Liegeplatz auf Terschelling - in der 2. Reihe sieht man auch sehr gut

Liegeplatz auf Terschelling - in der 2. Reihe sieht man auch sehr gut

Langsam werde ich wach – 4 Uhr hat der Wecker (wieder einmal ) geklingelt. Realisiere, dass kein Windgeraeusch zu vernehmen ist, das Schiff absolut ruhig liegt.  Und das nach 4 Tagen Dauerwindstaerke 6-7 und auch mal darueber. Und dass Regentropfen leise aufs Luk klopfen. Super: heute wollen wir endlich los von Borkum und nach Terschelling. Hatten auf Wind mit Tendenz S-SE gehofft. Draussen ist es sogar neblig. Alles ist grau in grau. Gegen 6 Uhr laufen wir aus dem Hafen aus mit gesetztem Groß, Maschine noch mitlaufend queren wir das Emsfahrwasser.  Die anderen Yachten verlieren sich schnell im Nebel, gehen andere Kurse durch flacheres Wasser. Es bleibt das AIS-Signal (sofern vorhanden), das uns zeigt: da sind noch andere unterwegs.

 

Das Gross holen wir relativ schnell wieder runter: ein Riss im Unterliek nahe der Baumnock wird von mir entdeckt! Wie kann das sein – haben wir irgendwas falsch gemacht? Das Segel ist brandneu und gerade erst das 3. oder 4. Mal hoch gezogen! Wir fahren nur unter Genua und Motor weiter. Irgendwie hat auch unser Propeller so eine Anlaufschwierigkeiten. Der Wendepropeller arbeitet zwar schwer, aber wir kommen nicht auf Geschwindigkeit. Werner ist der Meinung, dass wir irgendwas in der Schraube haben.

Um uns herum ist alles grau in grau, lediglich die Farbnuancen wechseln. Das Wasser erinnert an Schiefer, sowohl von der Farbe als auch von der Struktur. Langgezogene Wellen werden muehelos von unserem Schiff gemeistert. Dank Zink mit Histidin und Zintona-Kapseln geht es mir gut. Sicherheitshalber gehe ich meistens Ruder.  Jetzt noch Seekrank werden? Nein Danke!

Es klart sogar auf, ein Zipfel blauer Himmel zeigt sich, die Sonne lukt mal durch. Dann wirkt das Wasser wie ein dunkelgruener, ungeschliffener Edelstein der mit weissen Schaumkronen noch verschoenert wird. Leider muessen wir immer mehr auf einen Kurs gehen, der uns den Wind voll gegenan kommen laesst. Also auch noch die Genua wieder rein gerollt. Unsere Segelmanoever sind alle noch etwas steif. Immer wieder klemmt irgendwo was, verhakt sich eine Leine, haben wir irgendwo vergessen, was bei zu baendseln oder zu loesen.

Das Schiff vibriert, wirklich viel Fahrt machen wir nicht. Das wird uns bewusst, als von achtern ein kleineres Segelboot aufkommt und sich anschickt, uns zu ueberholen. Das kann doch nicht sein, hat der Faltpropeller beim letzten rueckwaerts-vorwaerts geben auch wirklich richtig eingekuppelt und kann dadurch volle Leistung bringen? Werner macht einen erneuten Versuch und der Propeller kuppelt hoerbar ein und unser Schiff beschleunigt rasant. Der Segler auf dem anderen Boot denkt bestimmt, wir haben sie nicht mehr alle. Aber wir sind so begeistert von dem Tempo, das unser Schiffchen jetzt drauf hat, dass wir auch einfach so weiter laufen. Was haben wir Zeit verdaddelt!

Wir naehern uns Terschelling. Der Himmel ist jetzt fast durchgaengig blau, das Wetter zeigt eindeutig sommerliche Tendenzen. Trotzdem stehen wir eingemummelt in die dicken Jacken am Ruder.  Gehen wir jetzt nach Vlieland oder nach Terschelling? Oder ankern wir hinter Vlieland? Da soll es eine Moeglichkeit geben direkt vor der Hafeneinfahrt…..

Als wir dann doch Kurs auf Westterschelling nehmen, kommt ein grosses Schlauchboot auf uns zu, umkreist uns einige Male, um dann an Backbord langsam parallel zu uns zu laufen. Zoll. Na toll, eben habe ich noch die grandiosen Farben des Sonnenuntergangs bewundert und jetzt so ein kleiner Schreck in der Abendstunde. Wir werden aber nur hoeflich nach dem woher-wohin gefragt, dann geben die Jungs wieder Gas. Im nach hinein sinniere ich darueber nach, was die wohl zu meinen Whisky-Vorraeten gesagt haetten……oder ob die mehr auf der Suche nach rotem Diesel waren und angesichts unserer vielen Diesel-Kanister auf dem Achterdeck mal etwas genauer nach gesehen haben? Egal.

Vor uns liegt Terschelling, links daneben geht die Sonne in zarten und doch beeindruckenden Orange-Blau-Lila-Toenen unter. Die Insel selbst wirkt wie in einem Aquarell, so weich zeichnen sich die Umrisse in zartem Grau ab. Alles Ton-in-Ton. Ein Wahnsinnsanblick und ich habe keine Zeit, den Fotoapparat raus zu holen, stehe am Ruder, halte Ausschau nach Tonnen, gleiche Realitaet mit Kartenbild und Hammerhead-Bildschirm  miteinander ab und folge Werners Anweisungen. Hier ist volle Konzentration gefragt, denn sobald meine Gedanken auf Wanderschaft gehen, wandern der Kurs und somit auch das Schiff hinterher. Das ist hier in diesen Gewaessern nicht ungefaehrlich.

Wir quaelen uns durch das enge Fahrwasser, suchen und finden Tonnen (derzeit eine sehr beliebte Beschaeftigung bei uns an Bord),  und endlich, endlich liegen Brandaris und Hafeneinfahrt klar und deutlich vor uns. Ein kugelrunder Kopf taucht im Wasser auf und schwimmt an uns vorbei – das ist doch eine nette Begruessung.

Mit dem sog. Letzten Buechsenlicht tuckern wir an der beeindruckenden Flotte von Plattbodem-Schiffen vorbei Richtung Yachthafen. Auf den grossen Dampfern sind durchweg junge Menschen und geniessen den eindeutig sommerlichen Abend an Deck.

Der Yachthafen ist ebenfalls gut gefuellt und wir gehen an einer vertrauenserweckend wirkender dunkelblauen grossen Bavaria laengs. Die Eigner helfen uns beim Anlegen, es ist 23:30, wir sind hungrig, muede und irgendwie geschafft. Zeit fuer einen kleinen Schnack mit den Nachbarn haben wir natuerlich trotzdem. Und so lernen wir Bill & seine Frau Miske von der Hertog Jan kennen.  Es hat eben alles irgendwo auch etwas positives.