem. Das klaeren wir jetzt und stuerzen uns ins Marktgetuemmel. Dank dem wieder einmal hilfsbereiten Busschaffner steigen wir an der richtigen Haltestelle aus. Uneinigkeit, ob wir weiter links oder rechts die Strasse queren sollen und wo denn nun genau der Markt liegt. Eine Senhora erklaert es uns und bedeutet mir auch gleich sehr intensiv, die Kamera im Markt besser in den Rucksack zu verstauen. Unsere Barschaft haben wir sowieso schon am Koerper verteilt und das Handy ist zu Hause geblieben. So gewappnet tauchen wir ein in den Joaquim Markt. Schmale Gassen zwischen den Staenden, duester ist es hier unter den Daechern. Wir sind gleich in der Haushaltswarenabteilung gelandet und erstehen zwei Macheten mit Huellen. Zum Kauf eines Gasflaschenadapters koennen wir uns dann doch nicht durchringen und auch die schlich-schoenen Toepferwaren bleiben nicht unbeachtet aber ungekauft. Obst und Gemuese gibt es und dann stehen wir in der Fleischergasse. Boah, da kann man aber locker zum Vegetarier werden. Ich zieh die Bremse an – da geh ich nicht durch! Werner sieht auch nicht hochmotiviert aus und wir machen kehrt. Suessigkeiten en gros, Bohnen, verschiedene Mehlsorten in grossen Saecken, Gewuerze – nichts was es hier nicht gibt. Auch Zigarren und ominoese dicke, schwarze Rollen die aussehen wie mit Teer beschmierte Seile ….. keine Ahnung, was das ist. Garkuechen, Bars mit kuehlen Getraenken. Schubkarren und andere, grosse Transportkarren werden zwischen den Staenden herum geschoben, ein Moped bahnt sich knatternd seinen Weg. Auf dem Boden, der zeitweise aus schoenen fliesen besteht und von besseren Zeiten zeugt, liegt unglaublich viel Schmutz. Einige Standbetreiber kehren dagegen an – vergeblich. Kein Wunder, dass sich die Ratten hier pudelwohl fuehlen. Auch wenn wir selbst keine sichten, Kuaka’s haben jedenfalls welche gesehen. Vor dem Eingang zum Fischmarkt steht eine Schubkarre mit groesseren Krabben. Die sind mit einer schwarzen Masse beschmiert und kaum erkennbar – gegrillt und verkohlt? Den Fischmarkt schenken wir uns und auch sonst haben wir die Nase im wahrsten Sinne des Wortes voll. Auf der Strasse vor dem Markt wird auch noch alles moegliche zum Kauf angeboten, ich bekomme endlich meinen Kartoffelkorb! Der ist eigentlich fuer Fische gedacht (glauben wir, weil er immer in den ganzen Angellaeden angeboten wird), aber mir erscheint er auch fuer die Aufbewahrung von Obst und Gemuese ungemein praktsich. In einer Schubkarre werden lebende Huehner zusammen mit einer jaemmerlich meckernden schwarzen Ziege transportiert. Immer wieder versucht das arme Tier, zu entkommen. Mit zusammengebundenen Beinen schlicht unmoeglich. So weit ist es nun nicht mehr bis zum Comercio, wir machen noch einen Abstecher nach links, gehen durch eine Strasse mit Autowerkstaetten, entdecken ein komplett entkerntes, grosses und altes Gebauede. Irgendwie sollte hier wohl mal eine Bahia-Ausstellung entstehen. Guter Gedanke, allein an der Ausfuehrung hapert es offensichtlich noch etwas. Mit Blick auf die Favelas und in einer Strasse, in die man Touristen sicherlich auch nicht bedenkenlos schickt – vielleicht auch ein Plan ohne grosse Zukunft. Irgendwie schade. Hier verfallen so viele schoene Haeuser und stattdessen wird Geld in den Bau liebloser „Plattenbauten“ direkt an der mehrspurigen, stark befahrenen Strasse gesteckt. Ob die Menschen in solchen Bauten wirklich gluecklicher sind und die Kinder besser aufwachsen? Noch eine Seilbahnstation – ausser Betrieb. Aber wohl noch nicht so sehr lange. Daneben fuerchten die Bewohner einer barackenaehnlichen, etwas hoeher am Hang gelegenen Behausung offenbar, dass die ganze Angelegenheit bei starkem Regen ins rutschen kommt. Man versucht mit einfachsten Mitteln alles etwas abzustuetzen. Schon haben wir das Comercio wieder erreicht. Auf einem grossen Platz dienen einige der „Park“baenke im Schatten der hohen Baeume als Schlafstaette. Sicherlich auch kein guter Platz, um im Dunkeln alleine unterwegs zu sein. Aber jetzt ist es hellichter Tag und um uns herum herrscht Leben, einige der Buden sind geoeffnet und die Tische gut besetzt. Unser Zeil ist aber das Comida a quilo „Puerto do Bahia“. Hier arbeitet tagsueber der nette Kellner von unserem gestrigen Barabend als Tuersteher, kontrolliert, ob alle die das Comida verlassen, auch wirklich bezahlt haben. Er strahlt uns an, wir werden mit Handschlag verabschiedet und claro gibt es auch heute Abend wieder Musik und Trubel auf dem kleinen Platz zwischen den Hochhaeusern. Das kennen wir ja schon von gestern. An der Saftbar wollen wir uns eigentlich noch einen frisch gepressten Suco goennen. Leider ist schon Feierabend. Das scheint ein reines Vormittagsgeschaeft zu sein hier. Also ein Haus weiter. Da gibt es heute keinen Saft, das Eis ist alle. Kann man nix machen, gibt es halt ein Brahma-Bier. Wir zaehlen verstohlen die Flaschen am Tisch gegenueber: 16 Stueck! Alle von den beiden Maennern am Tisch getrunken?? Mein Kaeptn glaubt das nicht, ich schon. Aber wahrscheinlich gehoeren auch noch einige Pullen zu den beiden Nachbartischen. Irgendwie scheint das hier ein beliebter Treffpunkt fuer die Herren zu sein – man kennt sich! Von oben tropft es aus einer Klimaanlage auf die Markise und platsch auf den Stuhl darunter. Ich wusste schon, warum ich mich nicht auf diesen Stuhl gesetzt habe! Zurueck an Bord gibt es dann erstmal Aerger. Hab ich doch heute frueh in der Hektik die (noch gefuellte) Brot- mit der Muelltuete verwechselt! Und so sind ein Baguette und eine Art Berliner, frisch gekauft heut frueh, in der schwarzen Tonne gelandet. Da nutzt alles Suchen im Schiff nix, die Tuete ist weg und es ist heute nur eine von Bord genommen worden. Der Kaeptn ist stinkig und fluechtet wortlos vom Schiff. Hat auch was fuer sich: kann ich doch in Ruhe die Tastatur quaelen. Oh, beinah hatte ich doch des Skippers gute Tat von heute frueh vergessen zu erwaehnen. Hat er doch auf dem Weg zum Baguette einen Taschendiebstahl beobachtet. Zwei Jungs haben einem alten Herrn mit Krueken angerempelt und die Geldboerse sanft aus der Tasche gezupft. Der Herr, beschaeftigt mit Gleichgewicht halten und nicht auf die Strasse fallen, hat den Verlust nicht bemerkt. Werner dagegen wohl. Und er hat sich auch gleich beide geschnappt und zurueck beordert. Sie dann aber in eine Lanchette geschleift und ihnen was zu essen gekauft. So iss er, mein Kaeptn, grundgut. Schade nur, dass die Jungs wohl weiterhin klauen werden (muessen), um ueber die Runden zu kommen. Gegen Abend dann nochmal unser Kontrastprogramm: Mit dem Elevador in die Oberstadt, ueber die Plaetze und durch die schmalen Gassen stromern. Kleider gucken, beleuchtete Kirche bewundern. Auf dem grossen Platz ist Musik, viele Menschen sitzen auf den unvermeidlichen Plastikstuehlen. So belebt haben wir den Platz in den ersten Wochen unserer Zeit hier in Salvador nie erlebt. Oder waren wir um die Uhrzeit einfach nie hier unterwegs? Die Relationen verschwimmen irgendwie. Unten am Mercado Modelho ist schon wieder eine Buehne aufgebaut, Werbung flimmert ueber die megagrossen Bildschirme an den Seiten: Nivea und Samba. Witzige Werbung haben die hier teilweise fuer Brasilien. Und bestimmt einen gigantischen Absatzmarkt.Aber mit Livemusik wird das heute offenbar noch nix, die Autos fahren munter an der Buehne vorbei, nix ist abgesperrt. Nachschub fuer die unzaehligen Verkaufsstaende, an denen man Trinknuesse bekommen kann Alles nur Fassade - ob da wirklich mal VIP Haupteingang zu was? Wird das mal was, war mal was?? Salvador abseits von glaenzenden Hochhausfassaden oder renovierten Kirchen Nicht das Bild ist schief, sondern der Holzmast, der die Stromkabel haelt (oder auch nicht) Die obere Altstadt - beleuchtet, schoen heraus geputzt und belebt