Vom 08.08. bis 09.08.2013 –
Nachtfahrt von Almerimar nach La Linea

Donnerstag, 08.08. - Schnell nochmal
die Ersatzkanister mit Diesel fuellen. Udo sei Dank kein Problem,
Dinghi und Aussenborder an Deck hieven (merke: lasse Dinghi und
Aussenborder moeglichst keine 15 Tage im Wasser!), nach Paella bei
Gonzo im El Paraiso, nochmal Wetter abrufen, Emails versenden und
empfangen und herzlicher Abschiede von Alex, Udo und Gonzo faellt
unsere Mooringleine, die Festmacher werden geloest und wir fahren
los. Ganze 100 Meter (geschaetzt), naemlich zum Marinaoffice.
Bezahlen und noch einen Schnack mit Bootsinteressierten
Wohnmobilisten – dann koennen wir endgueltig los. Kurs 250°, Wind
von achtern. In der Bucht von Almerimar pustet der noch ganz
ordentlich, was sich aber schnell relativiert. Wir kreuzen zwar etwas
vorm Wind, aber nach kurzer Zeit muss der Dieselwind dazu. Nutzt nix.
Jetzt schlaegt die grosse Stunde fuer den Autopiloten. Dem aber haben
die 15 Tage Almerimar nicht so gut getan, er ist jedenfalls nicht
Willens, seine Aufgabe in gewohnter Manier zuverlaessig zu
verrichten! Also wieder mal Ruder gehen.

Im einstuendigen Rhythmus wechseln wir
uns damit ab. Fuer den jeweiligen Rudergaenger – insbesondere
Werner – ist diese Aufteilung zwar ganz angenehm, aber Schlaf
findet man in der Freiwache nicht so wirklich gut.

Die Sonne geht wieder kitschig-schoen
unter. Die Berge an der Steuerbordseite heben sich grau gegen den
zartrosa-orange getoenten Abendhimmel ab. Ein Motorboot kommt mit
einiger Distanz entgegen. Hmm, hatte der nicht eben noch
Navigationslichter an und jetzt sind sie irgendwie aus?? Und was ist
das fuer ein kleinere, flacher Schatten in seinem Kielwasser, ein 2.
Boot?? Ueber Funk schallt eine autoritaere maenngliche Stimme auf
spanisch. Aber ausser dem Wort „civil“ am Ende verstehe ich nix
und denke: „5 Minuten taub gestellt, hilft bestimmt auch fuers
erste weiter“. Es kommt dann auch kein weiterer Funkruf. Wir
tuckern weiter, das ominoese Boot verschmilzt nun fast mit den
dunkelgrauen Bergen und ist kaum noch erkennbar. Da loest sich der
flache, schwarze Schatten von dem Boot und kommt direkt auf uns zu!
Na, mal abwarten. Maennliche Praesenz kann nicht schaden in einem
solchen Fall und ich rufe Werner zu Hilfe. Der klopft schnell nochmal
kurz an unsere Heckleuchte (die hat einen kleinen Wackler und setzt
immer mal wieder aus). So ist also unsere Nationale und unsere
Herkunft samt Schiffsname eindrucksvoll beleuchtet. Was dem
Kontrollboot (ein solches wird es wohl sein) offenbar ausreicht. Es
stoppt in gebuehrender Distanz ab und verschwindet schon bald in
unserem Kielwasser. Kein Anruf ueber Megaphon, kein
Laengsseitskommen, kein Abtasten mit Flutlicht-Scheinwerfern.
Unbehelligt ziehen wir unseres Weges.

Die Nacht ist stockdunkel – was fuer
ein Gegensatz zur letzten Nachtfahrt mit Vollmondbeleuchtung! Eine
Sternschnuppe blitzt rechts von mir auf, ich wuensche mir ganz fix
was, da ist sie auch schon wieder weg. August – soll das nicht der
Monat mit den meisten Sternschnuppen sein?? Ist wahrscheinlich
regional bedingt.

Dafuer platzscht es schon seit
laengerer Zeit um uns herum und zwar nicht Wellenbedingt: Delfine
begleiten uns! Ich werte es als gutes Omen, auch wenn der Autopilot
nicht arbeitet.

Einige Frachter und Fischerboote
kreuzen unseren Kurs, ein anderes Segelboot kommt erst auf und
ueberholt uns dann.Irgendwann in der Nacht laesst der Wind zwar noch
weiter nach, aber die Duenung nimmt zu. Werner ist jedesmall
heilfroh, wenn ich ihn abloese und umgekehrt.

45 Meilen vor Gibraltar verlieren wir
an Geschwindigkeit. Erste Vermutung: Wir haben was in der Schraube.
Diverse Vorwaerts-Rueckwaerts Schaltungen fuehren zu keinem
zufriedenstellenden Ergebnis. Da der Wind wieder etwas zulegt, laufen
wir wieder mehr Raumschots, nehmen die Genua wieder dazu und kommen
so auch auf zufriedenstellende 5 und spaeter sogar 6 Knoten Fahrt.

Ein grosser Frachter kreuzt unseren
Kurs Richtung Malaga. Sein AIS Signal wird zum Glueck jetzt auch auf
dem neuen Radar-Plotter angezeigt. Denn unser fest eingebauter
Bord-PC, den wir normalerweise fuer die Navigation nutzen und der
ueblicherweise die AIS-Signale in gross anzeigt, hat ja
passenderweise ebenfalls den Dienst quittiert. Und laut einem
Telefonat mit seinem Erbauer in Deutschland wahrscheinlich endgueltig
:-( Der Arme, so frustiert haette er ja nun ueber die neue technische
„Konkurrenz“ auch wieder nicht sein muessen)

Wir behelfen uns mit dem Backup-System
in Form des Laptops und gewoehnen uns so halt schneller wie geplant
an den neuen Plotter.

Wir naehern uns Gibraltar und
dementsprechend staerker sind nun auch die dicken Poette vertreten,
fahrend, duempelnd (soweit man das sagen kann) oder letztendlich auf
der Reede vor Anker liegend. Der Berg nimmt auch langsam Formen an
und hat sich zu unserer Begruessung ein schneeweisses Huetchen
aufgesetzt. Das schwebt dick und plustrig ueber ihm.

Europapoint mit Moschee und Leuchtturm
liegt vor uns – ein merkwuerdiges Gefuehl! Ist noch gar nicht so
lange her, dass wir im April hier vorbei gefahren sind. Alles ist
vertraut und doch wieder neu. Stand das Hochhaus da schon immer?? Und
was ist das denn dort am Fusse des Steilhanges? Ein Meerwasserfreibad
und auch gut besucht! Und das, wo es nur wenige Meter weiter vorne
extrem nach Kloake riecht!

Wir fahren am Fusse des Berges entlang
und stellen ueberrascht fest, dass es nix ist mit Windschutz hier! Im
Gegenteil: Boen von bis zu 20 Knoten hauen uns hier auf einmal auf
die Seite. Das muessen Fallwinde sein, die da vom Berg runter kommen.
Eigentlich wollten wir das Grosssegel noch bergen. Durch Ankerlieger,
grosse und kleine um uns herum schwirrende Boote und wechselnden
Winden wird das irgendwie aber erst in der Zufahrt zur Marina
Bay/Ocean Village was. Hier wollen wir eigentlich noch (zollfrei)
tanken. Erste Tankstelle: dicht. Zweite Tankstelle: dicht. An der 3.
Station liegt ein kleines Motorboot und ein Tankwart turnt am Pier
herum. Glueck gehabt und schon fliessen 113 Liter Diesel in unseren
Tank. Jetzt ist er wieder gut gefuellt und wir sind fuer laengere
Motorstrecken geruestet. Die aber hoffentlich auf dem Weg nach
Madeira nicht notwendig sein muessen.

Ablegen und Kurs auf Alcaidesa Marina.
Das ist irgendwie auch und immer noch fast ein klein wie „Nachhause
kommen“ und entsprechend werden wir im Office auch begruesst:
Vanessa ist alleine im Buero, erzaehlt uns was von viel Arbeit und
12-Stunden-Tag. Ihre kleine Tochter ist dabei und uebt schonmal den
Umgang mit PC und Funkgeraet. Ausgelastet sei die Marina gut – hm,
das macht an den Stegen einen anderen Eindruck. Wir jedenfalls
muessen nur den aktuellen Versicherungsnachweis vorlegen, bekommen
das Zugangskaertchen gegen Pfand ausgehaendigt und duerfen Platz Nr
16 an Steg 8 im ruhigen oestlichen Teil der Marina beziehen.
Marineros? Keine in Sicht. Haben sie die vielleicht
wegrationalisiert? Egal, wir wissen ja, wo unser Platz ist und duesen
frohgemut drauf zu. Das folgende Anlegemanoever mutiert dann zu einem
unserer schlechtesten. Wir werden vom Steg weg gedrueckt und unser
Schiff liegt quer in der Box. Werner springt ueber den Bug auf den
Steg und mit einer laengeren Leine (warum hab ich auch wieder die
kurze dran gebunden??) zieht er uns wieder an den fuer uns bestimmten
Ausleger ran. Bestimmt fuer alle anderen Yachties ein spannendes
Hafenkino. Es kommt uns aber auch niemand zu Hilfe, erst spaeter
stelle ich beim Rundumblick fest, dass einige Boote durchaus belebt
sind.

Lehrstunde in allen Bereichen auch wenn
wir kein Wort mehr darueber verlieren.

Fix und alle sind wir, als endlich alle
Leinen fest sind und das Schiff liegt. Eigentlich wollen wir ja noch
in die Stadt, Tapas essen. Aber dazu hat keiner von uns mehr so recht
Lust.

Kalt ist es hier ausserdem, stellen wir
fest. Die Sonne geht unter und der Ostwind pfeift uns um die Ohren.
Da kommt eine warme Dusche genau richtig. Pustekuchen – daraus wird
erstmal nix, da unsere Karte nicht richtig aktiviert wurde und die
Tuer zu den Duschen nicht oeffnet. Passenderweise ist gerade die
Security-Dame auf Kontrollgang und oeffnet uns das Toerle!

Frisch gereinigt verlangt es uns nach
innerer Waermung. Auf dem Rueckweg zum Schiff halten wir noch einen
etwas laengeren Schnack mit dem englischen Paar auf der Intittot. Die
Beiden kennen wir noch aus der Winterzeitt. Aber mit einem lockeren
Sommerkleid a la Almerimar hier Abends auf dem Steg stehen – das
gibt Huehnerhaut. Und da kommt die Assoziation: Eine heisse
Huehnersuppe zum Abendessen und dass mitten im August! Da haetten wir
vor wenigen Tagen ja im Traum nicht dran gedacht.

Und jetzt soll ich auch noch
verschiedene Frequenzen durchprobieren und Ralf und Bert via SSB-Funk
kontakten! Die Suppe droht ueber zu kochen, ich rufe „Malwieder,
malwieder, malwieder“ ins Funkgeraet – keine Reaktion. Frustiert
entscheide ich mich fuer den Suppentopf und stelle die Funke aus.
Mein geliebtes Eier-phone mag jetzt auch nicht mehr, verweigert das
Ladekabel hartnaeckig – also Umbau der SIM-Karte ins
Reserve-Uralt-Handy. Sch……wie geht denn hier ne SMS?? Muehselig
ist das.

Ralf ruft umgehend nach der
Katastrophenmeldung zurueck und baut auf: „Maedel, da musst Du
tapfer sein, probier halt alle Frequenzen durch. Ich hab Dich auf der
4…. gehoert“. Auf einer anderen Frequenz hatte er Kontakt zur
Anjuli Nui auf den Kanaren. Noch ein paar aufbauende Worte und wir
verabschieden uns mit meinem Versprechen, morgen ALLE Frequenzen
durch zu probieren. Bin gespannt, ob ich dann auch was hoere!

Suppe essen im Schein unserer neu
montierten Plichtbeleuchtung. Das die aber auch so hell ist, haetten
wir nicht gedacht. Ein paar LED’s weniger waeren da wohl ausreichend
gewesen. Egal. Fuer die stimmungsvolleren Momente haben wir ja noch
Kerzen und unser mobiles Ankerlichtlein. Das in Kombination mit der
Segelpersenning ja auch ein nettes Licht ergibt.

Gegen 22 Uhr gehen bei uns jedenfalls
die Lichter erstmal aus und wir fallen schlachskaputt und hundemuede
in die Koje und zum ersten Mal seit langem kuscheln wir uns unter die
Bettdecke – der Ostwind pfeift doch arg erfrischend durchs ganze
Schiff!

Wie ungewohnt – keine Musik! Nur die
Autos von der Strasse gegenueber hoert man hier. Jetzt sind wir also
zurueck in La Linea.