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Inspiriert durch die Dannemann-Website und deren blumigen Beschreibungen von Cachoeira und Sao Felix soll es heute, Dienstag, mit dem Bus nach Cachoeira gehen. Frueh aufstehen, schnelles Fruehstueck, Gasflasche abdrehen, alles regendicht verstauen und los geht es. Soll es gehen, denn: Kaeptn ist pflichtbewusst und schaut auch noch mal in die Bilge (zum ersten Mal seit einigen Tagen…).Und oh Wunder, was ist drin??? Natuerlich Wasser!!! Betroffene Blicke, Rucksack wieder absetzen, Lenzpumpe starten. Wir bemuehen die kleine Bohrmaschinenpumpe und die Puetz. Damit haben wir einen besseren Ueberblick, wieviel Wasser gelenzt wird. Und das ist ueberraschenderweise gar nicht viel, noch nicht mal 10Liter holen wir raus, glasklar und die Geschmacksprobe ergibt: auch nicht wirklich salzig …. Vielleicht Regenwasser?? Das wuerde bedeuten, dass die Schlaeuche der Cockpitzlenzer ein Problem haben. Und da es die letzten beiden Tage bzw. Naechte immer wieder mal heftig geregnet hat, waere es damit erklaerbar. Ich wuerde das gerne weiter beobachten und den Ausflug verschieben, der Kaeptn ist der Meinung: Wasser ist raus, alles ist dicht, Automatikpumpen sind an – wir fahren. Brummelnd (aber nur leicht) fuege ich mich und wir starten mit etwas Verspaetung in den regnerischen Morgen. Rodoviaria kennen wir ja nun schon. Tickets holen, Wartezeit beim Schlange stehen im kleinen Supermarkt, schnell noch mal auf die Toilette und dann rollt auch schon der Bus vor und faehrt auch puenktlich ab.

Wir rollen auf einer zweispurigen Strasse stadtauswaerts. Favelas ziehen sich die Huegel hinauf. Hier stehen kaum noch Hochhaeuser. Immer wieder stockt der Verkehr – warum wollen die um diese Uhrzeit alle raus aus der Stadt? Es nieselt und alles ist wunderbar gruen draussen, Zuckerrohrfelder von gigantischen Ausmassen, Weiden, Baeume, Palmen – fast wie in Deutschland. Aber nur fast. Immer wieder stoppt der Bus an unscheinbaren Haltestellen. Am ehesten noch als solche erkennbar durch die obligatorischen Verkaufsstaende fuer Getraenke, Obst und Suessigkeien. „Aquaqua“ schallt es durch die geoeffneten Fenster und die Strassenverkaeufer wandern am Bus entlang.

Nach ca. 59 km verlassen wir die Autobahn BR 324und fahren auf einer Landstrasse weiter,der BA026. Nach 11 km erreichen wirSanto Amaro, eine etwas groessere Ansiedlung mit Busterminal.Kurzer Stopp. Ein kraushaariger, dunkelhaeutige Mann streckt seinen Kopf durchs vordere Fenster und textet die Reisenden zu. Manchmal ist es auch vorteilhaft, wenn man nix versteht. Weiter geht die Fahrt durch endlose Viehweiden, auf denen helle, fast weisse Rinder weiden oder doesen.Hin und wieder sind auch Pferde, Esel und Maultiere zu sehen. Fazendas liegen etwas ab von der Strasse und immer wieder fahren wir durch kleinereSiedlungen, deren Haeuschen die Strasse saeumen. Maultiere sind unter Baeumen „geparkt“ oder transportieren Besitzer und Lasten. Und immer wiederVerkaufsstaende: Obst, Getraenke. In jedem zweiten, dritten Haus scheint eine Bar oder ein Restaurante zu sein. Rotbraune Feldwege winden sich seitlich weg in die Weiden hinein und verschwinden im Nichts.Durch eine huegelige Landschaft rollt der Bus Cachoeira entgegen, dessen erste Haeuser zwischen zwei Bergruecken unter uns auftauchen. Dann sind wir auch schon mittendrin: Marktstaende, geschaeftiges Treiben, Maultierkarren, Geschaeftigkeit, lautes Rufen, hupende Autos und laut brummende Motorraeder – alles flitzt wild durcheinander. Ein Mann zerrt ruede am Zaumzeug seines Mulis. Das arme Tier ist nicht willens, zu dem ganzen Geroedel auch noch seinen Besitzer zu tragen, bockt etwas rum und prompt fallen einige Tueten auf den Boden. Was den Besitzer natuerlich zusaetzlich veraergert. Irgendwie einigen sich die beiden dann doch und traben los. Da die meisten Reisenden den Bus hier verlassen, steigen wir vorsichtshalber ebenfalls aus, wandern durch die Strassen und finden die Touristinfo. Versorgt mit einem kleinen Stadtplan und dem Wissen, wo die von uns gesuchte Pousada Cnvento do Carmo liegt, laufen wir in die angegebene Richtung. Auch hier sind viele Haeuser marode, einige werden gerade saniert. Imposante Kirchengebaeude, das Rathaus mit integriertem Gefaengnis (2 Zellen), mehrere baumgesaeumte Plaetze – ueber allem ziehen sich drohend dunkle Gewitterwolken zusammen.

Der Eingang zur Pousada liegt direkt neben den eindrucksvollen Kirchentueren. Die ‚Igreja da Ordem Terceira do Carmo’ ist allerdings verschlossen, was uns momentan aber auch nicht wirklich interessiert. En Zimmer ist noch frei und wir bekommen es dann sogar noch fuer den guenstigeren Preis von 105 Reais. Ein etwas kraeftiger, franzoesisch sprechender Herr bringt uns zur Kemenade. Die verbirgt sich hinter einer dicken Holztuer und ist sehr schlicht aber sauber eingerichtet.Blick in Bananenstauden und auf ein weidendes Pferd inbegriffen. Die Zimmer liegen alle hinten raus waehrend die langen und breiten Flure ihre Fenster zum wirklich idyllischen Innenhof oeffnen. Ein kleiner Pool lockt mit seinem frischen Blitzblau. Koennen wir nicht vielleicht erstmal schwimmen??? Nein, wir gehen jetzt gleich los, vielleicht finden wir ja schon heute die Firma Dannemann und koennen die Zigarrenproduktion besichtigen.

Nach einer kurzen Dusche (hier kommt richtig warmes Wasser aus der Brause!! Wie ungewohnt!!) geht es also gleich wieder los. Natuerlich erstmal zum Wasser! Der Fluss windet sich durch ein sanftes, ueppig gruenes Tal. Einige Boote liegen an Moorings und auf der ehemaligen Anlandestelle der Dampfboote ist heute eine Bar aufgebaut. Mehrere schoen gestaltete Plaetze mit hohen Baeumen, einem Springbrunnen und Sitzbaenken laden zum Verweilen ein. In einer Bauruine ist eine Autowerkstatt angesiedelt. Die meisten Reparaturarbeiten werden eh auf der Strasse durchgefuehrt, da stoert es doch nichtweiter, dass das Haus kein Dach mehr hat und eigentlich nur noch aus der Fassade besteht.

Kurz vorm stillgelegten Bahnhof von Cachoeira und der Bruecke ueber den Fluss finden wir dann noch das eigentliche Busterminal. Hier bekommen wir die Fahrkarten fuer unsere Rueckfahrt und die Abfahrtszeiten der Santana-Busse.

Ueber die Bruecke geht es fuer Autos und LKW nur einspurig. Auf beiden Seiten steht je ein Mann mit Funkgeraet. Wird eine Seite gesperrt, dann stellt der jeweilige „Schrankenwaerter“ grosse Plastikhuetchen auf und der Verkehr haelt brav dahinter an. Fussgaenger, Mopeds, Motorraeder (sehr beliebte Fortbewegungsmittel hier) und Fahrraeder koennen die Bruecke jederzeit passieren. Es sei denn, es kommt ein Zug! Und die fahren hier tatsaechlich auch noch!! Eine riesige Lok zieht mehrere, schwere Tankwaggons hinter sich her, eine zweite Lok ist hnten angehaengt, rangieren ist am Bestimmungsort wahrscheinlich nicht moegllich. Mit lautem Quietschen und Kreischen legen sich die Waggons in Sao Felix in die Kurve und der ganze Tross rattert mitten durch den kleinen Ort. Fuer uns ein besonderes Spektakel, fuer die Einheimischen wahrscheinlich gewohnt und trotzdem laestig, da der Zug sehr langsam faehrt und die Bruecke entsprechend lange blockiert.

In Sao Felix (das wir mittlerweile ueber besagte Bruecke mit Namen ‚Imperial Pointe Dom Pedro II’, kurz Dom Pedro genannt, erreicht haben, wenden wir uns ausnahmsweise zielstrebig NICHT dem Flussufer zu und laufen somit erst einmal um die Firma Dannemann drumherum. Dabei entdecken wir einige ganz nette Gebaeude und sind mitten im Alltagsleben von Sao Felix. Aber die Realitaet und die blumigen Worte von der Dannemann www erscheinen uns doch arg different! Egal. Mit Nachfrage – die Leute sind auch hier sehr freundlich und hilfsbereit – finden wir dann noch das Dannemann Gebaeude. Direkt am Fluss gelegen mit Blick auf Cachoeira! Eine Senora fegt die Strasse, fordert uns aber sogleich zum Eintreten auf. Ja, die Zigarrenmanufaktur ist geoeffnet und kann besichtigt werden. Erst einmal bewundern wir aber die wundreschoenen Fenster und Tueren in der Fassade, durch deren blaues und gruenes Glas das Tageslicht faellt und eine angenehm kuehle, bunte Daemmrigkeit erzeugt. Gemaelde und grossformatige Fotos zieren die Waende des Empfangsgebauedes. Ausser uns scheint hier niemand zu sein. Eine Etage hoeher kann man von einer Empore aus in die Manufaktur schauen und diese dann ueber eine weitere Treppe auch betreten. Ray, ein englischer Student, fuehrt uns ganz exclusiv herum, erklaert alles ganz genau und weiht uns in die Geheimnisse der Zigarrenfertigung ein. Auch fuer Nichtraucher sehr interessant. An mehreren Werktischen sitzen farbenfroh und im einheitlichen Stil gekleidete Senoras und rollen von Hand die Zigarren, schnippeln an den Enden herum, pruefen die Dichte der sog. Filler, packen das Label drumherum und rauchen auch schon mal eine. Eine entspannte, ruhige und doch froehliche Stimmung herrscht in dem hohen, luftigen Raum. In einem kleinen Hof kann man noch groessere Tabakpflanzen bewundern oder einfach nur im Schatten auf einer Bank sitzen und ausruhen. Nach gut2 Stunden ziehen wir wieder weiter. Ein schoenes Erlebnis und eine sehr interessante Fuehrung. Wenn man bedenkt, dass auf dieser Manufaktur das weltweit bekannte Unternehmen Dannemann beruht….wobei die meisten Produkte heutzutage sicherlich nicht mehr von Hand gerollt werden.

Am Ufer weiden Maultiere und Pferde, teilweise auf einem Spiel- und Sportplatz. Der liegt aber irgendwie wohl im Hochwasserbereich des Rio Paraguacu und ist nicht wirklich mehr benutzbar – was die Pferde natuerlich nicht stoert.

Oberhalb von Sao Felix thront in einer Ansammlung bunter, kleiner Haeuschen ein weithin sichtbares Kreuz. Von dort soll man einen fantastischen Blick auf Cachoeira und das Flusstal haben. Der Aufstieg erscheint uns aber als ziemlich steil und muehselig, das schenken wir uns also und wackeln entspannt ueber die Bruecke zurueck. Fuer heute war das schon ganz schoen viel Programm finden wir.

In Cachoeira steht jetzt am Bahnhof tatsaechlich so eine Art Tor auf. Die Gleise verschwinden im Bahnhof und offenbar quetscht sich der Zug hier durch. Unglaublich.

An der breiten Rua 25 de Juno ruhen wir aus vom Tag, staerken uns mit Bier und Caiprinha. Letzterer schmeckt derart lecker, dass ich noch einen zweiten nachordere. Gut, dass wir es bis zur Pousada nicht so weit haben :-)!

Aber vorher steht Antonio ploetzllich vor uns. Erzaehlt und erzaehlt. Ich versteh wieder mal meistens nur Bahnhof, er lacht viel und hat angeblich 8 Kinder mit drei verschiedenen Frauen. Trinkt keinen Alkohol und nimmt keine Drogen, ist seit einigen Jahren sehr glaeubig und zu Hause hat wohl die 3. Senora die Hosen an. Mit seiner Mimik und Gestik haette er locker Schauspieler werden koennen. Ob erwohl eine Gage verlangt? Er gibt uns Tipps, will wissen, wo wir wohnen (sollen wir ihm das erzaehlen??) und flitzt von dannen, um uns mit einem Stadtplan aus der Touristinfo zu versorgen. Den Plan haben wir laengst, die Touristinfo ist ausserdem schon geschlossen, aber immerhin hat er unterwegs eine Handvoll Popcorn ergattert. Die futtert er jetzt zwischen weiterem Lachen und Erzaehlen. Irgendwann ruft ihn dann die Wirtin das drittemal und sehr energisch und wie ein kleiner Bub spurtet er los und hilft ihr dabei, irgendwelche Koerbe im Auto zu verstauen. Mopeds (meist Enduros) knattern mit Jugendlichen die Strasse rauf und runter. Aus einem Lautsprecher schallt ein lokaler Radiosender unentwegt Text- oder Musikbeitraege. In der Bar ruestet man fuer den Abendbetreib auf: Tische und Stuehle werden von der jungen Bedienung in einer weiteren Reihe auf dem Strassenpflaster platziert. Kurze Zeit spaeter kommt der Chef, raeumt Tische und Stuehle in die Bar hinein und stellt dafuer andere aus einem Stapel auf die Strasse. Dicke Fragezeichen bei uns, was die Aktion jetzt sollte??? Hier koennten wir ewig sitzen bleiben, die Stimmung und den Abend geniessen. Es ist angenehm temperiert, die Beleuchtung allerdings stromspartechnisch kaltweiss. Und nach dem Abendessen hab ich nur noch das Beduerfnis, in die Waagerechte zu kommen! Fuer eine Poolrunde ist es eh schon zu spaet, also ab ins Klimaanlagentemperierte Kaemmerlein.