Donnerstag, 27.02.2014

Nach einer ungewohnt ruhigen Nacht (nix wackelt, schaukelt oder ruckt) zieht es uns noch vor dem Fruehstueck wieder an den kleinen Fischerhafen. Werner hat schon vom Fenster aus ein auslaufendes Fischerboot(chen) beobachtet, das muessen wir uns jetzt natuerlich auch aus der Naehe anschauen.

Nach dem Abenteuer Dusche (auf der Toilette sitzend kann eine zweite Person Dank des aus allen Fugen des Brausekopfes spruehenden Wassers locker mitduschen, waehrend der eigentlich Duschende nur ein schwaches Rinnsal entweder kochend heisses oder kaltes Wasser abbekommt) und eine Reparatur der Toilettenspuelung geht es also ans Wasser. Schon komisch, da haben wir das 24 Stunden um uns herum und dann zieht es uns in unserem Urlaub vom Schiff schnurstracks doch wieder ganz magisch zu eben diesem Element hin.

Unter dem Dach des kleinen Pavillons sitzen bereits einige Maenner, kartenspielend oder das traditionelle kapverdische Brettspiel vor sich, rauchend, erzaehlend, lachend. Der kleine fahrbare und mit einem Hai bemalte Imbiss hat seine Luke noch geschlossen. Dafuer ist der im alten Zollhaus untergebrachte Souvenirshop bereits geoeffnet und wartet auf Kundschaft. Davon gibt es hier im Prinzip reichlich: Ponta do Sol scheint bei Wanderern ein sehr beliebtes Ziel zu sein, es gibt einige Pensionen und auch Hotels.

Tatsaechlich macht sich gerade ein Fischerboot zum auslaufen fertig: Der Aussenborder wird angehaengt, 3 Maenner schieben das Boot ins Hafenwasser und nehmen ihre Plaetze ein. Einer am Motor als Steuermann, die anderen packen die langen Holzriemen und halten das Boot in Position. Wie alle Aussenborder so haben auch diese hier die Eigenheit, nicht ganz stoerungsfrei zu laufen und es werden mehrere Startversuche benoetigt. Die Maenner auf der Pier beobachten derweil den Wellentanz draussen vor der Mauer und geben Zeichen, wenn eine guenstige Auslaufphase beginnt oder wenn grade mal wieder eine Monsterwelle auf die schmale Hafenzufahrt zulaeuft. Dann ist es soweit: Der Motor bekommt Vollgas und es heisst „Ab durch die Mitte“. Richtig elegant sieht das aus. Draussen dann balancieren die Maenner den Ritt ueber die Brandungswellen stehend aus und schon ist das Boot nur noch ein kleiner, bunter Punkt auf dem Meer.

Jetzt koennen wir zum Fruehstueck gehen. Das nehmen wir im stilvoll eingerichteten Wohnzimmer der Familie ein. Eine Hausangestellte versorgt uns mit pechschwarzem Kaffee und frisch zubereiteten Omelettes. Kuchen (hmm….hmmmmm….nach was schmeckt der??? Egal, jedenfalls ist er total lecker!), Kaese, Marmelade, Broetchen, Bananen – wir vermissen nichts. Der Hausherr kommt, die rheuma- und gichtgeplagten Knochen auf einen Gehstock gestuetzt, um uns zu begruessen. Nach vielen Jahren auf See geniesst er nun die Fuersorge der Familie, erfreut sich an den wohlgeratenen Kindern und Enkelkindern und managt mit seiner Frau die Zimmervermietung der Pension Dedey. Sein Deutsch ist sehr gut und der freundliche, alte Herr erinnert Rosi an die Gutsherren aus ihrer venezulanischen Jugend.

Gut gestaerkt bummeln wir noch etwas durch die Gassen von Ponta do Sol, finden die kleine Baeckerei wieder, vor der wir gestern bereits standen. Heute frueh zieht doch tatsaechlich ein verfuehrerischer Duft nach frischen Backwaren aus der schlichten Holztuer. Also nix wie rein! Drinnen sieht es so gar nicht nach Baeckerei aus, Kanister stapeln sich neben Brennmaterialien aller Art. In einer besonders dusteren Ecke steht der Backofen und der Baecker beginnt gerade, grosse Bleche mit Broetchen und kleinere mit Broten aus dem Ofen zu holen. So wie die Bleche auf der gemauerten Ablage mehr werden, vermehren sich auch die Kunden. Eine kleine Schlange bildet sich. Es wird erzaehlt und gelacht. Wahrscheinlich finden es die Einheimischen lustig, dass wir das alles so bestaunen und auch noch fotografieren. Schliesslich sind auch wir an der Reihe und dampfen mit zwei Tueten warmer, duftender Broetchen wieder ab. Rosi strahlt mit der Sonne um die Wette: Was fuer ein gelungener Tagesbeginn!

An der Hauptstrasse treffen wir unser Aluguer von gestern wieder und handeln den Fahrpreis fuer zwei Tagestouren aus. Pro Tag 40 Euro erscheinen uns angemessen. Dafuer koennen wir uns alle vier entspannt zurueck lehnen und die Ausblicke geniessen. Und bekommen von Pedro noch das ein oder andere ueber seineHeimat erzaehlt. Die Touren sind besprochen, los geht es.

Entlang der Kueste geht es bis nach Villa das Pombas (auch Paul genannt). Hier fuehrt eine traditionell gepflasterte Strasse in das gleichnamige Tal, was uns sogleich mit seinem saftigen Gruen und der vielfaeltigen Vegetation gefangen nimmt. Zuckerrohr, Papaya, Mango, Kaffeepflanzen,Gemuesebeete und dazwischen hohe Baume, deren Namen mir nicht bekannt sind. Schulkinder laufen in kleinen Gruppen die Strasse entlang, maskiert, karnevalmaessig bemalt oder die Jungs mit selbstgebastelten Trommeln im Arm.

Ein blitzblaues Schwimmbecken kontrastiert im Tal mit pinkfarbenen Bougainvilleae. Maenner arbeiten auf den terrassierten Zuckerrohrfeldern. Steinmauern durchziehen ueberhaupt in vielfaeltigen Variationen die Taeler hier, sind notwendig und wichtig. Wasser plaetschert und die Wasserbecken sind gut gefuellt, eines wird von zwei Jugendlichen als Schwimmbecken genutzt. Das Tal ist umgeben von hohen, gezackten Bergen, die sich braun-gruen gegen den strahlendblauen Himmel abheben. Was fuer ein Panorama! Da wird sogar der Antigebirgsmensch Werner schwach und ist einfach nur noch begeistert! Zum ersten Mal können wir verstehen, dass es Europaer gibt, die hier haengen geblieben sind.

In Cabo de Ribeira ist fuer das Aluguer Endstation. Lokale Aluguers scheinen zwar noch ein Stueck weiter zu fahren, aber das stoert uns nicht. Von hier aus wollen wir jedenfalls erst einmal ein Stueck laufen. Durch den wirklich kleinen Ort (bestehend aus zwei Kneipen, einem kleinen Supermarkt, einer Autowerkstatt und 5 sonstigen Haeusern geht es in Kurven auf die andere Talseite. Eine Felswand glaenzt nass in der Sonne, weiter unten plaetschert ein kleiner Bach. Ein Hinweisschild fuehrt uns einen Seitenweg zu einer Crogue-Destillerie. Die liegt etwas versteckt zwischen Zuckerrohr, der Geruch ist aber ein unfehlbarer Wegweiser. Vorsichtig betreten wir den Innenhof und bestaunen die Zuckerrohrpresse. Auf der einen Seite Zuckerrohr rein, in der Mitte frisch gepresster Saft raus. Die Reste des Rohres werden hier ganz eindeutig als Brennmaterial verwendet. Die Presse wird zwar bereits maschinell und nicht mehr mit Eseln betrieben, alles andere sieht aber noch sehr traditionell aus. Ein aelterer Mann sitzt an einem Wasserfass und reinigt Flaschen. Ganz stolz praesentiert er uns das Ergebnis seiner juengsten Bemuehungen fuer ein Foto. Der Sohn des Destillerieinhabers erklaert uns alles ausfuehrlich, beantwortet geduldig unsere Fragen, laesst uns schauen und probieren. Ehrensache, dass wir im kleinen Verkostungsraum dann auch Ponche, Doce und herrlich duftende Kaffeebohnen kaufen.

Leider bleibt uns nun keine Zeit mehr fuer eine Fortsetzung unserer Wanderung. Unser Fahrer wartet, wir sind schon ueber der vereinbarten Zeit. Begeistert erzaehlen wir ihm von der Destillerie. Etwas talabwaerts legen wir dann noch einen Erfrischungsstop an einem „Deutschen“ Restaurant ein. Der Initator, ein Oesterreicher, lebt seit 32 Jahren auf Santo Antao und im Restaurant werden in erster Linie selbst angebaute Produkte verwendet oder verkauft. Auch Crogue wird hergestellt und die Familie lebt in traditionellen Steinhaeusern mit Schilfdaechern. Auch hier erfahren wir einiges ueber Land und Leute, ueber das Leben hier und ueber geplante Projekte. Was man doch fuer interessante Menschen an solch entlegenen Flecken trifft!

Am Hafen von Ponta do Sol koennen wir dann noch einlaufende Fischerboote beobachten. Der Fang wird in grosse Plastikschuesseln gepackt und zu den Steintischen unterhalb des Pavillons gebracht. Dort ist schon eine Waage aufgebaut und eine ganze Gruppe Menschen steht drumherum. Die Fische werden hin und her geworfen, gewogen, einem Kaeufer zugeteilt, wieder weg genommen und letztendlich vom Gluecklichen abtransportiert. Einige gehen leer aus und tun ihren Unmut darueber auch lautstark kund. Fuer uns ist das ein farbenfrohes Spektakel. Fuer die Menschen dort unten so oder so Alltag und lebensnotwendig. Einige setzen sich gleich ans Wasser und saeubern die Fische, umringt von den unvermeidlichen Hunden und einigen Wattlaeufer aehnlichen Voegeln. Alle hoffen auf ihren Anteil, die Katzen halten sich angesichts der bellenden Uebermacht dezent im Hintergrund.

Dieser tolle Tag findet seinen kroenenden Abschluss in einem leckeren Abendessen im Restaurant Bukinha Salgod (wir hatten am Morgen vorsichtshalber einen Tisch reserviert) mit Livemusik. Zwei Gitarristen, ein trommelnder Saenger und spaeter noch ein weiterer Sangeskuenstler sowie mehrere tanzwuetige Franzosen und Einheimische zaubern eine super Stimmung in das kleine Lokal. Irgendwann sind wir aber von den vielen optischen und akustischen Eindruecken des Tages schlichtweg ueberfordert. Der Magen ist Cachupa-gefuellt und so geht es nach einem kurzen Verdauungsgang durch den Ort ins Bett. Von irgendwoher klingt noch die Musik der durch den Ort ziehenden Karnevalsgruppe her, die Brandung droehnt vom Hafen herauf, irgendwann schlafe ich dann doch noch ein.

Wasserrueckhalte- und Schwimmbecken -universelle Nutzung im Ribeira da Paul

Wasserrueckhalte- und Schwimmbecken -universelle Nutzung im Ribeira da Paul

Schulmaedchen in ihrem Schulkittel auf dem Nachhauseweg

Schulmaedchen in ihrem Schulkittel auf dem Nachhauseweg

Zuckerrohrpresse - hier wird noch ganz traditionell Crogue produziert

Zuckerrohrpresse - hier wird noch ganz traditionell Crogue produziert

In der Baeckerei von Ponta do Sol
Im Ribeira da Paul - Farbenpracht

Im Ribeira da Paul - Farbenpracht

In der Baeckerei von Ponta do Sol