Frauengespraeche fuehren auch schon mal ins Naturschutzgebiet

Frauengespraeche fuehren auch schon mal ins Naturschutzgebiet

Losgefahren sind wir alle mit ganz bestimmten – oder vielleicht auch etwas vagen – Vorstellungen. Mit Wünschen und Träumen, Hoffnungen, Erwartungen. Ein ganz anderes Leben wollen wir führen, uns auf andere Menschen, Kulturen, Länder einlassen. Unser Leben vertrauen wir einem sehr launischen Element an und einer kleinen Nussschale, die darauf schwimmt: unserem Schiff.

Unser Zuhause bietet verhältnismässig (zur gewohnten Landbehausung) wenig Platz, weniger Komfort, wackelt und hat auch sonst so seine Eigenheiten. Man muss fast immer irgend etwas zur Seite räumen, bevor man an etwas ganz Bestimmtes heran kommt. Wenn einer im Bad ist, passt kein 2. mehr rein.

Ganz normale Alltäglichkeiten, die an Land so nebenher erledigt werden, mutieren hier zumtagesfüllendem Programm: Wäsche waschen, einkaufen. Immer ist irgendwas an Ersatzteilen zu besorgen, die in Büros ach so beliebten „To-do“-Listen werden immer länger anstatt kürzer und tiefe Seufzer werden bei ihrem Anblick ausgestossen. Jeder Segler trägt ein Notizbuch mit sich herum, das alles bewahrt, was Segler so an wichtigem und zu erledigendem unterkommt und einfällt. Irgendwie muss ja immer etwas repariert, ausgetauscht werden.

Elektronik führt offenbar ein nicht logisch nachvollziehbares Eigenleben, Strom kommt nicht immer einfach so aus der Steckdose, mit Wasser muss man haushalten. Wo bekomme ich wieder Gas in die Flasche, wo gibt es dies, wo gibt es jenes, wie komme ich wann von A nach B – das sind elementar wichtige Fragen. Vorratshaltung wird zum Thema. Wasserfest verleimtes Bootsbausperrholz ist plötzlich nicht zu erwerben. In Marokko gibt es von einem Tag auf den nächsten plötzlich keinen Diesel mehr an der Bootstankstelle. Wetterberichte sind häufige und Gesprächsstoff bietende Lektüre. Und natürlich sieht man unterwegs vieles, das man auch gerne fürs eigene Schiff umsetzen würde, praktisches, sinnvolles, an das man früher gar keinen Gedanken verschwendet hat. Moskitonetze sind plötzlich ein Thema oder Sonnenschutz.

Und dann ist da auch noch das Zwischenmenschliche. Viele fahren als Paar-Crew über die Meere. Da ist dann plötzlich vieles anders: Man sieht sich fast nonstop 24 Stunden, rund um die Uhr. Muss alles teilen und aushalten: Freude, Trauer, Launen, Wechseljahrsbeschwerden, Midlife-Krisis-Gedanken, Sorgen um die Lieben zu Hause. Man sitzt aufeinander, hat nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen.

„Hunger-Durst-Pippi-Kalt – so sind Mädchen halt“. Katja hat diesen Spruch zu uns an Bord gebracht und ich denke oft daran. Ist schon so eine Kernaussage. Auch wenn da noch viel mehr dazu gehört, dran hängt.

Z.b. auch die eigene Wertigkeit. Die Fähigkeiten oder auch „Un“-Fähigkeiten sind plötzlich ein sehr viel intensiver lebbares Thema. Im Landleben holte Frau sich ihre Bestätigung im Job, bei den Kollegen. Anerkennung durch Freunde und Nachbarn, weil die doppelte „Belastung“ durch Beruf plus Haushalt ja so scheinbar locker gemanagt wurde. Und jetzt an Bord ist vieles neu, anders.

„Warum werde ich immer angemault bei dem xy-Manöver?“ „ Nie kann ich es recht machen“ „Wie soll ich denn bitteschön das Schiff im Wind halten wenn….“

Frauengespräche. ‚Ich muss mal raus, gehst Du mit spazieren?‘ – Oft wird ein solches Angebot von Frau zu Frau nicht ausgesprochen. Leider. Denn meist nimmt die andere nur allzu erfreut an.

Dabei sind solche Zwiegespräche so wichtig. Entdeckt man dabei doch nur allzuoft und auch irgendwie erleichtert: „He, bei den anderen geht es ja ähnlich zu, es kann nicht nur an mir/uns liegen, dass wir immer wieder mal Stress miteinander haben!!!“ Allein diese Erkenntnis gibt Trost und Hoffnung gleichermassen. Frauen neigen ja doch eher dazu, die Schuld bei sich zu suchen. Hinterfragen vieles intensiver, grübeln ausdauernder und steigern sich auch schon mal allzu gerne in irgendwas rein. An Bord sollen wir auch plötzlich „alles können“ ….hmm, wer kommt eigentlich an Land auf die Idee, dass ich meinen Rad- oder Ölwechsel am Auto selbst mache? Sorry, aber MEINE Emanzipation hat da deutliche Grenzen. Und die zu überschreiten bin ich in meinem fortgeschrittenen Alter auch nur noch sehr bedingt gewillt. Schön wenn es Frauen gibt, die technisch so viel Begabung/Interesse und Lernbegierde haben, das alles auch zu können. Ich bekenne – vielleicht ja auch etwas neidisch – dass ich nicht dazu gehören werde.

Aber hey, warum machen wir uns das (Paar)Leben oft so schwer? Warum geniessen wir nicht einfach diese ausgewöhnliche Lebensform, die Freiheiten die wir haben? Warum verlieren wir so manches aus dem Blick, auf das wir uns ursprünglich bei der Planung der Reise, bei den meist hektischen Vorbereitungen so sehr gefreut hatten? Warum bleiben wir mit dem Hintern in der Koje, wo wir uns doch so fest die morgendlichen Läufe am Strand vorgenommen hatten, die langen Strandspaziergänge, Muschelsammeln oder einfach nur sitzen, schauen und geniessen. Die Luft spüren, den Duft des Meeres oder der Pflanzen tief aufnehmen, den Möwen bei ihren Flugkapriolen zuschauen, die Wolken am Himmel beobachten??!!

Aber so wechselhaft wie die Elemente um uns herum, so wechselhaft sind auch unsere Gefühle, unsere Launen. Mal schlägt die Brandung sanft ans Ufer, mal rauschen die Wellen scheinbar wütend heran, bäumen sich auf, überschlagen sich, nehmen mehrfach neuen Anlauf, um noch kräftiger gegen das Land zu schlagen. Und so sind auch wir: mal nehmen wir alles mit feinem Humor und Lächeln, sind gut gelaunt und latschen geduldig kilometerweit auf der Suche nach einem Ersatzteil mit. Machen ebenso geduldig Lösungsvorschläge, die alle verworfen werden.

Und dann wieder ist das Gegenteil angesagt: aufbrausend, ungeduldig, zickig, maulend, nix ist uns recht zu machen. Alles wird in Frage gestellt. Was tue ich hier eigentlich, warum fliege ich nicht einfach nach Hause…..Moment mal, da war doch was! Zuhause, das war doch hier, diese Nussschale, dieser schwimmende Kokon der tapfer alle Unbilden des Wetters erträgt, sich tagelang in irgendeinem langweiligen Hafen an die Leinen fesseln lässt, sich dann wieder entgegen seinem Willen und seinen Konstruktionsvorgaben mit zuviel Segelfläche einen schwachsinnigen Kurs durchs Wasser knüppeln lässt. Oder aber auch eins mit dem Rudergänger bzw. der Besatzung mit idealem Wind und optimaler Segelstellung durch das für ihn bestimmte Element prescht. Zeigt, was in ihm und Dir als Steuerfrau/mann steckt. Dir das Gefühl gibt, eine Einheit zu sein. Delfine flitzen unter dem Bug von einer Seite auf die andere, beäugen uns Menschlein auf unserem Boot

Und dieses Zuhause will ich verlassen? Dieses aufregende, abenteuerliche Leben eintauschen gegen mein früheres? Nur weil ich der Meinung bin, das ICH immer diejenige bin, die zurücksteckt, die nachgibt. Weil ich es manchmal satt habe, immer ausgeglichen zu sein. Weil ich meinen Wechsel-Jahren Raum zum Austoben geben möchte, anstatt sie energisch in ihre Schranken zu weisen?

Ja, aber ich fühle mich doch eingesperrt. Alles machen wir zusammen. Wo bleibe ich denn dabei? Hallo, aufwachen junge Frau! Warum nimmst Du Dir nicht Deine Auszeiten? Gehst einfach mal alleine bummeln, alleine laufen (früher war das ja auch kein Problem und wir sind noch nicht in für alleinlaufende Frauen gefährlichen Ländern). Setz Dich einfach mal mit anderen Ladies zusammen und kasperst Yoga- oder Gymnastikmässig rum oder oder oder. So viele Möglichkeiten, nutze sie verflixt und zugenäht! Muss ja nicht ausgerechnet dann sein, wenn der Techniker an Bord gerade Ölwechsel macht und dringend eine 3. oder 4. Hand benötigt.

Klare Absprache, Kommunikation, Offenheit – Dinge, die im Berufsleben so selbstverständlich und als personal skills vorausgesetzt waren, sind jetzt auf einmal eine regelrechte Herausforderung. Gedanken lesen war im Landleben schon schwierig, warum soll das jetzt auf einmal funktionieren? Klar sagen, was man möchte und welche Möglichkeiten der Umsetzung man sieht. Ohne den anderen zu unterdrücken und zu bevormunden. Unmöglich? Kann ich mir nicht vorstellen. Arbeit, ja das wird es sein. Permanentes Arbeiten an sich selbst und sanftes Arbeiten an festgefahrenen Verhaltensmustern und Reaktionsweisen. Sich selbst hinterfragen, immer und immer wieder. Ein ständiger Prozess, da gibt es kein ausgelernt haben.

Wechseljahre – ein Begriff für die Frauenspezifische Zeit der Hormonumstellung. Da passiert ganz viel im Körper, in der Psyche. Wechseljahre sind es aber auch gerade jetzt und ganz speziell für uns als Paar. Ein Wechsel der Lebensform. Ein Wechsel in vielen Bereichen.

Ist das nicht ein Riesengeschenk was wir uns da selbst machen können? So viele Männer sind alleine mit ihren Booten unterwegs, haben sich entweder ganz von ihrer Partnerin getrennt oder sind immer nur für kurze Zeit mit ihr unterwegs. Das hat sicherlich viele Gründe, aber ganz oft geht es auch damit einher, dass die Frau diesen neuen Lebensabschnitt und den jetzt zu lebenden Traum nicht für sich umsetzen kann/will. Dabei schielt der ein oder andere schon etwas wehmütig/sehnsüchtig/neidvoll auf die Paar-Crews. Noch dazu, wenn diese so offenbar gut aufeinander eingespielt und harmonisch unterwegs sind. Doch sieht man die Arbeit, die hinter dieser nach aussen sichtbaren Harmonie steckt? Es ist nicht selbstverständlich. Da liegt so manches verpatzte Manöver, so manche (selbst)kritische Reflektion von bestimmten Situationen im Kielwasser. Aber auch sich zurück nehmen, zurück stecken. Egoismus kann gesund sein, zuviel davon ist gerade auf einem Boot auf Dauer wahrscheinlich nicht tragbar.

Und manchmal sucht man auch Hilfe von aussen. In Gesprächen mit anderen Paaren, von Frau zu Frau, Mann zu Mann. Man lacht in der Gruppe über die Duplizierbarkeit der Ereignisse und der kritischen Situationen. Die Männer schauen sich vielsagend oder auch schon mal betreten schweigend über die Köpfe der Frauen hinweg an, wenn diese plötzlich (verständnisvoll grinsend) feststellen: hey, Deiner ist auch so/sagt das auch immer??? Und für die Männer ist es auch wichtig, dass sie nicht alleine „so eine“ Frau haben, das alle mehr oder weniger die gleichen Problemchen haben.

Was unterm Strich zählt, dass wir im großen und ganzen gut miteinander auskommen. Wissen, was wir am Anderen haben und dass wir uns aufeinander verlassen können. Denn wenn es drauf ankommt, zickt keine(r) von uns rum. Dann sind sie schon ganz schön stolz die Jungs, auf ihre toughen Ladies, die vor kaum etwas zurückschrecken und denen lackierte Fingernägel und gestylte Haare relativ unwichtig sind.

Und irgendwann und –wie einigen wir uns letztendlich auch friedlich darauf, wohin wir denn jetzt segeln. Passen unsere Träume und Wünsche einander an.

Oder finden gemeinsam ganz neue. Dann bleibt vielleicht das Boot auf der Strecke und man lebt wieder das vertraute und mittlerweile doch so fremde Landleben. Wehrt sich noch dagegen, war doch der Traum einmal ein anderer. Aber wenn sich die Lebensumstände ändern? Manchmal stellt man fest, dass fühlt sich alles nicht so an, wie erwartet. Oder die äusseren Zwänge haben sich verändert. Man kauft nun doch ein grosses Grundstück mit einem Haus. Hat eine tolle Geschäftsidee die einfach realisiert werden MUSS, fernab von zu Hause aber erstmal so nicht umzusetzen ist. Stellt fest, dass sich die finanzielle Situation nicht erwartungsgemäss entwickelt. Oder die Gesundheit macht einen kleinen Strich durch die Rechnung, man fühlt sich in der Obhut der vertrauten, heimischen Ärzte sicherer/wohler.

Zugeben, dass der Traum nicht ganz so traumhaft war, die Realisierung sich als äusserst schwierig heraus gestellt hat – das erfordert auch Mut. Sogar viel Mut. Denn erst einmal fühlt es sich für manche(n) auch ein klein wenig wie Versagen an. Was es ja gar nicht ist. Erkennen, wahrnehmen und sich selbst zugestehen. Das trifft es besser.

Aber ganz tief drinnen wird weiter geträumt. Und wenn es stimmt, was weise Asiaten lächelnd sagen, so hat alles seine Zeit und wirklich wichtige Träume werden wir irgendwann leben – wenn wir sie wirklich leben wollen. Denn wo ein Wille, da ein Weg (Gebüsche gibt es auf dem Wasser ja eher weniger ;-) )

Nicht nur das körperliche Gleichgewicht muss auf einem Boot gehalten werden, auch das seelische. Beides ist nicht immer einfach. Aber man kann es üben. Und Übung macht Meister…