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Typische Strasse in Itaparica. Viele Fassaden sind sehr
gepflegt und aufgehuebscht, aber eben nur Fassaden.
Die eigentlichen Haeuser stehen oft mit etwas Abstand zur Fassade
und sind von “draussen” kaum erkennbar

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Ankerplatz mit “na ja” vor Itaparica

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Bar-Katze im Mercado bzw. in der Bar “Porto dos Amigos”
in Itaparica auf Itaparica

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Hobiecats an der Hafenpromenade von Itaparica
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Typischer “Imbiss” auf Itaparica - eine Launchette. Die gibt es hier massenhaft und alle sind gut frequentiert
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Kirche mit Spielplatz davor - das nenn ich doch mal eine kinderfreundliche Gemeinde!

Da sitzen wir nun auf Itaparica - bzw. liegen dort vor Anker - und geniessen die Idylle und Beschaulichkeit dieser beliebten Ferieninsel. Jetzt zu Ostern ist sie natuerlich ein ausgemachtes Ziel fuer Motor- und Segelboote jedweder Groesse und Art. Nur allzuoft sieht man auf den dicken Motorbooten die relativ hellhaeutige Familie sitzen, am Ruder steht ein dunkelhaeutigerer Brasiliano. In der Marina angekommen, entschwindet die Eignerfamilie dann mit Rollkoefferchen Richtung Landdomizil waehrend der Boat”boy” an Bord bleibt, wischelt und poliert, die Marina mit lauter Musik beschallt und am Abend den Fischen mit blauen Unterwasser-LEDs heimleuchtet. Das Ankern ist wieder sehr spannend, drehen wir uns doch allzuoft kontraer zu unseren Nachbarn. Fast scheint es, als sei unsere Lady etwas faul und der Meinung, zu haeufiges Drehen mit Wind oder Stroemung sorge fuer Schwindel. Natuerlich kommen wir dabei mal wieder unserem - uns etwas zu dicht auf die Pelle gerueckten Nachbarn - bedenklich nahe; nicht unsere Schuld, schliesslich waren wir vor ihm hier. Der geht dann aber zum Glueck heute ankerauf und wir haben wieder ausreichend Platz zum Schwoien. Heute, am Ostersamstag verschwinden ueberraschend viele Boote wieder. Vielleicht ist ja auch hier grosses Familientreffen und Kirchgang angesagt. Ostereier suchen? In den Supermaerkten haben wir jedenfalls grosse, in glitzernde Folie eingewickelte Schokoeier haengen sehen. Es scheint also auch hier einen aehnlichen Brauch zu geben. Ein komisches Gefuehl hatten wir allerdings , die letzten Tage hier auf der Insel. Nur wenige Meilen von Salvador entfernt und doch in einer scheinbar anderen Welt zu sein. Ein Polizeistreik hat in der Stadt fuer einen rapiden Anstieg der sowieso schon hohen Kriminalitaetsrate gesorgt. Es gab 39 Tote, unzaehlige Einbrueche, Ueberfaelle und Pluenderungen. Die Supermaerkte und Shoppincenter schlossen ihre Pforten, die Regierung entsandte das Militaer und eine Spezialeinheit - zu spaet fuer die Ermordeten! Was wuerde wohl in Deutschland passieren, wenn ploetzlich keine Polizei mehr praesent waere? Wuerde es ueberhaupt soweit kommen? Einige, hier schon laenger lebende Europaer, schimpfen ueber die schlechte Erziehung, die fehlende soziale Kultur, ueber die starken afrikanischen Einfluesse der Einwohner Bahias. Aber kann man das damit wirklich erklaeren? Wo liegen die wahren Ursachen? Gerade in Salvador sind die Kontraste so extrem. Da stehen einerseits im Ortsteil Barra die schicken, gepflegten (und natuerlich eingezaeunten, gut bewachten) Hochhaeuser. Die Promenade wird aufgehuebscht, die Straende sind sauber und einladend, das Museum im Leuchtturm laedt zu einem Besuch ein, die Shoppingcenter sind gross, modern und mit vielen Nobelmarken und Labels bestueckt. Das neue, grosse Fussbaldstadion protzt unweit des Pelourinho, eine S-Bahn ist irgendwie immer noch im Bau. Daneben die Favelas und Schlagloecher in den Strassen, in denen ein Autoreifen muehelos zur Haelfte verschwinden kann. Marode, verfallene Gebaeude, leerstehende Bueroetagen und Wohnhaeuser. Sicherlich hat sich viel veraendert in Brasilien, vieles ist besser geworden. Aber die Menschen stehen der Verschwendung von Milliarden fuer die Fussball-WM kritisch gegenueber. Und das, obwohl sie so Fussballbegeistert sind. Das Geld haette man sicherlich besser und sinnvoller in soziale Projekte, in die Infrastruktur, den Strassenbau oder was auch immer stecken koennen. Was von der WM bleibt, wenn die Spiele vorbei sind? Riesige, meistens leerstehende Stadien, deren Unterhalt weiterhin Geld kostet sowie Bahnverbindungen zwischen Flugh?fen und eben diesen Stadien, die dem gemeinen Brasilieiro wenig Nutzen bringt. Und wir sitzen hier fernab von all dem, halten einen Schwatz mit dem Wirt der kleinen Bar “Porto dos Amigos” im Mercado von Itaparica, lassen uns den frittierten Fisch mit Reis und Bohnen schmecken und geniessen den ruhigen Abend an Bord. Kontraste in einem kontrastreichen Land mit vielen Problemen, jedoch auch vielen liebenswerten und freundlichen Menschen. So oft bekommen wir hier ein Bom dia gewuenscht und den erhobenen Daumen, wenn wir mit unseren kaerglichen Sprachkenntnissen antworten oder einfach nur freundlich laecheln. Wenn wir ein Bier in der kleinen Bar bestellen und nicht in die etwas aufgehuebschten Touristenlokale gehen. Wir sind uns nicht zu fein fuer die wackeligen Plastiktische und -stuehle und werden unverdrossen auf portugiesisch zugetextet, obwohl wir doch offensichtlich nur wenig davon verstehen. Das Woerterbuch hilft nur begrenzt weiter. Trotzdem fuehlen wir uns wohl hier, auch wenn der hiesige Bomprecco Supermarkt ebenfalls gepluendert und geschlossen wurde. Die kleinen Geschaefte bieten ein fuer uns vollkommen ausreichendes Angebot an Fleisch, Fisch, Fruechten, Gemuese und anderen Dingen, die wir grad zu benoetigen meinen. Qualitaet und Preise sind dazu noch besser als im anonymen Supermarkt. Die Anerkennung der Betreiber angesichts unserer nicht vorhandenen Beruehrungsaengste gibt es gratis dazu. Brasilien ist anders, gewoehnungsbeduerftig sicherlich, aber wir sind froh, hierher gesegelt zu sein und diese Erfahrungen machen zu koennen. Es zu geniessen, im zwar nicht kristallklaren, aber doch samtweichen warmen Wasser ums Schiff schwimmen zu koennen, einen Ausflug auf die Sandbank zu machen, andere Segler zu besuchen oder einfach nur zu beobachten, wie unser Schiff gerade mal wieder gemaechlich ueber unseren Anker treibt und mal wieder die lange Nase vorwitzig und vollkommen kontraer zu den Nachbarn in die Sonne reckt. ‘Hoppala, die gucken mich ja alle an, da dreh ich mich doch mal ganz schnell auch rum. Wenigstens ein bisschen, Boot muss ja schliesslich nicht jeden “Trend” bis zur Endkonsequenz mitmachen’.