Ich bin verschnupft - im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Nase ist dicht, der Kopf schmerzt zeitweise. Abends fuehle ich mich fiebrig, will nur noch frueh ins Bett. Die Naechte kann ich erstaunlich gut schlafen - irgendwie bekomme ich das Nasenungetuem gegen Abend immer einigermassen frei. Der Vollmond schaut ins Luk, wandert ueber Nacht von links nach rechts, wird schon langsam wieder etwas “unrund”. Immer wieder prasselt Regen aufs Deck. Brrr. Werner sinniert beim Fruehstueck ueber die Preisvor- und sonstiger etwaiger Nachteile der diversen Marinas und meint, er wuerde dann doch Albufeira als Ueberwinterungshafen Lagos gegenueber vorziehen. Ich mosere “hier ist es mir zu kalt, ich will hier nicht ueberwintern”. Oder vielleicht doch? Die naechste Hitzewelle - Erkaeltungsbedingt oder doch durch was anderes verursacht? - steigt hoch, die eben angezogene Jacke fliegt schon wieder in die Ecke. Vier maennliche Wesen schauen mich fragend an, widmen sich aber schnell wieder Croissants, Kakao und Kaffee. Eine Woche ist vergangen wie nix. Leider meist mit Hafenliegezeit. Das Wetter war uns einfach nicht hold, viel Regen, Winter voll gegenan auf der Fahrt von Lagos hierher, sehr und ungewohnt ruppige Wellen dazu. Die Jungs fanden das dann nicht ganz so spassig und spaetestens als Ronny im 5-Minuten-Takt nachfragte, wann wir denn wohl ankaemen, sind wir in Albufeira eingelaufen und geblieben. Nachdem der Dienstag mit Regen und entsprechender Kuehle aufwartet wird es am Mittwoch doch noch einmal ueberraschend warm und sonnig. Per Zufall entdecken wir den Strand von Ouro und laufen die stark zerklueftete Kueste ein Stueck entlang. Immer wieder bieten sich neue Ausblicke aufs Wasser oder in kleine, steinige Buchten. Weiter draussen sitzen Kormorane auf einem Felsen und trocknen ihr Gefieder. Dass die hoch aufspritzende Gischt sie hier nicht erreichen kann, wissen die Kerle ganz genau. Ewig koennten wir die Wellen beobachten die hier an den Strand donnern. Bei Hochwasser werden dann schon mal ein paar besonders mutige Strandgaeste ungewollt nass oder die Liegen werden unterspuelt. Auch Ronny und Frantz bekommen nasse Schuhe und Struempfe. Alle - bis auf den vorsichtig im oberen Strandbereich laufenden Skipper - haben wir mehr oder weniger patschnasse Hosen! Spass macht es trotzdem. Wenige Meter vom Strand entfernt kreuzen einige Boote hin und her: Segelyachten, Ausflugsboote, Parasailing vom Boot aus. 50 Euro kostet letzteres und wird vom Yachthafen Albufeira aus angeboten. Von hier aus donnern sowieso bei gutem Wetter diverse Ausflugsboote rein und raus. Den wenigen Urlaubern hier wird doch noch so einiges angeboten. Bei unseren Fahrten mit dem Leihwagen staunen wir immer wieder ueber die Masse an Hotel- und Appartmentbauten. Viele unvollendete Objekte stehen in der Landschaft, stille Mahnmale eines eingebrochenen Baubooms. Einerseits gut fuer die Landschaft hier, die so vielleicht doch nicht komplett zubetoniert wird. Andererseits kein wirklich schoener Anblick, diese rohen Hausmauern mit ihren toten Fensterhoehlen. Baukraene stehen still und unbewegt auf Baustellen, kein Arbeiter ist zu sehen, nichts regt sich. Und das mitten in der Woche, kein Feiertag, keine Sommerferienzeit. In den Gassen von Albufeira kann man kaum einen Schritt machen, ohne nicht von einem Kellner angesprochen zu werden: “gut essen, echt portugiesische Kueche, alles nur 5 Euro, Longdrinks, Kaffee, Cappuccino?.” Und wenn gar nix mehr geht, wird noch mit “free Wifi” geworben. So ein Pech aber auch, dass der Hotspot dann auch schon mal ausgerechnet heute Abend nicht geht. Aber jetzt steht schon ein Humpen Superbock vor uns und die Augen der Maenner haengen gebannt am Bildschirm denn: Fussball, natuerlich vorwiegend englischer, wird ebenfalls allerorten und gleich ueber mehrere, an strategisch guenstigen Punkten angebrachten, Flachbildschirmen ausgestrahlt. In einigen Kneipen kann man glatt einen Fernseh-Test durchfuehren: welche Marke, welche Groesse ist aus welchem Blickwinkel immer noch gut fuers Auge? Wir entscheiden uns nach einem kurzen Bummel durch das abendlich schoen beleuchtete Albufeira fuer eine etwas abseits liegende Pizzeria. Haehnchen, Pizza und Thunfischsteak schmecken gut. Die Jungs sind aber so hungrig, dass wir noch extra Pommes nachordern muessen. Mit Kaffee und Getraenken sind wir fuer 5 Personen knapp ueber 50 Euro “los”, das finden wir durchaus akzeptabel in Anbetracht der touristischen Ortspraegung.

Ich stehe in der Fussgaengerzone, schaue nach links und nach rechts, mache Fotos und fuehle mich schlagartig an meine Heimatstadt Ruedesheim erinnert: Restaurant, Andenkenladen, Bar, Parfuemerie, typische Spezialitaeten, Chinalaeden mit Kleidung oder sonstigem Tand, Restaurant, Bar, Andenkenladen?. so geht das endlos, Strasse rauf, Strasse runter. O.k. die Temperaturen, das Rauschen der Brandungswellen?..aber sonst! Sogar die Bimmelbahn ist vertreten. Wenn jetzt irgendwann durch Rued auch noch Doppeldecker-Sightseeing-Busse fahren (a la Hamburg), und die Weinberge mit Bettenburgen zugepflastert werden, dann hat der Klimawandel wahrscheinlich stattgefunden und die Copa Cabana liegt am Rhein ;-)! Aber ich schweife ab?.. oder doch nicht?! Jeden Morgen steht hier auf dem Steg ein Graureiher, der sich lauthals beschwert, wenn man auf seiner Richtung beharrt und weiter auf ihn zugeht. Auch das aehnelt dem Yachthafen in - na wo wohl? Klar: Ruedesheim! Damit ist es aber mit der Aehnlichkeit auch schon vorbei. Denn mit so schicken, bunt angemalten Appartmenthaeusern rundum kann der Yachthafen meiner Heimat dann doch nicht aufwarten. Auch nicht mit einer solchen schmalen, durch die Felsen fuehrenden Zufahrt. Hinter den Wellenbrechern der Zufahrt liegt der sog. Fischereihafen. Eine betonnte, kurze Fahrrinne fuehrt zum Anmeldesteg der Marina. Der schaukelt bei bestimmten Wellen ganz ordentlich und wenn dann der Check-in noch etwas laenger dauert, sollte einer beim Boot bleiben und dieses samt Fendern beaufsichtigen. Krampfhaft versuche ich, mir die Szenerie hier in der Hochsaison vorzustellen. Im Hafen selbst ist ja auch jetzt noch einiges an Leben. Immer wieder laufen Segelboote aus oder ein, von den Ausflugs- und Angelbooten gar nicht zu reden. Teilweise ist die Geraeuschkulisse enorm, da einige dieser Boote starke und auch laute Motoren haben. Die Jugend findet das wummern der schweren Maschinen natuerlich cool und ueberhaupt sind die Motorboote viel interessanter wie so ein olles Segelboot, auf dem einem dann auch noch unwohl wird, wenn man damit unterwegs ist. Die meisten Bars in der Hafenmeile haben entweder ganz oder zumindest am Abend dann allerdings schon geschlossen. Ein besonders optimistisches Etablissement bietet auch jetzt noch Live-Musik ab 21:45 an! Es erstaunt uns nicht, das gerade mal 2 Tische besetzt sind. Nur ganz wenige der Appartments und Haeuser wirken Abends bewohnt. Nachsaison - Herbst in Portugal und doch noch ein Hauch von Sommer. Zumindest fuer uns. Schuhwerk und Kleidung der Portugiesen weist eher auf Winter!

Abschied - frueh aufstehen, zum Flughafen Faro fahren. Alle Koffer passen erstaunlicherweise doch in den Kofferraum des derzeitigen Mietwagens, einem Mitsubishi Colt. Der Himmel zeigt sich noch einmal von seiner blauesten Seite, keine Wolke truebt den Weg nach Faro. 25x frage ich besorgt: “habt ihr auch alles eingepackt”, 3-faches bejahen. Am 3. Kreisel faellt Thomas dann auf und ein, dass seine Brille noch sanft im Gemuesenetz ueber der Pantry hin und her schaukelt. Also Kehrt marsch und das gute Stueck geholt. Wir sind ja frueh genug dran. Die Autobahn ist gewohnt frei, der Colt zieht auch den Berg recht flott hoch und ausserdem haben wir ja durch unseren “Umzug” einige Kilometer weniger zu fahren. Zwischen Orangenhainen und Autohaeusern geht es Richtung Flughafen und je naeher dieser kommt umso schweigsamer werden die Herren Nagel. Abschied von Vater und Sohn. Das ist nicht so leicht. Lange winken wir am Flugsteig den dreien noch hinterher. Zaghaft unternommene Versuche, angesichts von 6C bei Sonne in Bremen den Aufenthalt hier noch zu verlaengern, werden zuhause ruede abgewuergt. Arbeit und Schule rufen - und das ziemlich laut.

Wir vertreiben den Abschiedsschmerz mit etwas Sightseeing nach Olhao. Die Lagune scheint recht flach. Wir parken vor einer sog. “Marina”: einem eingezaeunten grossen Lagerplatz fuer Boote aller Art. Unmittelbar vor der daneben liegenden Rampe ankert ein ganz merkwuerdiges Schiff franzoesischer Herkunft. Fast sieht es aus, als wuerde der Anker den Bug langsam aber sicher nach unten ziehen. Ich glaube, mit so einem Schiff waere ich nicht mit gefahren. “Aber so schlecht kann es ja nicht sein, wenn sie von Frankreich bis hierher gekommen sind” - damit hat mein optimistischer Skipper ja nun auch nicht ganz unrecht. Einer der hier offenbar unvermeidlichen frei laufenden Hunde laeuft ueber den pfuetzengepflasterten Weg. Immerhin sieht dieser hier doch recht gut genaehrt und gepflegt aus. An die Mentalitaet der (meisten) Suedlaender in Punkto Tiere generell und Hunde ganz speziell werde ich mich wohl nicht gewoehnen, will es auch gar nicht. Vorbei an unzaehligen, leer- und zum Verkauf/zur Vermietung stehenden Gewerbe- und Wohnobjekten vorbei fahren wir nach einem Fruehstueck an der Promenade von Olhao zurueck Richtung Faro und Albufeira. Wie hatte doch der Marinamensch in Lagos zu Werner auf dessen Frage zur Krise und ihrer Auswirkungen gemeint? “Wir haben damit kein Problem, hier leben genuegend Englaender und Niederlaender, die einen haben keinen Euro und die anderen haben offenbar keine Probleme durch die Krise”. Hier im Umland sieht das dann doch etwas anders aus. Am Strassenrand werden immer wieder Apfelsinen verkauft, 5 Kilo fuer 2 Euro! In Deutschland waere das Verhaeltnis ein anderes! Wir begegnen sogar zwei hochraedrigen Karren, die von je einem mageren Pferd gezogen werden. Zwischen modernen (und teilweise wieder leerstehenden) Industriegebaeuden ragen die Wasserraeder auf, rostig, irgendwie verfallen und doch wirken sie noch aktiv, sind immer noch einsatzbereit. Um eines ist sorgsam drumherum gebaut worden. Orangenhaine, Gartencenter, Moebelhaeuser, Autovermietungen, Makler (auch mehrere renommierte, in Deutschland bekannte Firmen darunter), Baumaerkte und natuerlich die Shopping-Malls - alles, was irgendwie mit Tourismus zu tun hat, scheint noch einigermassen zu florieren. Viele andere Laeden sind leer geraeumt. Zurueck in Albufeira unterziehen wir uns noch einmal dem Restaurant-Spiessrutenlauf: “no, thank you, maybe tomorrow/this evening” - vielleicht sollten wir uns ein Schild umhaengen? Aber sie sind ja alle nett und freundlich, die “Aufreisser” vor den Lokalen und so bleiben auch wir nett und freundlich bei unserer Absage. Trotzdem nervt es mit der Zeit schon etwas. Vor einem “se-vende” Haus bleiben wir stehen. Nette Lage, ein typisches kleines Stadthaus. Und ein echtes Raumwunder: 4 Schlafzimmer und dazu noch 2 Appartments mit je einem Schlafraum! Und das bei den Aussenmassen und gerade mal 1 ? Stockwerken! Wir sind begeistert, koennen uns aber einen Besichtigungstermin doch noch verkneifen :-)! Dabei gibt es hier sooooo viele schoene Dinge, die man in so ein Haus reinpacken koennte, Fliesen, Lampen, Moebel??seufz, gut dass wir ein Boot haben! Und auf das ziehen wir uns jetzt - ermattet von all dem gesehenen, erlebten einfach mal zurueck. Schlauchboot an Deck, aufraeumen, Bettzeug frisch beziehen fuer unseren naechsten Besuch. Ruhig und merkwuerdig “ordentlich” wirkt unser Schiff, so allein mit uns zweien. Alles ist klar fuer unseren fruehen Start morgen, 6:30 spaetesens 7 Uhr wollen wir los. Vila Real de S.Antonio oder vielleicht gar Mazagon? Das entscheiden wir dann morgen, wenn wir sehen, was uns da draussen tatsaechlich erwartet. Jetzt hat sich der Wind erstmal wieder gelegt. Kein Festmacher ruckt und knarrt unwillig, sanft schwingt unser Schiff nur wenige Zentimeter hin und her. Kaum, dass wir diese Bewegung spaeter in der Koje ueberhaupt wahrnehmen werden.