Monats-Archiv August, 2013

Von La Linea nach Porto Santo/Madeira - 1. Tag auf dem Atlantik

Mittwoch, 14.08.2013

Wir sind unterwegs nach Madeira!!!

Sind auf dem tiefblauen Atlantik. Der
schaeumt – vor Wut, vor Freude?? Jedenfalls rauscht eine Welle nach
der anderen von achtern an. Zischend, brausend, das Schiff von rechts
nach links und wieder zurueck schaukelnd.

Wind aus NE, fast von achtern –
Raumschotskurs. Darueber strahlendblauer Himmel und voraus die
Abendsonne, die ihr immer noch gleissendes Licht als Bahn aufs Wasser
wirft.

Werner hat Freiwache. Einen
2-Stunden-Rhythmus haben wir vereinbart. Dank einer
Stutgeron-Tablette ist mir sogar nach Abendessen –
Haehnchengeschnetzeltes mit Nudeln. Wenigsten haben wir die
ungeplante Liegezeit in La Linea zum Vorkochen von Gulasch etc.
genutzt.

Kalt pfeift der Wind in die Plicht. Da
kommt unser neuer Regenschutz an der Sprayhood genau richtig. Was
Regen abhaelt, ist auch bei Wind gut. Gleich sitzt es sich viel
gemuetlicher und man hat trotzdem den vollen Durchblick.

Obwohl wir mit gerefften Gross
unterwegs sind, laufen wir zwischen 5,3 und 6,5 Knoten. Durch die
Strasse von Gibraltar und auch noch ein Stueck darueber hinaus war
mitlaufender Motor angesagt. Was uns zuletzt 7,2 Knoten Fahrt
bescherte.

Versuche, die Genua
schmetterlingsmaessig nach der BB-Seite auszubringen, scheitern
klaeglich. Wildes Hin- und Hergeflappe endet schliesslich in einer
kunstvollen Tuete am Vorstag. Die BB-Schot hat sich um das zu ¾
aufgerollte Segel geschlungen, die Steuerbord-Schot haengt irgendwo
auch noch mittendrin – das Vorstag-Wuhling ist perfekt und nix geht
mehr! Also in den Wind drehen und auf dem Vorschiff (Werner, mein
Held) erstmal alles irgendwie klarieren. Uiuiui, da spuert man erst
so richtig den Wind (25 Knoten!) und die Welle!!

Als alles wieder „ordentlich“ ist,
gehen wir wieder vor den Wind und klarieren die Steuerbord-Schot. Ob
wir vielleicht doch das Gross runter nehmen und nur unter Genua
fahren= Schafft das der Autopilot= Was ist in der Nacht besser
handhabbar?

Wir lassen alles, wie es ist. Die Genua
bleibt eingerollt.

Der Autopilot (Mr Clutch genannt, nach
dem Aerger, den uns die Kupplung letzten Sommer bereitet hatte) muss
zwar ganz schoen drehen und korrigieren, arbeitet aber brav und
zuverlaessig. Wer haette das gedacht nach den letzten Tagen?!?

Malwieder mit Inge & Ralf ist
letzte Nacht auf Porto Santo angekommen. 480 Seemeilen in 3,5 Tagen –
eine schnelle Fahrt. Wir haben gut 100 SM mehr an Wegstrecke – 1
Tag mehr Fahrtzeit? Ungewohnt, wieder auf dem Atlantik zu sein. Dabei
ist er doch gar nicht sooo viel anders wie letztes Jahr. Nur das
Wissen, das da gaaanz lange kein Land kommt da rechts von uns , das
macht (mir jedenfalls) ein klein wenig Bauchgrummeln, laesst mich die
letzten Tage aeusserlich ruhig wirken, treibt mich aber wieder
haeufiger zur Toilette ;-).

Dieses Mal sind es halt mehrere Tage
und Naechte, die wir auf dem Wasser unterwegs sein werden. Wie war
das eigentlich, letztes Jahr auf der Biskaya – ohne
Selbststeueranlage? Wie war das 2005 auf dem Toern mit der Doertita
von den Kanaren zu den Kap Verden? Gedanken kommen und gehen wie die
Wellen.

An Backbord steigt eine schmale, blasse
Mondsichel hoch. Die Sonne voraus sinkt nur langsam tiefer. Das
Schiff aechzt und stoehnt – Holz eben und die Juengste ist sie ja
auch nicht mehr. Was so ein Schiff, was das Material doch so alles
aushaelt.

19 Uhr UTC – 21 Uhr Ortszeit (welcher
Ort???) = Funken mit der Malwieder. Auch so ein Phaenomen: Monatelang
hoert man da niemand, verliert schon fast die Lust daran. Und dann
ist da jemand hoerbar den man sogar kennt! Man kann sich unterhalten
fast wie am Telefon.

Auf dem Plotterbild weicht die
marokkanische Kueste immer mehr zurueck. Bald ist da nur noch Wasser
zu sehen. So wie um uns herum auch.

Wir segeln! Nach Madeira! Kaum fassbar.
So viele machen das, waren vor uns unterwegs, werden nach uns
unterwegs sein. Und trotzdem ist es fuer jeden Einzelnen ein kleines
Wunder, etwas Einzigartiges, Unvergesslich!

Und Jou-Jou ankert jetzt auf dem
suessen, idyllischen Bodensee. Geniesst es ,kein Salzwasser mehr auf
der Haut zu haben. Und auch wenn ihre Crew ‘Salzwasser in den Venen’
hat, geniessen auch Coni & Stefan die Unbeschwertheit eines
Binnenmeeres, Treffen an Bord mit Freunden und Familie, alle ganz oft
sehen zu koennen. Ob sie uns irgendwann einmal besuchen, um wieder
Salzwasser zu schmecken? Um vielleicht doch irgendwann wieder Lust
aufs Lossegeln zu bekommen?

Jetzt ist fuer mich erst einmal
Schlafenszeit. Werner steht im Niedergang, mit leicht
schmerzverzerrtem Gesicht. Bei einem Wechsel des Baumes hat die Schot
etwas unerwartet nachgegeben und er sich entsprechend unsanft auf den
Po gesetzt. Das ist seinem Steissbein nicht so sehr gut bekommen.
Aber er ist tapfer und uebernimmt seine Wache.

Entschluss

Der Himmel ist bedeckt, kuehl weht der Wind. Wir fassen einen Entschluss: Morgen soll es nun doch nach Porto Santo weitergehen. Wirkliche Alternativen haben wir keine. Zurueck nach Almerimar oder Mallorca wollen wir (noch) nicht. Eine Ueberwinterung in den hieisigen Gefilden steht fuer uns nicht zur Debatte. Und hier in La Linea auf einen noch zu bestellenden neuen Autopiloten warten? Ebenfalls keine Alternative.

Die Anzeige unseres derzeitigen 3. Steuermannes sieht heute frueh ueberraschend vertraut aus. Vielleicht hat ja das Sicherungen wechseln, Stecker ab und auf, ruetteln hier, wackeln dort doch irgendwas bewirkt. Oder ueber Nacht war ein Elektrik-trik-Kobold am Werk??

Wir wollen es jedenfalls wagen und morgen auslaufen. Nochmal Wetter abrufen: ohweh, die Aussichten sind ja spannend - DWD und Aemet verkuenden uebereinstimmend 7-8 Bft estlich von Gibraltar und eine Wellenhoehe von 2,5 Metern. Unser Kurs wird halb bis raumschots sein - das sollte das ganze etwas abschwaechen und vielleicht wird es ja ueber Nacht auch weniger oder oder. Noch einen Tag warten waere auch noch eine Moeglichkeit. So langsam allerdings werden wir kribbelig, wollen los.

So langsam kommt hier die Sonne wieder durch, es wird gewohnt warm. Wir nutzen das im Vergleich zur Marina-Bar wirklich schnelle Internet im Cafe Modelo, rufen Emails ab, skypen, rufen Zxgrib und ugrib ab. Was in der Marinabar Stundenlang dauerte bzw. gar nicht moeglich war, geht hier innerhalb weniger Sekunden! Ich bin begeistert!!!

Wenn jetzt die Funkerei unterwegs noch klappt und wir ueber unseren Ersatz-PC noch Emails via Sailmail versenden koennen, bin ich mit der Technikwelt wieder halbwegs versoehnt. Und ansonsten folgen wir Peers Rat, werfen alles in den Bach und verlegen uns auf fruehere Methoden wie Buschtrommeln, Briefe per Post, Handschriftliche Notizen und herkoemmliche Navigation :-)

Montag 12.08.2013 - La Linea

Wir starten optimistisch mit einer weiteren Testfahrt ins Wochenende. Schnell noch die Einkaeufe verstauen und los. Ergebnis negativ bis negativer: jetzt quittieren auch noch AIS, separates GPS und das Funkgeraet den Dienst! Totalausfall nennt man sowas wohl!!
Ich troeste mich damit, dass wenigstens die Gasflasche nicht genau in dem Moment leer wird, als ich das Gulasch koechele. Man kann sich ja mittlerweile auch ueber Kleinigkeiten freuen.
Erich hat heute leider keine Zeit fuer uns und sieht wahrscheinlich auch nicht so recht ein, warum er jetzt die Feuerwehr fuer uns spielen soll, was evtl. durch die Arbeit eines anderen Fachmann nicht funktioniert.
However. Der Skipper tigert unruhig im Schiff umher und wechselt Sicherungen. Mit dem Ergebnis, dass zumindest AIS und Funke wieder arbeiten.
In La Linea ist jedenfalls richtig viel los. Auf den Gassen und in den Laeden wuseln Spanier aller Altersklassen umher und im Mercadona herrscht richtig Andrang.
Die Marina ist zwischenzeitlich zum oeffentlichen Parkplatz mutiert, der auch gut frequentiert wird.
Gibraltar scheint wohl derzeit ein beliebtes Ausflugsziel zu sein.
Der Himmel ueber uns ist strahlendblau und der Ostwind weht froehlich ueber uns hinweg.
So schoen es hier ja auch ist, aber draussen auf dem Atlantik zeigen die Wetterdienste optimalen Wind fuer den Toern nach Madeira. Und die Inseln locken uns doch sehr!!
Von den Kanaren kommen schon die ersten Informationen zu moeglichen Alternativhaefen waehrend der ARC-Sammeltage ein. Uli & Peer von der Voodoochile haben schon mal die Lage sondiert und wollen fuer uns einen Platz reservieren. Also schnell alle Daten durchgeben und dann koennen wir ja im Prinzip auch Fluege buchen fuer den naechsten Deutschland-Trip. Denn damit haben wir uns nun festgelegt und wissen, welcher Flughafen fuer uns in Frage kommt.
So, Gulasch ist fertig gekoechelt und kann jetzt in die Einmachglaeser gepackt werden. Wenigstens etwas produktives geschafft heute!

10.08.2013 - La Linea und der defekte Autopilot

Back to Europa Point.JPG
 
 
Zurueck in Gibraltar - Felsen, Europapoint und die Moschee begruessen uns

 
Mit einem solchen Frachter ist unsere Lady damals als Decksfracht von Palma de Mallorca nach Emden gebracht worden.
Der Ankerball auf diesem hier kommt uns allerdings etwas mickrig vor.
Ankerball.JPG

Mit so einem Schiff kam unsere Lady von Malle nach D.JPG

Back to the Rock.JPG
Neu und doch sooo vertraut: wir haben Platz genommen am Steg 8. Der liegt im hinteren Hafenbecken und hier liegt man deutlich ruhiger, ist noch etwas dichter am Berg aber kommt auch mehr in den Genuss der Strassenakustik :-)
 
 
10.08.2013 — La Linea
Kalt ist es hier! Der Wind zieht durchs geoeffnete Luk und mich froestelt. Werner ist jetzt schon ne ganze Weile weg — der wird sich doch nicht in La Linea verlaufen haben? Eher wohl verquatscht mit den diversen VerkaueferInnen und Marineros die man auf dem Weg zum Baecker in der Regel so trifft. Also Kontrollanruf: “Bin gerade ueber den Zaun geklettert, hab keine Lust ganz aussen rum zu gehen, Baecker hat ja erst um 9 Uhr geoffnet!!”. Unsere Zutrittskarte verweigert ja ihren Dienst und die Wege aussenrum sind hier in La Linea weit - daher dieser ungewoehnliche Weg ueber den Zaun.. Kurz vor unserem Liegeplatz trifft er noch Jos? von der Gryphos. Sein Traum von Brasilien sei geplatzt, am Boot sei so ziemlich alles kaputt und er wolle jetzt nach Madrid. Ein ruhiger aber spuerbar tief frustierter Mensch steht vor ihm. Von anderen wissen wir, dass sich seine Familie um ihn sorgt und dass er noch ganz andere Phasen durchlebt, seit dem missglueckten Start im April.
Nach dem Fruehstueck mit frischen Churros (auch das Artesana oeffnet zum grossen Erstaunen des Skippers erst um 9 Uhr! “War das im Winter auch so?????”) mache ich mich auf den Weg zum Marinaoffice, um unsere Zutrittskarte zu aktivieren. Werner raeumt derweil die Backskiste achtern aus, um den Ruderlagergeber unseres Autopiloten zu pruefen. Der Autopilot hat ja wieder einmal den Dienst quittiert.
Kaum bin ich zurueck vom Office erhalte ich die frohe Botschaft, dass wir jetzt ablegen zwecks Probefahrt. Na, das kann ja heiter werden. Ich denke an unsere nicht ganz gelungenen Anlegemanoever gestern., fasse mich aber schnell. Wat mut dat mut, ne?!
Zwischenzeitlich teste ich die magische Karte — Steg o.k., Sanitaerraeume Fehlanzeige. Also muss ich eh nochmal zum Office, das koennen wir dann ja gleich mit erledigen.
Ablegen klappt schon mal prima, anlegen beim Marinaoffice ist etwas Buglastig weil wir uns erst dran gewoehnen muessen, dass das Bugstrahlruder jetzt eine Sicherung hat und ohne Aktivierung dieser vorm Start tut(et) das Dingen nun mal nix! Das merken wir dann eben auch. Wenigstens kommt ein Marinero angeflitzt und nimmt die Leinen an. Bei Niedrigwasser vom Schiff auf die Pier hoch ist jetzt eher was langbeinige Giraffinnen und zu denen zaehle ich ja nun mal nicht so wirklich (raeusper).
Ablegen geht auch wieder gut. Und dann drehen wir Kreise bis uns allen drei schwindelig wird, fahren vor und zurueck, hin und her. Mal mit Autopilot, dann wieder ohne, Irgendwie ist das alles sehr mysterioes und laeuft definitiv nicht so, wie es soll. Frustiert geht es zurueck an den Steg.
Anlegemanoever die 2. fuer heute klappt auf Anhieb. Schiff kommt trotz wegdrueckendem Wind super gut an den Ausleger, ich kann locker absteigen. Leinenmaessig bin ich gut vorbereitet: Heckleine ist lang genug, Vorleine wirkt gleichzeitig als Vorspring und verhindert, dass unsere Lady (trotz eigentlich Wind von vorn) wieder auf den Steg krabbelt.
Kaum ist das Spinnennet von Festmacheleinen wieder an Ort und Stelle hat Werner irgendwas eingestellt, geprueft wie auch immer und der Autopilot zeigt einen Kompasskurs statt 000 an. Was heisst das konkret?? Jawoll: Wir legen wieder ab und fahren zur naechsten Probefahrt raus. Die faellt dieses Mal kuerzer aus, aber leider ebensowenig positiv wie die erste. Die erste Euphorie weicht Verstaendnislosigkeit und Resignation.
Anlegen die 3. wird abgebrochen, weil Schiff zu weit weg vom Ausleger und ich ja ohne die o.g. Giraffenbeine. Einmal drehen, neuer Anlauf. Anlegen die 4. klappt wieder perfekt. Ich hopse elegant auf den Steg, zapp-zapp die Heckleine um die Klampe und zurueck zu Werner. Vor-spring-leine fest und dann kommt der Rest ganz in Ruhe. Fazit: Ankerpilot weiterhin out of order, dafuer ordentlich Ab- und Anlegen geuebt! Und sonnig-warm ist es nun auch, das Faecheln uebernimmt der Ostwind. Der schafft es aber nicht, “the Rock” sein Wolkenhaeubchen weg zu pusten. Das haengt irgendwie schon wieder den ganzen Tag sehr hartnaeckig ueberm Gipfel. Egal, wir wollen ja nicht hoch und solange hier unten die Sonne scheint. ….!
Werner telefoniert mit Marco, dem Elektroniker aus Almerimar. Der hat ja auch erfolgreich unser neues Radar eingebaut. Leider hat er auch keine wirklichen Loesungsansaetze parat. Alles vorgeschlagene bringt uns nicht weiter. So werden wir wohl auf Eric warten, der leider erst am Sonntag oder sogar am Montag wieder hier sein wird.
Werner laesst das ja alles keine Ruhe und so wird erstmal Freund Lutz in Deutschland antelefoniert und um Rat gefragt. Der hat seinerzeit so einige Strippen auf usnerem Schiff gezogen und hat vielleicht noch eine Idee. Hat er auch und jetzt schraubt und bastelt mein Skipper unter Deck an diversen Kabeln rum. So langsam entwickelt er sich noch zum Hobby-Elektroniker. Ob ich ihm wohl so einen kleinen Baukasten zum Geburtstag schenken sollte?? ;-)
Dank diverser Stromverbraucher saeuselt nun auch unser Windgenerator durchgaengig. Angebot und Nachfrage passten bis vor kurzem noch nicht so recht zueinander. Dadurch fuehlte sich “Jack”, der Windgenerator, bemuessigt, nach einigen Probeumdrehungen die Arbeit wieder einzustellen. Die Kollegen von der Sonnenfraktion sind heute aber auch wieder fleissig und somit ist unser Strombedarf gedeckt, die Batterien haben maximale Ladung.
Irgendwann meinen wir, den Fehler gefunden zu haben. Start zur 3. Probefahrt. Wie gesagt — das uebt! Ueber Gibraltar zieht langsam aber sicher eine beeindruckende Wolkenwand, die zu einer Nebelbank mutiert und Berg, Stadt und Landebahn langsam aber sicher verhuellt. Ob wir wohl unseren Liegeplatz noch finden werden?? Wir verkuerzen die letzte Testfahrt dieses Tages erheblich. Allerdings auch, weil wieder kein befriedigendes Ergebnis in Punkto Funktionalitaet des Autopiloten aufzuweisen ist. Entweder haelt unser Schiff stur auf die Mole oder ein anderes Boot zu oder aber der Bug schwenkt bevorzugt nach Backbord — dann meistens auch exakt auf den naechsten Ankerlieger zu. Und die sind hier so gross, dass wir uns mal lieber nicht mit denen anlegen moechten!
Also marsch, marsch zurueck zum Steg. Ueber La Linea haengt zwar auch eine Wolkendecke, aber immerhin bleibt der Nebel ueber Gibraltar. England halt :-)!
Anlegen klappt wieder gut. Alle Leinen wieder festtuedeln und dann Abendessen. Ausgehen faellt aus, denn um 19:20 UTC muss ich ja schon wieder an der Funke sitzen und Kontakt mit der Malwieder aufnehmen. Puhh, das ist heut echt ein Actiontag! So gibt es also wieder Selbstgebrutzeltes an Bord,dann funken. Juchhu, auf einer Frequenz hoere ich Ralf. Leider nur kurz, dann ist er wieder weg. Ich wechsele tapfer durch die vorgegebenen Frequenzen, ohne Erfolg. Ist irgendwie nicht so unsere Technikphase….
Wir schleichen uns leicht frustiert zum Wifi-Absacker in die Lounge-Bar. Die ist gut besetzt. Allerdings bevorzugt mit Spaniern und Yachties sind irgendwie keine vertreten. Die La Linea-Bimmelbahn duest mit lauter Musik und jubelnden Fahrgaesten durch die Marina. Und neben der Bar ist eine Ansammlung von Huepfburgen aufgebaut. Waer doch nicht noetig gewesen, wo wir doch grad die bewegungsarme Phase durchlaufen ;-)!
Am Nebentisch riecht es koestlich nach Knoblauch, gut dass wir gesaettigt sind. Da kann Frau glatt schwach werden……

08.08 - 09.08. Von Almerimar nach La Linea

Vom 08.08. bis 09.08.2013 –
Nachtfahrt von Almerimar nach La Linea

Donnerstag, 08.08. - Schnell nochmal
die Ersatzkanister mit Diesel fuellen. Udo sei Dank kein Problem,
Dinghi und Aussenborder an Deck hieven (merke: lasse Dinghi und
Aussenborder moeglichst keine 15 Tage im Wasser!), nach Paella bei
Gonzo im El Paraiso, nochmal Wetter abrufen, Emails versenden und
empfangen und herzlicher Abschiede von Alex, Udo und Gonzo faellt
unsere Mooringleine, die Festmacher werden geloest und wir fahren
los. Ganze 100 Meter (geschaetzt), naemlich zum Marinaoffice.
Bezahlen und noch einen Schnack mit Bootsinteressierten
Wohnmobilisten – dann koennen wir endgueltig los. Kurs 250°, Wind
von achtern. In der Bucht von Almerimar pustet der noch ganz
ordentlich, was sich aber schnell relativiert. Wir kreuzen zwar etwas
vorm Wind, aber nach kurzer Zeit muss der Dieselwind dazu. Nutzt nix.
Jetzt schlaegt die grosse Stunde fuer den Autopiloten. Dem aber haben
die 15 Tage Almerimar nicht so gut getan, er ist jedenfalls nicht
Willens, seine Aufgabe in gewohnter Manier zuverlaessig zu
verrichten! Also wieder mal Ruder gehen.

Im einstuendigen Rhythmus wechseln wir
uns damit ab. Fuer den jeweiligen Rudergaenger – insbesondere
Werner – ist diese Aufteilung zwar ganz angenehm, aber Schlaf
findet man in der Freiwache nicht so wirklich gut.

Die Sonne geht wieder kitschig-schoen
unter. Die Berge an der Steuerbordseite heben sich grau gegen den
zartrosa-orange getoenten Abendhimmel ab. Ein Motorboot kommt mit
einiger Distanz entgegen. Hmm, hatte der nicht eben noch
Navigationslichter an und jetzt sind sie irgendwie aus?? Und was ist
das fuer ein kleinere, flacher Schatten in seinem Kielwasser, ein 2.
Boot?? Ueber Funk schallt eine autoritaere maenngliche Stimme auf
spanisch. Aber ausser dem Wort „civil“ am Ende verstehe ich nix
und denke: „5 Minuten taub gestellt, hilft bestimmt auch fuers
erste weiter“. Es kommt dann auch kein weiterer Funkruf. Wir
tuckern weiter, das ominoese Boot verschmilzt nun fast mit den
dunkelgrauen Bergen und ist kaum noch erkennbar. Da loest sich der
flache, schwarze Schatten von dem Boot und kommt direkt auf uns zu!
Na, mal abwarten. Maennliche Praesenz kann nicht schaden in einem
solchen Fall und ich rufe Werner zu Hilfe. Der klopft schnell nochmal
kurz an unsere Heckleuchte (die hat einen kleinen Wackler und setzt
immer mal wieder aus). So ist also unsere Nationale und unsere
Herkunft samt Schiffsname eindrucksvoll beleuchtet. Was dem
Kontrollboot (ein solches wird es wohl sein) offenbar ausreicht. Es
stoppt in gebuehrender Distanz ab und verschwindet schon bald in
unserem Kielwasser. Kein Anruf ueber Megaphon, kein
Laengsseitskommen, kein Abtasten mit Flutlicht-Scheinwerfern.
Unbehelligt ziehen wir unseres Weges.

Die Nacht ist stockdunkel – was fuer
ein Gegensatz zur letzten Nachtfahrt mit Vollmondbeleuchtung! Eine
Sternschnuppe blitzt rechts von mir auf, ich wuensche mir ganz fix
was, da ist sie auch schon wieder weg. August – soll das nicht der
Monat mit den meisten Sternschnuppen sein?? Ist wahrscheinlich
regional bedingt.

Dafuer platzscht es schon seit
laengerer Zeit um uns herum und zwar nicht Wellenbedingt: Delfine
begleiten uns! Ich werte es als gutes Omen, auch wenn der Autopilot
nicht arbeitet.

Einige Frachter und Fischerboote
kreuzen unseren Kurs, ein anderes Segelboot kommt erst auf und
ueberholt uns dann.Irgendwann in der Nacht laesst der Wind zwar noch
weiter nach, aber die Duenung nimmt zu. Werner ist jedesmall
heilfroh, wenn ich ihn abloese und umgekehrt.

45 Meilen vor Gibraltar verlieren wir
an Geschwindigkeit. Erste Vermutung: Wir haben was in der Schraube.
Diverse Vorwaerts-Rueckwaerts Schaltungen fuehren zu keinem
zufriedenstellenden Ergebnis. Da der Wind wieder etwas zulegt, laufen
wir wieder mehr Raumschots, nehmen die Genua wieder dazu und kommen
so auch auf zufriedenstellende 5 und spaeter sogar 6 Knoten Fahrt.

Ein grosser Frachter kreuzt unseren
Kurs Richtung Malaga. Sein AIS Signal wird zum Glueck jetzt auch auf
dem neuen Radar-Plotter angezeigt. Denn unser fest eingebauter
Bord-PC, den wir normalerweise fuer die Navigation nutzen und der
ueblicherweise die AIS-Signale in gross anzeigt, hat ja
passenderweise ebenfalls den Dienst quittiert. Und laut einem
Telefonat mit seinem Erbauer in Deutschland wahrscheinlich endgueltig
:-( Der Arme, so frustiert haette er ja nun ueber die neue technische
„Konkurrenz“ auch wieder nicht sein muessen)

Wir behelfen uns mit dem Backup-System
in Form des Laptops und gewoehnen uns so halt schneller wie geplant
an den neuen Plotter.

Wir naehern uns Gibraltar und
dementsprechend staerker sind nun auch die dicken Poette vertreten,
fahrend, duempelnd (soweit man das sagen kann) oder letztendlich auf
der Reede vor Anker liegend. Der Berg nimmt auch langsam Formen an
und hat sich zu unserer Begruessung ein schneeweisses Huetchen
aufgesetzt. Das schwebt dick und plustrig ueber ihm.

Europapoint mit Moschee und Leuchtturm
liegt vor uns – ein merkwuerdiges Gefuehl! Ist noch gar nicht so
lange her, dass wir im April hier vorbei gefahren sind. Alles ist
vertraut und doch wieder neu. Stand das Hochhaus da schon immer?? Und
was ist das denn dort am Fusse des Steilhanges? Ein Meerwasserfreibad
und auch gut besucht! Und das, wo es nur wenige Meter weiter vorne
extrem nach Kloake riecht!

Wir fahren am Fusse des Berges entlang
und stellen ueberrascht fest, dass es nix ist mit Windschutz hier! Im
Gegenteil: Boen von bis zu 20 Knoten hauen uns hier auf einmal auf
die Seite. Das muessen Fallwinde sein, die da vom Berg runter kommen.
Eigentlich wollten wir das Grosssegel noch bergen. Durch Ankerlieger,
grosse und kleine um uns herum schwirrende Boote und wechselnden
Winden wird das irgendwie aber erst in der Zufahrt zur Marina
Bay/Ocean Village was. Hier wollen wir eigentlich noch (zollfrei)
tanken. Erste Tankstelle: dicht. Zweite Tankstelle: dicht. An der 3.
Station liegt ein kleines Motorboot und ein Tankwart turnt am Pier
herum. Glueck gehabt und schon fliessen 113 Liter Diesel in unseren
Tank. Jetzt ist er wieder gut gefuellt und wir sind fuer laengere
Motorstrecken geruestet. Die aber hoffentlich auf dem Weg nach
Madeira nicht notwendig sein muessen.

Ablegen und Kurs auf Alcaidesa Marina.
Das ist irgendwie auch und immer noch fast ein klein wie „Nachhause
kommen“ und entsprechend werden wir im Office auch begruesst:
Vanessa ist alleine im Buero, erzaehlt uns was von viel Arbeit und
12-Stunden-Tag. Ihre kleine Tochter ist dabei und uebt schonmal den
Umgang mit PC und Funkgeraet. Ausgelastet sei die Marina gut – hm,
das macht an den Stegen einen anderen Eindruck. Wir jedenfalls
muessen nur den aktuellen Versicherungsnachweis vorlegen, bekommen
das Zugangskaertchen gegen Pfand ausgehaendigt und duerfen Platz Nr
16 an Steg 8 im ruhigen oestlichen Teil der Marina beziehen.
Marineros? Keine in Sicht. Haben sie die vielleicht
wegrationalisiert? Egal, wir wissen ja, wo unser Platz ist und duesen
frohgemut drauf zu. Das folgende Anlegemanoever mutiert dann zu einem
unserer schlechtesten. Wir werden vom Steg weg gedrueckt und unser
Schiff liegt quer in der Box. Werner springt ueber den Bug auf den
Steg und mit einer laengeren Leine (warum hab ich auch wieder die
kurze dran gebunden??) zieht er uns wieder an den fuer uns bestimmten
Ausleger ran. Bestimmt fuer alle anderen Yachties ein spannendes
Hafenkino. Es kommt uns aber auch niemand zu Hilfe, erst spaeter
stelle ich beim Rundumblick fest, dass einige Boote durchaus belebt
sind.

Lehrstunde in allen Bereichen auch wenn
wir kein Wort mehr darueber verlieren.

Fix und alle sind wir, als endlich alle
Leinen fest sind und das Schiff liegt. Eigentlich wollen wir ja noch
in die Stadt, Tapas essen. Aber dazu hat keiner von uns mehr so recht
Lust.

Kalt ist es hier ausserdem, stellen wir
fest. Die Sonne geht unter und der Ostwind pfeift uns um die Ohren.
Da kommt eine warme Dusche genau richtig. Pustekuchen – daraus wird
erstmal nix, da unsere Karte nicht richtig aktiviert wurde und die
Tuer zu den Duschen nicht oeffnet. Passenderweise ist gerade die
Security-Dame auf Kontrollgang und oeffnet uns das Toerle!

Frisch gereinigt verlangt es uns nach
innerer Waermung. Auf dem Rueckweg zum Schiff halten wir noch einen
etwas laengeren Schnack mit dem englischen Paar auf der Intittot. Die
Beiden kennen wir noch aus der Winterzeitt. Aber mit einem lockeren
Sommerkleid a la Almerimar hier Abends auf dem Steg stehen – das
gibt Huehnerhaut. Und da kommt die Assoziation: Eine heisse
Huehnersuppe zum Abendessen und dass mitten im August! Da haetten wir
vor wenigen Tagen ja im Traum nicht dran gedacht.

Und jetzt soll ich auch noch
verschiedene Frequenzen durchprobieren und Ralf und Bert via SSB-Funk
kontakten! Die Suppe droht ueber zu kochen, ich rufe „Malwieder,
malwieder, malwieder“ ins Funkgeraet – keine Reaktion. Frustiert
entscheide ich mich fuer den Suppentopf und stelle die Funke aus.
Mein geliebtes Eier-phone mag jetzt auch nicht mehr, verweigert das
Ladekabel hartnaeckig – also Umbau der SIM-Karte ins
Reserve-Uralt-Handy. Sch……wie geht denn hier ne SMS?? Muehselig
ist das.

Ralf ruft umgehend nach der
Katastrophenmeldung zurueck und baut auf: „Maedel, da musst Du
tapfer sein, probier halt alle Frequenzen durch. Ich hab Dich auf der
4…. gehoert“. Auf einer anderen Frequenz hatte er Kontakt zur
Anjuli Nui auf den Kanaren. Noch ein paar aufbauende Worte und wir
verabschieden uns mit meinem Versprechen, morgen ALLE Frequenzen
durch zu probieren. Bin gespannt, ob ich dann auch was hoere!

Suppe essen im Schein unserer neu
montierten Plichtbeleuchtung. Das die aber auch so hell ist, haetten
wir nicht gedacht. Ein paar LED’s weniger waeren da wohl ausreichend
gewesen. Egal. Fuer die stimmungsvolleren Momente haben wir ja noch
Kerzen und unser mobiles Ankerlichtlein. Das in Kombination mit der
Segelpersenning ja auch ein nettes Licht ergibt.

Gegen 22 Uhr gehen bei uns jedenfalls
die Lichter erstmal aus und wir fallen schlachskaputt und hundemuede
in die Koje und zum ersten Mal seit langem kuscheln wir uns unter die
Bettdecke – der Ostwind pfeift doch arg erfrischend durchs ganze
Schiff!

Wie ungewohnt – keine Musik! Nur die
Autos von der Strasse gegenueber hoert man hier. Jetzt sind wir also
zurueck in La Linea.

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