Der Aequator ist gequert - mitten in der Nacht (01:03:07 UTC) und unter dem Licht des Vollmondes motoren wir ueber die Null-Linie!! Wo sind die Fanfaren, Troeten, Faehnchen?? Ich bin noch etwas zerknittert vom schlafen (ja, ich hoere schon einige besonders nette Menschen sagen: wieso, biste doch immer) und meine Stimmung neigt sich ebenfalls einer Art Nullpunkt zu. Positiv daran ist ja, dass es dann nur wieder aufwaerts gehen kann. Leider finde ich den Coco-Ponche von Santo Antao nicht mehr in dem Flaschenwirrwarr unterm Salontisch. Dabei wollten wir den zur Feier der Stunde oeffnen. Naja, dann wird es halt doch Saft, ist ja auch gesuender und fuer den Caeptn vertraeglicher. Fotos machen von der Plotteranzeige, Emails schreiben und die Welt von diesem, fuer uns schon sehr bedeutenden, Schritt informieren. Das Pactormodem quaelt sich durch eine Mail mit Fotoanhang, die Mehrminuten an Sendezeit goenne ich mir heute. Denn Strom haben wir ja satt. Laeuft doch seit ca. 15 Uhr des Vortages die Maschine. Das Meer ist ruhig und zeigt sich von unserem bedeutenden Moment voellig unbeeindruckt. Das ich das nochmal erleben darf: Eine oelglatte Wasserflaeche auf dem Atlantik! Eine gaaaaanz lange, Softduenung wiegt uns weiter gen Sueden. Die Windprognosen sind nicht so berauschend. Ach was, wird schon nicht so schlimm werden. Heute frueh dann kraeuselt sich das Wasser mal wieder etwas. Verflixt, da muss doch Wind sein. Ist ja auch - von vorn und irgendwas um die 6 Knoten. Noch nicht mal Jack, der alte Oeddeler zeigt sich davon beeindruckt und schweigt auf dem Geraetetraeger vor sich hin. Die Taufe holen wir jetzt, bei Tageslicht, noch nach. Schwapp, nichtsahnend bekomme ich vom Caeptn eine Ladung Atlantikwasser uebern Kopp. Duschen wollte ich zwar, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Die Revanche folgt, wenn auch nicht so unerwartet wie bei mir. Emails schreiben, in der Sonne braten. Fuer Werner liegt eine Karte von seiner Geburtstagsfeier parat und will gelesen werden. Sein Sohn Max hatte ja allen Gaesten Blankokarten in die Hand gedrueckt. Mit der Bitte um nette Texte und liebe Segenswuensche sollten die dann jeweils zu einem bestimmten Datum vom Jubilar (Werner) im Laufe des Jahres gelesen werden. Und daran halten wir uns auch brav. Wie passend, Freunde von uns vermuten uns ganz richtig just am heutigen Tag mitten auf dem Atlantik, auf dem Weg nach Brasilien. Oder vielleicht schon angekommen? Das gibt doch gleich eine Emailantwort. Und mitten im Schreiben heisst es “Wal, da blaest er”!! An Backbord ziehen mindestens 3 Tiere an uns vorueber, leider zu weit weg fuer Fotos. Dann aber geht es Schlag auf Schlag: achteraus kreuzen ebenfalls 3 oder 4, an Steuerbord kommen welche, an Backbord nochmal. Nie ganz nah am Schiff aber immerhin kann man auf den Fotos ein klein wenig von ihnen erkennen. Langsam und majestaetisch tauchen mal die Fluken, mal ein Stueck Kopf oder Koerper auf, mal sieht man die Wasserfontaenen. Bei einem Tier scheint ein kleineres ganz dicht dran zu sein - Mutter und Kind vielleicht? Ob wir ihre Zugbahn gestoert, sie zum ausweichen gezwungen haben?Mit ihren sensiblen Ortungsmoeglichkeiten sind sie unserer ganzen Technik weit voraus und haben uns lange schon bemerkt. Der Mensch an Bord der naja dagegen ist drauf angewiesen, dass ihn sein optisches Sinnesorgan informiert - das kann dann schon mal etwas zu spaet sein. Wir sind tief beruehrt von diesem faszinierenden Anblick und schauen den Wasserfontaenen lange hinterher, stehen strahlend und tief beruehrt wie Kinder unterm Weihnachtsbaum. Dann ziehen wieder Wolken vor uns auf. In der Nacht schon hatten wir wieder einen heftigen Regenschauer, der genau ueber uns niederging. Jetzt troepfelt es nur dezent. Ein Blick auf die Windanzeige - ?sollen wir nicht mal die Maschine ausmachen und schauen, was geht?’ Die Genua zieht schon eine Weile mit, aber bislang kam der Wind mehr so zwischen 30 und 20? aus Sued, das schafft unser Maedchen dann doch nicht. Jetzt aber pendelt der Zeiger zwischen 30 und 60? Einfallswinkel, da muesste doch was moeglich sein?.. Und wir segeln! Nicht schnell, aber mit Windstaerke um die 8 Knoten eine Geschwindigkeit von 3,5 Knoten -das finden wir gut. Und gut finden wir auch die jetzt wieder herrschende Ruhe. Nur das Zischen des Wassers am Rumpf, das leichte Flattern des Unterlieks - und natuerlich Jack auf dem Geraetetraeger, der jetzt auch wieder gewillt ist, zu arbeiten. Erstaunlicherweise hat auch unser Autopilot sein nerviges Piepen eingestellt. Fehlermeldung gab es keine, Manual hoch und runter gelesen, nix gefunden. Als die Maschine aus, ist auch der Piepton weg - wusste der vielleicht schon viel frueher wie wir, dass wir eiiiigentlich auch segeln koennten??? In der naechsten grauen Wolke klettert der Wind dann auf ueber 12 Knoten, was von Madame mit einer Geschwindigkeit von ueber 5 Knoten Fahrt quittiert wird. Am Wind-Kurs, das kann sie auch ganz gut. Das ist doch ein Tag - jetzt auch noch segelnd durch die Kalmenzone, fuer die saemtliche Wetterberichte erst gar keine Windfaehnchen in diesem Bereich dargestellt hatten. Wind sollte erst bei 3-4?S wieder kommen. Positive Ueberraschung also. Immerhin gut 4 Stunden feinstes Amwind-Segeln ist uns gegoennt. Dann flaut der Wind wieder ab, wir daddeln noch eine Weile mit einer Welle aus Sued-Suedost (also so halb gegen uns) durch die Duenung. Das macht keine Freude. Also doch wieder Maschine an?! Mit dem drehen des Zuendschluessels ertoent auch das vertraute “Piep-Piep-Piep” wieder, anhaltend dieses Mal und schon sehr genervt klingend - ?haben die denn immer noch nicht kapiert, dass was nicht in Ordnung ist’. Motor wieder aus - Piepen weg. Motor an - Piepiepiep. Richtig jaemmerlich jetzt. Bei uns kommt die Erinnerung: Jahrelang hatten wir keine akustische Warneinrichtung fuer unseren Motor, irgendwann dann wurde diese nachgeruestet, ist aber bis dato nie aktiv geworden. Heute also Premiere. Erst einmal Erleichterung unsererseits: Mit dem Autopilot zumindest ist alles in Ordnung. Dann Raetselraten - was kann denn mit dem Motor los sein? Oeldruck und Temperaturanzeige sind absolut in Ordnung. Oelstand und Impeller werden geprueft - sieht alles normal aus, Kuehlwasserkontrollstrahl ist ebenfalls vorhanden ?. Was verflixt will uns dieses Piepen also mitteilen? Fuers erste ignorieren wir es, behalten aber die Anzeigen im kritischen Blick und wollen spaeter im Werkraum, wo das Motorenpaneel von hinten zu bewundern ist, nochmal die Kabelage kontrollieren. Vielleicht ist einfach nur Regenwasser eingedrungen oder ein Kabel abgerutscht oder oder oder. Elektriktrik (oder -tronik) ist ja soooo vielschiechtig und gehoert meiner Meinung nach eh ins Reich der Fabeln und Mythen. Zum Abendessen lugt nochmal die Sonne hinter den grossflaechigen Wolken hervor und unsere treuen Begleiter, die Seevoegel, verwoehnen uns wieder mit ihren eleganten Schaufluegen, surfen dicht uebers Wasser, fliegen elegante Kurven und beaeugen uns immer wieder mal interessiert. Fliegende Fische kommen keine mehr aufs Deck - die abschreckende Wirkung des dahingeschiedenen Genossen auf unserem Vordeck scheint weiterhin anzuhalten. Unser 9. Etmal betraegt 130 Seemeilen, aktuelle Position um 18:57 UTC: 01?32,273′S (Sued!!) und 029?39,89′W - Kurs: 206? - SOG (unter Maschine laufend) 5,6 Knoten Laut unserem Betriebsstundenzaehler haben wir somit seit unserem Start in Mindelo 33 Stunden motort. Wir dachten, es seien ein paar weniger und kamen auf 27 Stunden ? das muessen wir noch mal mit dem Zaehler abklaeren. Trau, schau, wem!