Heiliger Sonntag – die Kirchenglocken in La Linea verkuenden es, dezent und weit weg. Der Trupp Moewen, der lautstark von links nach rechts ueber die Promenade zieht, ist wesentlich lauter.

Nach einer stuermischen Nacht hat der Wind gegen Morgen (3 Uhr) schlagartig nachgelassen. Da auch noch dicke Wolken ueber uns haengen und die Sonne verdecken, ist unsere autarke Stromversorgung schlagartig in Gefahr. Also gehen wir ans Netz, stoepseln nach einer Woche Liegezeit hier unser Stromkabel in den Kasten auf dem Steg. Hier hat jeder Platz ganz komfortabel seinen eigenen Strom- und Wasseranschluss. Der Verbrauch wird computergesteuert kontrolliert und abgerechnet. Leider funktioniert der Strom hier auf dem Steg nicht immer so wie er soll. Bei uns ist es allerdings das Kabel, dass muckt! In einen Stecker ist bei dem vielen Regen in Cadiz wohl Wasser rein gelaufen. Jedenfalls kommt diese Flüssigkeit Werner entgegen, als er den Stecker abmontiert. Und das etwas kuerzere Ersatzkabel liefert auch ohne Murren den Strom ins Schiff.

So langsam lernen wir hier immer mehr Bootseigner, Crews und Geschichten kennen. Unser Nachbar schraeg gegenueber hat seine Reinke Hydra vor 3 Jahren von einem Deutschen gekauft. Er selbst ist Spanier, spricht aber nach 10 Jahren leben und arbeiten in Mannheim sehr gut Deutsch und faehrt das Schiff aufgrund seines immer noch dort bestehenden Wohnsitzes auch noch unter deutscher Flagge. Die franzoesische Amel-Fraktion (es liegen gleich 2 Yachten dieser Werft unter franz. Flagge hier) ist auch immer noch nicht los gefahren. Bei dem unter spanischer Flagge fahrenden Charterschiff hat sich still und fast unbemerkt ein Crewwechsel vollzogen: die 4 Schweizer Herren, die nun eine Woche unser Stegbild bevoelkerten, sind von uns unbemerkt verschwunden und haben vier spanisch sprechenden Herren Platz gemacht. Diese checken das Schiff, schieben Dieselkanister ueber den Steg und ruesten ganz offensichtlich zum Aufbruch. Eigentlich sollte die Yacht auch schon laengst auf Teneriffa sein. Einem anderen englischen Nachbarn ist ueber Nacht das Fahrrad geklaut worden – abgestellt auf dem Steg vorm Schiff, nicht angeschlossen. Das erinnert uns an ein Erlebnis von Elke & Bert ;-) und bestaetigt uns darin, unsere Raeder immer entweder an Bord zu stellen oder aber anzuschliessen. Bislang kamen wir uns dabei immer etwas komisch vor, Misstrauen ist ja nicht so unser Naturell. Aber solche Vorkommnisse bestaetigen das eigene Verhalten dann – leider! Wobei ich mutmasse, dass das Rad bei dem Wind der letzten Nacht auch schlicht und ergreifend ins Wasser geplumpst sein koennte, behalte das aber vorsichtshalber fuer mich.

Gerade kam hier ein wolkenbruchartiger Regenschauer runter. Dicke Tropfen trommeln aufs Deck und Werner flitzt runter, um alle (gerade erst geoeffneten) Luken wieder dicht zu machen. Wir nutzen den heutigen Tag, um mal wieder Emails an alle moeglichen Menschen in unserem Familien- und Freundes/Bekanntenkreis zu schreiben. Ich durchforste meine homoeopathischen Ratgeber, um endlich ein Mittel gegen meine naechtlichen Hitzeattacken zu finden. Das ist doch etwas nervig, alle Stunde aufdecken, zudecken, mal ist mir warm, mal wird es wieder kuehl…..kenne ich nicht, will ich auch nicht, muss wieder aufhoeren. Basta.

 

Wir telefonieren mit Familie, Freunden. Beobachten den Berg, die startenden Flugzeuge, die wechselnden Wolkenformationen und –farben. Die Hochhaeuser hinter uns lagen eben noch im vollen Sonnenschein, jetzt sind sie von dunklem Grauschwarz umgeben.

Ein dunkles, sehr schnittiges Motorboot schiebt sich langsam in den Hafen. Das Motorboote so langsam fahren koennen. Die starken Motoren wummern trotzdem furchterregend. Und die Uniformierten darauf wirken leicht bedrohlich, wie das Boot selbst auch. Zoll! Besonders interessiert ist man offenbar an den Schiffen bis 12 Meter, diese Stegreihe wird gaaanz langsam bis in die hinterste Ecke abgefahren. Unser Pontoon dagegen wird nur oberflaechlich in Augenschein genommen. Noch eine kleine Runde ins zweite Hafenbecken. O.k. war wohl besonders uninteressant, man kommt umgehend retour gefahren.  Es regnet. Wieder einmal. Hat sich denn irgendjemand da oben in diesem Jahr vorgenommen, unser Schiff so richtig ausgiebig zu waessern und uns das Leben damit schwer zu machen? Wenn ja, hat er mit Zitronen gehandelt. So leicht lassen wir uns dieses neue Leben nicht mies machen. Und wer sagt, dass ich jetzt in den Ort muss oder rueber zum Hafenbuero, um Emails weg zu schicken? Nee, da kuschel ich mich lieber in meine Jacke, ziehe mir ein zweites Kissen unter den Allerwertesten und die Flauschdecke ueber die Beine. Fuer Abendessen ist es ja noch ein bisserl frueh. Also lesen und schreiben, das interessante Taschenbuch das Werner im Regen auf dem Schlauchboot liegen liess mit dem Foehn trocknen oder mal diesen oder jenen Schrank ausmisten. Auch an einem Regentag koennen wir uns gut beschaeftigen und heute greift sogar Werner nach langer Zeit wieder einmal zu einem Buch:

 „ Noch eine Runde auf dem Karussell“ von Tiziano Terzani und findet sich schon gleich in den ersten Saetzen wieder. Vieles, was da geschrieben steht, koennte auch von ihm sein. Zwei ganz unterschiedliche Menschen, zwei verschiedene Schicksale und doch ist so vieles aehnlich, sind die Gedanken und die Einstellung aehnlich, wenn nicht sogar gleich. Verblueffend.

Besondere Momente, des Lichts, der Begegnungen mit Menschen, Schiffen, Landschaften und: Buchern. Momente, die uns beruehren, staerken oder veraendern, Mut machen, neue Blickwinkel geben. Das Leben so lebenswert machen und vieles vergessen lassen. Wir schaetzen uns gluecklich, auf dieser Reise schon so viele dieser Momente gehabt zu haben, so viele besondere Menschen kennen gelernt zu haben. Manche streift man nur, manche beruehren ganz tief und bleiben bei uns, wie auch immer. Wichtig sind sie uns alle.