Mittwoch, 11. August 2010 – Bagenkop / Spodsbjerg
Aufwachen durch das trommeln des Regens auf dem Luk. Ein Blick in den mit grauen Wolken verhangenen Himmel laesst mich den Wecker toeten und noch mal unter die Decke kuscheln. Der Mann an meiner Seite hat erst gar nicht auf den Wecker reagiert. Als wir endlich aufstehen, scheint es beschlossene Sache, dass wir noch einen Tag hier liegen bleiben. Eine Busfahrt nach Rudkobing oder Lohals wird in Betracht gezogen. Ich ordne im Geiste schon mal die potentiellen Fotomotive. Es ist relativ warm und der Regen hat auch aufgehoert. Wir beobachten die Ablegemanoever der Grosssegler. Die kleinen auslaufenden Yachten nicken alle maechtig im Wellengang vor der Hafenmole. Teilweise geht es ohne Segel Richtung Osten, ein anderer Teil der Flotte kann dagegen unter Segel auslaufen. Auf jeden Fall bewundere ich die Crews der auslaufenden Schiffe. Bestimmt kein Vergnuegen, bei diesem Wellengang gegen Wind und Welle zu laufen.

Meine Freude ueber den Hafentag waehrt nicht lange. Bei jeder auslaufenden Yacht wird der Skipper zunehmend unruhiger. Und nachdem er Karte und Handbuch studiert hat, kommt er mit dem Vorschlag, doch nach Spodsbjerg zu segeln. Der Hafen sei tief genug und auch nicht sooo weit entfernt, das sei noch gut zu schaffen heute. Wehren zwecklos, denke ich mir und treffe alle Vorbereitungen fuer einen zackigen Aufbruch (Hund gehen, spuelen, alles bruchsicher verstauen etc.), In Anbetracht der drohenden Regenwolken pule ich eine ueberdimensionale Regenhose plus Jacke raus und auch Automatikweste mit Lifebelt werden parat gelegt. Dieses Mal gehe ich auf Nummer sicher. Komisch, warum habe ich immer noch etwas Bauchgrummen, wenn wir bei solchem Wetter auslaufen??

Im Vorhafen wird das Gross gesetzt und ich stelle fest: Du musst unbedingt mehr Manoever unter Maschine ueben!!! Egal, klappt soweit und dann nicken auch wir ostwaerts. Das Gross ist dicht gezogen und schlaegt trotzdem. Die Wellen sind nicht von schlechten Eltern aber, auszuhalten. Vor lauter Aktivitaeten vergesse ich ganz, dass mir normalerweise bei solchen Kursen uebel wird. Buster dagegen ist doch etwas gestresst.

Kurz vor Gustlavs Bugt koennen wir am Wind laufen und nehmen auch die Fock dazu. Das ist doch gleich was ganz anderes: maid (e) 4 (for) sea halt! Kurz darauf fallen wir ab, jetzt ist Raumschots, spaeter dann vorm Wind segeln angesagt! Vor lauter Geniessen mache ich kaum Fotos. Bis ich mich dazu ueberwinden kann, den Fotoapparat zu zuecken, ist mein Lieblingsmotiv Leuchtturm fast schon aus der besten Perspektive raus. Egal. Hauptsache segeln! Da die Fock trotz feinfuehligem Steuern immer wieder aus dem Wind geht (wir haben immer noch keine Moeglichkeit, auszubaumen) und ganz schoen am Rigg zerrt, wird sie eingerollt. Fahrt verlieren wir dadurch nicht, im Gegenteil: spaeter – vorm Wind laufend – erreichen wir bis zu 7,5 kn und ein „Verfolger” mit zwei Segeln hat es nicht leicht, uns einzuholen.

Wir beobachten den regen Schiffsverkehr in der Tiefwasserrinne. Viele grosse Poette laufen sowohl Nord- als auch Suedwaerts. Und die Faehre von Spodsbjerg nach Lolland scheint gut zu tun zu haben: staendig sehen wir eine Faehre quer laufen.

Ein Stueck laufen wir noch an der Hafeneinfahrt vorbei, dann nehmen wir das Gross runter und laufen ein. Die Zufahrt ist recht eng und leicht verwinkelt. Eine ordentliche Stroemung steht rein, im Hafen selbst ist es dann ruhig. Die Pier an der Tankstelle ist komplett frei und wir nehmen sofort einen Platz in Beschlag. Hier liegen wir nun mit freiem Blick sowohl auf den Yachthafen als auch auf den Fischer- und Faehrhafen. Der Ort selbst ist klein und hygelig, Fazit des Skippers: ach gut, dass wir doch noch hierher gefahren sind. Da hat er absolut Recht!

Dafuer bekomme ich fuer morgen einen Hafentag in Aussicht gestellt, der soll nun mit einer Busfahrt nach Rudkobing und Lohals gefuellt werden. Bin gespannt.

Nach dem Abendessen versuchen wir unsere weitere Toernplanung etwas zu konkretisieren. Ich finde das ziemlich kompliziert: 3 Buecher, diverse Karten, die neueste Ausgabe des Seijlerens – und alles, nur um festzustellen, dass viele streckenmaessig passende Haefen nicht fuer unseren Tiefgang geeignet sind.

Waehrend ich das hier tippe quaelt mich mein Skipper: beim Versuch sich von der Cockpit-Bank zu erheben und die Buecher nach unten zu schleppen, rempelt er staendig den Tisch an. Zu allem Ueberfluss werde ich dann auch noch getreten….. was ich hier alles aushalten muss ;-)!!

Ich darf gar nicht daran denken, dass die 3 Wochen viel zu schnell vorbei sind und uns danach der schnoede Arbeitsalltag wieder hat. Made for sea…..bin ich das ?? Wenn ich hier so an Bord lebe, dann bin ich schon davon ueberzeugt. Ich vermisse nichts – im Gegenteil: ich geniesse diese Art Leben so sehr. Am liebsten wuerde ich meine Gefuehle und Gedanken staendig in ein Diktafon sprechen um alles hautnah aufzuzeichnen. Zuviel passiert, bis ich abends am Lappi sitze und die Tastatur attackiere, dann fliessen andere Worte aufs technische Papier.

Wer kann auch schon nachempfinden, wie sich die Moewen anhoeren, oder wie das aussieht, wenn vier Moewen zeitgleich auf vier nebeneinanderliegenden Pfaehlen landen. Wie es sich anfuehlt, wenn das Schiff von den Wellen angehoben wird, leicht rollt, dann den Kurs unbeirrt weiter laeuft, das knarren der Genuabloecke. Oder unser Fluchen, wenn sich wieder mal irgendwo was verhakt oder sonst wie vertuedelt hat. Irgendwie passen wir zusammen, Schiff und wir: immer leicht chaotisch, nie ganz sauber. Heute in Bagenkop ist eine dunkelblaue perfekte Yacht ausgelaufen: alle Fender mit einem Strickueberzieher versehen. Die Bordfrau braun gebrannt, ¾ lange WEISSE!!! Hose mit dunkelblauem Pullover, er passend dazu gekleidet. Das ganze eine Symphonie in dunkelblau und weiss. Im Vorhafen zieht sie ohne grosse Anstrengungen das Rollgross aus dem Mast – innerhalb von gefuehlten Sekunden! Dann faehrt man davon –alles perfekt! Und so werden wir nie, wollen wir auch nicht werden :-) Ich werde IMMER und  postwendend aus einer makelos-weissen Hose eine fleckige machen. Unser Gross wird immer zicken und irgendwo auf halbem Weg zum Topp  eine Gedenkminute oder zwei einlegen und unsere Manoever werden besser aber so schnell bestimmt nie! Watt soll’s – wir leben bestimmt genauso gut und vielleicht auch interessanter. Denn ich bin froh, wenn mir niemand zuguckt, diese Dame machte den Eindruck, als wuerde sie immer nach Publikum Ausschau halten “seht her, wie toll wir sind”. Nein, hier spricht kein Neid aus mir, absolut nicht.

So und jetzt geht die Chaostruppe noch mal Gassi mit dem superhaarigen Chaos-Wauzi, der so lieb auf dem Achterdeck liegt und die Grossschot bewacht.